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Der finnische Verteidigungsminister Antti Kaikkonen hat die Streitkräfte ermächtigt, gepanzerte 6×6-Mannschaftstransporter von Patria zu beschaffen. Wie das Ministerium am 2. Juni mitgeteilt hat, sollen 91 gepanzerte Mannschaftstransporter mit Ausrüstung für das Heer beschafft werden. Im Vertrag sollen auch Ausbildungsleistungen für Besatzung und Instandsetzungspersonal vereinbart werden. Darüber hinaus werde der Vertrag eine Option zur Beschaffung von bis zu 70 weiteren Fahrzeugen enthalten. Der Gesamtwert der Beschaffung ohne Mehrwertsteuer belaufe sich auf etwa 208 Millionen Euro. Die Auslieferung der Fahrzeuge soll noch in diesem Jahr beginnen.

Der Fahrzeughersteller Patria hat am selben Tag gemeldet, dass der Vertrag unterzeichnet sei und nannte als weitere Vertragsinhalte die Lieferung von Ersatzteilen und Sonderwerkzeugen.

„Durch die Beschaffung wird die Mobilität des Heeres mit Fahrzeugen aus einheimischer Produktion verbessert. Sie sind ideal für die finnischen Bedingungen und während ihres gesamten Lebenszyklus äußerst kosteneffizient“, kommentierte Minister Kaikkonen das Vorhaben. Aus finnischer Sicht werde das Projekt die Mobilitätsfähigkeiten der Radfahrzeuge des Heeres bis in die 2060er Jahre verbessern.

„Die Serienbestellung Finnlands ist ein bemerkenswerter Meilenstein für das gesamte CAVS-Programm. Mit diesem Auftrag werden in Hämeenlinna, Finnland, bereits gepanzerte Patria 6×6-Fahrzeuge für drei Länder hergestellt“, sagte Jussi Järvinen, Executive Vice President des Geschäftsbereichs Finnland von Patria.

Die Serienbeschaffung erfolge im Rahmen des internationalen CAVS-Projekts (Common Armoured Vehicle System), das von Finnland geleitet wird und an dem auch Lettland, Schweden und Deutschland beteiligt sind, schreibt das Ministerium. In Zusammenarbeit mit Patria entwickeln die Länder ein gepanzertes Radfahrzeugsystem, das mit der gepanzerten 6×6-Fahrzeugplattform von Patria die gemeinsamen Anforderungen mit mehreren Fahrzeugversionen erfüllen soll, darunter den jetzt zu beschaffenden Mannschaftstransporter.

Das Memorandum of Understanding zwischen dem finnischen Verteidigungsministerium und Patria über die Bestellung neuer Mannschaftstransportfahrzeuge wurde 2021 unterzeichnet. 2022 haben die finnischen Streitkräfte Patria zufolge drei Vorserienfahrzeuge erworben, die vor der eigentlichen Serienbestellung im Testeinsatz waren. Während der Testphase habe das finnische Heer die Möglichkeit gehabt, sich mit den verschiedenen Merkmalen und dem Einsatz der Patria 6×6-Fahrzeuge vertraut zu machen und die endgültigen Anforderungen für die Serienfahrzeuge festzulegen.

Das 2019 gestartete multinationale CAVS-Programm sei wie geplant verlaufen, schreibt Patria. Deutschland habe sich vor kurzem dem Programm angeschlossen, und Schweden habe seine ersten 20 Fahrzeuge bestellt. Die Auslieferungen an Lettland laufen seit 2021. Das gemeinsame 6×6-Fahrzeugprogramm sei auf großes Interesse gestoßen und stehe im gegenseitigen Einvernehmen der beteiligten Länder auch anderen Ländern offen.

Land Bestellung Option
Lettland 200
Schweden 20 400
Finnland 3 + 91 70
Deutschland
Gesamt 314 470

Nach den Gründernationen Finnland und Lettland sind Estland (2019) und Schweden (2021) dem CAVS-Programm beigetreten. Deutschland ist im April 2023 mit Unterzeichnung des Technical Arrangement das fünfte CAVS-Mitglied geworden (Soldat&Technik berichtete). Zweck des deutschen Programmbeitritts ist offenbar eine Prüfung, inwieweit die in die Jahre gekommene Flotte des Bundeswehr-Transportpanzers TPz 1 Fuchs durch ein marktverfügbares Fahrzeug ersetzt werden könnte. Derzeit sind in der Bundeswehr noch rund 900 Transportpanzer Fuchs in etwa 30 unterschiedlichen Varianten in Nutzung. Neben dem Patria 6×6 werden u.a. eine modernisierte Version des TPz Fuchs von Rheinmetall, der Pandur Evolution und der Eagle V 6×6 von General Dynamics European Land Systems als Kandidaten für die Fuchs-Nachfolge gehandelt.

Der Patria 6×6 basiert auf einem Fahrzeug mit gleicher Antriebsformel, das seinerzeit noch von Sisu für die finnischen Streitkräfte gebaut wurde – auch als Patria XA bezeichnet. Dabei handelte es sich um etwa die gleiche Generation von Radpanzern wie der Fuchs. Wesentliche Unterschiede des neuen Patria 6×6 zum Sisu-Fahrzeug sind laut Hersteller die Einzelradaufhängung, ein leistungsstärkerer Scania LKW-Motor – 294 kW Leistung und einem Drehmoment von 1.870 Nm – sowie moderne Elektrik.

Die einzige größere Komponente aus Deutschland ist das Getriebe von ZF. Das Maximalgewicht wird mit 24 Tonnen angegeben, wovon 8,5 Tonnen auf die Nutzlast entfallen. Der Schutz erreicht STANAG 4569 Level 2 (ballistisch und Minenschutz). Optional ist Herstellerangaben zufolge auch Level 4 (ballistisch und Minenschutz) realisierbar.

Sollte sich die Bundeswehr für den finnischen Transportpanzer entscheiden, ist auch eine Lizenzproduktion in Deutschland denkbar, wie Patria-Vorstandschef Esa Rautalinko in einem mit dem Handelsblatt geführten Interview Anfang Januar 2023 erläutert hat. Gut informierten Kreisen zufolge führt das Unternehmen derzeit mit mehreren deutschen Panzerbauern (FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft, Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall) Gespräche, wie eine Lizenzfertigung in Deutschland aussehen könnte. Eine Entscheidung ist aber gut informierten Kreisen zufolge noch nicht gefallen.

Redaktion / gwh