Die 37. Sicherheitspolitische Tagung des Mittler Report Verlags stellte mit hochrangigen Expertinnen und Experten die Frage, wie Deutschland und Europa auf aktuelle Bedrohungen reagieren müssen. Im Fokus: Russland, die Zeitenwende und neue Technologien. Die Tagung verdeutlichte: Es braucht schnelle Reformen und gesellschaftliche Resilienz, um kriegstüchtig zu bleiben.
Gediegenes Ambiente für eine brisante Tagung
Die 37. Sicherheitspolitische und Wehrpolitische Tagung des Mittler Report Verlags fand am 12./13. Dezember 2024 erstmals in Königswinter in einem ausgesprochen gediegenen Tagungsambiente im Hotel Maritim statt. Unterstützt wurde der Veranstalter durch folgende Unternehmen: General Dynamics, Hagenuk Marinekommunikation, Hexonia, Mehler Protection, pwc und Securiton. Einige dieser Unternehmen präsentierten sich auch mit in einer kleinen Ausstellung im Foyer. Eröffnet wurde die Tagung von Peter Tamm, Geschäftsführer der Gruppe TAMM Media, zu der auch der Mittler Report Verlag gehört. Dabei wurde die neue Verlagsleiterin, Sylvia Fulisch, vorgestellt. Peter Tamm konnte über 100 Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmer, vorwiegend aus dem Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, begrüßen, bevor der Redaktionelle Leiter des Mittler Report Verlags, Burghard Lindhorst, in bewährt souveräner Art die Moderation übernahm.
Kriegstüchtigkeit – mehr als ein militärisches Konzept
Das Thema der Tagung „Kriegstüchtig – aber wie?“ wurde durch elf hochrangige Führungspersönlichkeiten aus der Politik, dem Verteidigungsministerium, der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, der NATO und der Wissenschaft aus ihren jeweiligen Perspektiven betrachtet und in den sich anschließenden Aussprachen weiter vertieft. In diesem multidimensionalen Ansatz liegt der eigentliche Mehrwert der Tagung. Grundsätzlich wird Kriegstüchtigkeit als die Fähigkeit gesehen auf der Grundlage einer gesicherten Verteidigungsfähigkeit und gesellschaftlichen Resilienz gegen Bedrohungen sowohl der inneren als auch der äußeren Sicherheit abzuschrecken und im Falle eines Angriffs diesen erfolgreich abzuwehren. Daraus folgt, dass Kriegstüchtigkeit mehr ist als ein Attribut für Streitkräfte, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und als solche auch in allen Bereichen umgesetzt werden muss. Dazu sagt Flottillenadmiral Christian Bock, Unterabteilungsleiter Militärstrategie, Einsatz und Operationen im Verteidigungsministerium: „Kriegstüchtigkeit bedeutet für uns, dass wir gewinnfähig und überlebensfähig unsere Streitkräfte aufstellen. Dies allein reicht aber nicht, da die gesamte Gesellschaft kriegstüchtig sein muss, um die Resilienz zu haben, gegen jede Bedrohung sicher werden zu können.“
Russlands Bedrohung: Hybride Kriegsführung und die europäische Sicherheitsordnung
Die Bedrohung Europas und damit Deutschlands ist Russland. Generalleutnant Wolfgang Wien, Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO und EU, führte dazu aus: „Russland bereitet sich auf einen Krieg vor. Wir sehen es, müssen die Fakten anerkennen und die Folgerungen ziehen.“ Putins übergeordnetes Ziel ist es, die europäische Sicherheitsordnung (NATO/EU) zu zerschlagen und Russlands Einfluss imperial zu erweitern. Dazu bedient er sich Mittel der politischen, wirtschaftlichen, hybriden und kinetischen Kriegsführung. Den aktuellen Zustand in diesem Kontinuum beschreibt Professor Dr. Joachim Krause wie folgt: „Der Krieg beginnt nicht mit dem Überschreiten der Grenzen durch militärische Kräfte, sondern findet bereits heute durch hybride Aktionen statt.“ Nach den jüngsten Beurteilungen der Nachrichtendienste wird Russland nach Ende des Krieges in der Ukraine zwischen fünf bis acht Jahre benötigen, um seine
Streitkräfte zu rekonstituierten. Russland wird dann angriffsfähig sein und den Zusammenhalt der NATO und ihre Verteidigungsfähigkeit testen.
Zeitenwende für die Bundeswehr: Verteidigungsbereitschaft bis 2029
General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, leitete in seinem Vortrag daraus ab, dass das Herstellen der Verteidigungsbereitschaft für die deutschen Streitkräfte bis 2029 alternativlos ist. Das Erreichen dieses Ziels wird umso wichtiger vor dem Hintergrund des als sicher geltenden abnehmenden amerikanischen Beitrags zur Verteidigungsfähigkeit in Europa. Hieraus erwächst insbesondere für Deutschland eine neue Herausforderung. Bei der Erörterung der dafür notwendigen militärischen Fähigkeiten für die Bundeswehr wird durchgängig der heutige Krieg in der Ukraine als Referenzmodell bemüht.
Technologien im Fokus: Innovationen für die Streitkräfte der Zukunft
Wesentliche Erkenntnis daraus ist mit Blick auf ein zukünftiges Fähigkeitsprofil kriegstüchtiger Streitkräfte die Bedeutung der sich rasant entwickelnden Technologien, insbesondere im Bereich Drohnen, Cloud Computing, Künstlicher Intelligenz, beschleunigter Kill-Chains und des Elektronischen Kampfes. Nico Lange, Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz und CEPA, Washington, D.C., führte dazu aus: „Die Lage ist ernst. Wir tun nicht alles, um dieser ernsten Lage zu begegnen. Wir müssen schneller werden. Wir müssen mehr Geld für Verteidigung ausgeben und wir müssen anders rüsten. Mit Blick auf diesen Anspruch waren die Beiträge der Vertreter der Industrie, des Verteidigungsministeriums und der Ämterebene mit ihrer Schilderung der realen Lage, den getroffenen Verbesserungsmaßnahmen und den erreichten Zielen eine wertvolle Bereicherung.
Fortschritte und Herausforderungen bei der Beschaffung
Seit der Zeitenwende konnten die Beschaffungsprozesse im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten merklich beschleunigt werden. Annette Lehnigk-Emden, die Präsidentin des Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) unterstrich dies wie folgt: „Wir haben im BAAINBw bewiesen, dass wir schnell beschaffen können. Wir haben das 100-Milliarden-Sondervermögen größtenteils unter Vertrag gebracht.“ Dennoch ist es bis zum Erreichen des Ziels einer verteidigungsbereiten zukunftsfähigen Bundeswehr 2029 und einer resilienten Zivilgesellschaft noch ein weiter Weg.
Fazit: Dringender Handlungsbedarf für Europas Sicherheit
Die Bedrohung ist real, die Lage ernst, die Zeit drängt und das Erreichen des Ziels alternativlos, aber möglich durch politischen Willen, eine Erhöhung des Verteidigungsetats auf drei Prozent, die Einführung einer modifizierten Wehrpflicht und eine weitere Entbürokratisierung und Verschlankung der Beschaffungsprozesse sowie eine Reform der
Zuständigkeitsregelungen in Sicherheitsfragen. Zusammengefasst: Eine erfolgreiche Tagung, die am 11./12. Dezember 2025 wieder stattfinden wird.
Heinrich Fischer