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Die Initiative der europäischen Kommission ein Instrument zu schaffen, dass die gemeinschaftliche Nachbeschaffung von Rüstungsgütern durch die Mitgliedstaaten fördert, verzögert sich erheblich. Das sogenannte Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) wird voraussichtlich erst im Juni dieses Jahres in Kraft treten. Dies sagte Konteradmiral Jürgen Ehle, Managing Director for CSDP and Crisis Response beim Europäischen Auswärtigen Dienst, auf der Fachveranstaltung „Perspektiven der Verteidigungswirtschaft 2023“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik vergangene Woche in Bonn. Ihren Entwurf zur Verordnung hatte die Kommission am 19. Juli 2022 eingebracht. Somit wird es offenbar ein Jahr dauern, bis der Vorschlag in Kraft treten könnte.

Grund für die Verspätung sei die ausstehende Zustimmung durch das Europäische Parlament. Der Rat der EU, der ebenfalls an dem legislativen Verfahren beteiligt ist, habe bereits im Dezember grünes Licht gegeben, so Ehle weiter. Ursprünglich hatte die Kommission angekündigt, dass EDIRPA noch im Jahr 2022 in Kraft treten soll, um möglichst frühzeitig die Mitgliedstaaten bei kurzfristigen Beschaffungen zu unterstützen (ES&T berichtete).

Aus informierten Kreisen des Europäischen Parlaments ist zu hören, dass die Verzögerung aufgrund von Zuständigkeitsfragen verschiedener Ausschüsse zustande gekommen sei. Da EDIRPA als ein Instrument der EU im Bereich der Industriepolitik konzipiert ist, habe der Industrieausschuss (ITRE) die Zuständigkeit beansprucht. Aufgrund dessen, dass es sich aber gleichzeitig um die finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Beschaffung von Rüstungsgütern handelt, habe auch der Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) auf seine Zuständigkeit aufmerksam gemacht. Als dritter habe dann auch noch der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) am Prozess beteiligt werden wollen.

Schlussendlich habe man sich Ende des vergangenen Jahres darauf geeinigt, dass den Ausschüssen ITRE und SEDE die Hauptzuständigkeit zufällt und IMCO eine zuarbeitende Rolle erhält, jedoch exklusive Kompetenzen bei einzelnen Artikeln der Verordnungsvorlage bekommt.

Die beiden Berichterstatter von SEDE und ITRE, Michael Gahler und Zdzisław Krasnodębski, sprechen sich in ihrem Berichtsentwurf von Mitte Januar für die Erhöhung des Finanzvolumen von EDIRPA von 500 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro aus. Die Laufzeit des Programms solle aber unverändert am 31.12.2024 enden. Zudem wollen die beiden Abgeordneten auch der Ukraine und Moldau eine Teilhabe an dem Instrument ermöglichen sowie finanzielle Boni für die Staaten der EU-Ostflanke in der Verordnung verankern.

Da die EU aufgrund des Artikels 41 Absatz 1 des Vertrages über die Europäische Union nicht direkt Rüstungsgüter finanzieren darf, gilt EDIRPA, genauso wie der Europäische Verteidigungsfond (EDF), als industriepolitische Maßnahme. Das Geld, so die Kommission, sei ausschließlich für die Finanzierung administrativer Kosten zu verwenden, die beim gemeinsamen Beschaffungsprozess für die Mitgliedstaaten entstünden. Überprüft soll dies aber nicht werden, da die Gelder, so der derzeitige Stand, nach dem Prinzip „financing not linked to costs“ vergeben werden sollen.

Auf diese Weise wäre die EU in der Lage indirekt die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern zu fördern, ohne gegen Artikel 41 Absatz 1 zu verstoßen.

Gemäß dem aktuellen Vorschlag der Kommission bedarf es grundsätzlich dreier Voraussetzungen, um auf Mittel aus EDIRPA zugreifen zu können. Erstens müssen sich Gruppen aus mindestens drei Staaten zusammenfinden, die gemeinsam ihr Beschaffungsvorhaben organisieren wollen. Zweitens muss durch die Beschaffung der Rüstungsgüter die europäische Rüstungsindustrie gestärkt werden. Als dritte Bedingung für Mittel aus EDIRPA muss es sich zudem um kurzfristige Beschaffungen handeln, beispielsweise Munition, um die eigenen Lager schnell wieder aufzufüllen.

Das Projekt EDIRPA soll, sofern es denn vom Parlament genehmigt wird, künftig auch wegweisend sein für ein längerfristig angelegtes Förderungsprogramm der EU für gemeinsame Rüstungsbeschaffungen. Dieses Projekt, das dann noch einmal breiter angelegt werden soll als EDIRPA, läuft unter dem Namen „Programm für Europäische Verteidigungsinvestitionen“ (EDIP). Hierfür wird zum Beispiel als weiterer Anreiz eine Befreiung von der Mehrwertsteuer diskutiert, um gemeinschaftliche Projekte zu fördern.

 

Ole Henckel