Mit der Operation Aspides will die EU Handelsschiffe vor Übergriffen der jemenitischen Huthi Milizionäre schützen. Nach Angaben des Hohen Vertreters Josep Borrell wurden seit dem 23. Februar 68 Schiffe geschützt, elf Angriffe im Roten Meer abgewehrt. In der eigens einberufenen Pressekonferenz am 8. April gab er sich zufrieden mit dem Ergebnis, dass sich die EU als maritimer Sicherheitsgarant erweist. Denn gerade vor dem Hintergrund, dass zurzeit vier Schiffe der EU in der „rein defensiven Operation“, wie Borrell mehrfach betonte, den Seeverkehr sichern (Auftragsbestandteil 1 der Operation) und Schiffe und das Leben von Seeleuten zu schützen (Auftragsbestandteil 2), sieht er einen Erfolg. Vom schnellen Zustandekommen ganz zu schweigen.
Der Befehlshaber der Operation, der griechische Konteradmiral Vasileios Gryparis, berichtete, dass in den sieben Wochen der Dauer der Operation neun Flugdrohnen, eine Überwasserdrohne und drei ballistische Raketen abgewehrt worden seien. Zurzeit stellen Deutschland, Frankreich, Griechenland und Italien jeweils ein Schiff mit insgesamt mehr als 800 Besatzungsangehörigen. Insgesamt unterstützen neunzehn Mitgliedsstaaten die Operation. Ganz glücklich über die Streitkräftegestellung schien er dabei nicht zu sein. Auf Nachfrage erklärte er, dass bisher alle Begleitanträge abgedeckt werden konnten. Sollte sich das Aufkommen ändern, dann ‚müssten wir möglicherweise die Anzahl der Plattformen erhöhen‘. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der sich die täglichen Transits durch den Suezkanal von früher (vor dem 19. Oktober, dem Tag des ersten Übergriffes der Huthi) 70 auf nunmehr 35 halbiert haben. Die Einlassung des griechischen Admirals lässt darauf schließen, dass eine Erhöhung der Begleitfahrten die EU vor eine Herausforderung stellen würde.
Wobei sich das engere Einsatzgebiet zum ressourcenschonenden Einsatz auf eine sogenannte Zone hoher Gefährdung beschränkt, dem südlichen Teil des Roten Meeres. Eine Ausdehnung über den für die Operation abgesteckten Gesamtraum mache ohnehin mehr Kräfte erforderlich. Das Mandat von Aspides fasst das Operationsgebiet weit und beschränkt sich nicht nur auf die Route zwischen Bab-el-Mandeb und dem Suezkanal, sondern schließt den Golf von Aden, das Arabische Meer, den Golf von Oman und den Arabischen Golf ein.
Vier Schiffe für ein Einsatzgebiet so groß wie die EU
Gerade vor dem Hintergrund abzudeckenden Raumes sieht sich Admiral Gryparis vor einer Mammutaufgabe. Er setzt Hoffnungen auf eine Streitkräftestellerkonferenz (Force Generation Conference) am 19. April. Daher muss er sich vorerst auf ein Gebiet, in dem die größte Gefahr für die Handelsschifffahrt besteht, beschränken. Dies ist noch der unmittelbare Einflussbereich der Huthi – also vom Bab-el-Mandeb bis zur nördlichen Landesgrenze des Jemen zu Saudi-Arabien. Ändern die Huthi ihre Vorgehensweise, entweder geografisch als auch taktisch, sind Anpassungen in der eigenen Vorgehensweise wie auch im Ansatz der Seekriegsmittel erforderlich. Für Admiral Gryparis ist es noch zu früh, um die Auswirkungen der EU-Maßnahmen auf das weitere Vorgehen der Huthi einschätzen zu können.
Zwischen den Zeilen räumte der griechische Admiral ein, dass die vom Hohen Vertreter bemühte Rekordverdächtigkeit beim Einberufen von Aspides in seinem Hauptquartier auch Schatten warf. Die Koordinierung mit befreundeten Nationen, insbesondere mit der US-geführten Operation Prosperity Guardian musste sich erst einspielen. Auch mit für die internationale Schifffahrt Informationszentren wie UKTMO. Die Wahrnehmung der strategischen Führungsrolle über große Distanzen erwies sich nicht als Pappenstiel. Auch so trivial erscheinende Dinge wie die logistische und medizinische Versorgung der in See stehenden Einheiten waren zu nehmende Hürden.
Taktische Erfolge und strategische Fragezeichen
Wenn auch der bisherige Verlauf von Aspides durchaus als ein Erfolg gewertet werden kann, so bleiben Fragen nicht nur hinsichtlich der Durchhaltefähigkeit der EU wie sie im Briefing angeklungen sind.
