Print Friendly, PDF & Email

Unser Wohlstand wird auch am Bab-el-Mandeb verteidigt.

Vor dem Hintergrund der im Roten Meer wiederholt vorgetragenen Angriffe der Huthi mit Flugkörpern, unbemannten Luftfahrzeugen und kleinen Booten gab das deutsche Auswärtige Amt am Abend des 03. Januar 2024 eine Pressemitteilung heraus. Sie enthält eine gemeinsame Erklärung der Regierungen Australiens, Bahrains, Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Italiens, Japans, Kanadas, der Niederlande, Neuseelands, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten.

Darin verurteilen die zwölf Staaten die Übergriffe der Huthi auf die freie Schifffahrt im Roten Meer und fordern sie auf die Angriffe einzustellen sowie die festgehaltenen Schiffe und Besatzungen freizulassen. Die Angriffe der Huthi werden als „illegal, inakzeptabel und zutiefst destabilisierend“ bezeichnet.

blank
Ein Boot der Huthis (Screenshot mmy.ye)

Die Erklärung endet mit der Androhung von Repressalien durch die Zwölf. „Sollten die Huthi weiterhin Menschenleben, die Weltwirtschaft und den freien Verkehr von Waren auf den zentralen Seewegen der Region bedrohen, werden sie die Verantwortung für die Folgen tragen. Wir bleiben der regelbasierten internationalen Ordnung verpflichtet und sind entschlossen, böswillige Akteure für widerrechtliche Inbesitznahmen und Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen.“

An der Erklärung vom 3. Januar 2024 fällt die Abstinenz der Bahamas, des Jemen, Liberias, Singapurs und Südkoreas als Signaturstaaten der Deklaration vom 19. Dezember 2023 auf, während Bahrein und Dänemark hinzukommen. Kopenhagen beabsichtigt die Entsendung einer Fregatte ins Rote Meer zur Teilnahme an der Operation Properity Guardian. Noch im Januar soll sich das Parlament damit befassen.

Kommentar. Wie schon im Fall der Erklärung vom 19. Dezember 2023 (ESuT berichtete) ist die Wirkung eines derartigen Schreibens fraglich. Eine Erläuterung, wie die Gemeinschaft der Zwölf gedenkt die Situation im Roten Meer zu stabilisieren, gar die Übergriffe eindämmen zu wollen, fehlt. Es erscheint zweifelhaft, dass sich die Huthi vor der Aussicht, in Verantwortung gezogen zu werden, beeindruckt zeigen werden. Sanaa wird die gefühlte Erfolglosigkeit der Bemühungen Washingtons, eine Operation zum Schutz der freien Schifffahrt zu lancieren, registriert haben. Von den sich bereit erklärenden Ländern ist nur das Vereinigte Königreich dem US Aufruf gefolgt und stellt ein Kriegsschiff, „….so dass Washington praktisch allein gegen die Ansarullah vorgehen muss“ zitiert die iranische Nachrichtenagentur MehrNews am 2. Januar 2024 Al Jazeera. [Anmerkung: Die Huthi bezeichnen sich selbst als Ansar Allah (Helfer Allahs).]

Dabei wissen die Huthi den Schutz des iranischen Unterstützers hinter sich. Während seiner Zusammenkunft mit Mohammad Abdul Salam, Sprecher und Chefunterhändler der jemenitischen Regierung der nationalen Rettung am 1. Januar 2024 in Teheran bekräftigte der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian die Unterstützung Irans für den Frieden im Jemen.

Neben diesen politischen Formeln unterlegt Teheran seinen Beistand finanziell und mit militärischer Ausrüstung.

Den Huthi gelingt es seit 2015 sich gegen die von der Staatengemeinschaft anerkannte jemenitische Regierung aufzustellen und die von Saudi-Arabien geschmiedete ‚Koalition‘ von einer Besetzung ‚ihres‘ Territoriums abzuhalten. Sie ticken nicht nach einer wertebasierten Ordnung und funktionieren nicht nach unseren Begriffen freiheitlichen Handelns. Ihre Aversion gegenüber dem Westen, insbesondere gegen die von ihnen wahrgenommene Führungsmacht USA trifft auf innigen Hass gegen Israel und seine Unterstützer.

Diese Motivationsstrukturen aufzuknacken, bedarf es mehr als Rhetorik.

Insofern stellt sich die Frage erneut, was der nächste Schritt der westlichen Allianz in der Verteidigung unserer Werte, am konkreten Beispiel der freien Handelswege durch das Rote Meer sein wird.

Wird der nächste Übergriff ein casus belli? Klingt in unserem friedensbewegten Verständnis nicht überzeugend. Insbesondere in Deutschland hat die Gesamtsituation und nicht einmal der Übergriff auf ein Schiff einer deutschen Reederei zu besonderer Betroffenheit geführt. Auch der Vorfall vom vergangenen Sonntag mit der versuchten Übernahme eines Handelsschiffes eines Nachbarstaates mit Beschuss von Einheiten eines NATO-Partners blieb in Deutschland ohne nachhaltiges Echo. Umso virulenter erscheint die Beschäftigung mit der Frage, wie wir uns aufstellen werden, wenn ein Kriegsschiff der Koalition, gar eines unserer NATO-Partner von einem Flugkörper getroffen wird?

Potentielle Krise trifft auf Deutschland (im Winterschlaf)

Die Diskussion in Deutschland vermeidet diese Betrachtung. Zu einer möglichen Beteiligung bei der maritimen Koalition um die „Operation Prosperity Guardian“ herrscht vorsichtige Zurückhaltung. Demgegenüber berichtet die New York Times über die Abwägungen Londons und Washingtons, darunter der Einsatz von Spezialeinheiten und Luftschläge.

Die angespannte Lage im Roten Meer hat noch nicht die allgemeine Wahrnehmung erreicht. Die Verlängerung der Handelsrouten spielt allenfalls in Börsennachrichten eine Rolle. Dabei hat eine weitere Verschärfung das Potential, nicht nur den Containerverkehr zwischen Asien und (West-) Europa zu beeinflussen.

Womit sich wieder einmal die paradoxe Haltung Berlins offenbart. Hier die „klare Botschaft“, so der Text der Erklärung vom 3. Januar. Auf der anderen Seite keine breite Diskussion um ihre Implikationen. Die Botschaft nach innen bleibt aus!

Abzuwarten ist, wann die Huthi ihre bisherige Verhaltensweise ändern und ihrerseits offensiv gegen Einheiten der US Navy und gegebenenfalls auch der Koalition vorgehen.

Hans Uwe Mergener