EU-Mitgliedsstaaten haben aus unterschiedlichen Gründen Marineeinheiten in der Region. Frankreich aus nationalem Interesse eine Fregatte. Dänemark und die Niederlande beteiligen sich an Prosperity Guardian. Den Haag entsendete „HNLMS Tromp“ in die US-geführte Operation bevor sie ihre Weltreise fortsetzt. Kopenhagen die Fregatte „Iver Huitfeldt“. Brüssel wird sich fragen lassen müssen, wie lange sich die EU derartige Alleingänge noch leisten kann, will sie an dem heute von Borrell formulierten Anspruch, ein globaler maritimer Sicherheitsprovider zu sein, festhalten.
Auf der Gegenseite scheinen die Huthi von der Misserfolgsquote ihrer Drohnen- und Flugkörperangriffe wenig beeindruckt. Bei den bisher mehr als 80 Angriffen können sie nur den Verlust der „Rubymar“ und die erfolgreiche Kaperung der „Galaxy Leader“ als Erfolg verzeichnen. Während einige Drohnen und Flugkörper, sowohl seitens der EU als auch durch die Einheiten der US-geführten Operation Prosperity Guardian abgeschossen wurden, scheinen die Huthi-Angriffe nicht an Intensität verloren zu haben. Die Skepsis scheint angebracht, da auch die Luftschläge durch die amerikanischen und britischen Streitkräfte keine wahrnehmbaren operativen Einbußen auf der Seite der Huthi bescherten.
Sollten sich die Versuche der Huthi, ihre Übergriffe <auch> ins Arabische Meer zu tragen, perpetuieren, bedeutete dies eine Überdehnung des verfügbaren Kräfteeinsatzes der EU. Wieweit sich zusätzliche Einheiten finden, wird sich am 19. April zeigen müssen.
Was die Frage nach der Exit-Strategie aufwirft. Sie blieb bei der Veranstaltung am 115. Tag der Krise im Roten Meer unbeantwortet.
Wobei die strategischen Überlegungen anscheinend bewusst ausgeklammert werden. Als strategisches Argument steht freie Nutzung der Meere als dritter Bestandteil der Operation im Auftragsbuch. Aus Sicht der Handelsschifffahrt hat sich die Situation eingependelt. Das Niveau der Transits hat sich seit etwa Mitte Januar nicht geändert– die im Briefing bemühten 50 Prozent im Vergleich zum „normalen“ Verkehr. Demgegenüber bleiben die großen Containerreedereien bei ihrer Politik, das Rote Meer zu meiden. Womit der Schluss naheliegt, dass Schiffe eskortiert werden, die sowieso durch das Gebiet gefahren wären. Dabei ist erkennbar, dass die durch das Rote Meer verursachten Verzögerungen, wenn auch nicht unerheblich, doch nicht so groß sind wie die Störungen zu Corona-Zeiten.
Auch aus einem anderen politischen Winkel stellt sich die Frage, wieso die EU militärische Risiken eingeht, während sich die Hauptbetroffenen (wie Ägypten, Saudi-Arabien, China, Türkei) schadlos halten. Ein Scheitern, z.B. bei einem Treffer auf einem Kriegsschiff der EU wäre mehr als nur ein Prestigeverlust. Die Tatsächlichkeit der Bedrohung ein Erfolg für die Huthi und der hinter ihnen agierende Iran. Es wäre darüber hinaus auch ein Verlust an Glaubwürdigkeit, dass die EU nicht für die Freiheit der Schifffahrt eintreten kann. Die ohnehin auf dem Spiel steht, da in anderen Seegebieten der Vorwurf erhoben werden kann, dort nicht eingegriffen zu haben: im Schwarzen Meer, im Chinesischen Meer. In den Augen der Glaubensrichtung ‚Globaler Süden‘ ein Argument mehr, dass der Westen das internationale Seerecht als Instrument zu seinem Vorteil einsetzt.
Hinzu kommt eine ökonomische Betrachtung. Ein Blick auf SCFI-Index zeigt, dass er im Sinken begriffen ist. Der Satz des Shanghai Containerized Freight Index, der als einer der wichtigsten Raten Indikatoren für die containerisierte Seefracht gilt, lag am 8. April bei 1745,43 US-Dollar/TEU. Am 12. Januar erreichte er mit 3103 US-Dollar/TEU auf seinem Höhepunkt. Vor der Krise am Roten Meer waren es 1029 US-Dollar/TEU. TEU steht für Twenty-foot Equivalent Unit, einen Zwanzig-Fuß-Container. Während sich für Nordamerikaner und Europäer die Lage entspannt, ist dies für andere Regionen nicht der Fall. Aufgrund der Störungen am Roten Meer hatte Maersk einen Hochsaisonzuschlag (Ostern, Ramadan) von Nordeuropa und dem Mittelmeer nach Dschibuti von 300 US-Dollar pro Container erhoben – was auf der Basis des SCFI vom 8. April mehr ca. 2050 Dollar für einen Container ausmacht. Dschibuti ist der Umschlagplatz von Waren für 128 Millionen Menschen in Äthiopien.
Hans Uwe Mergener