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Der Manöveranpfiff erfolgte kurz vor zehn Uhr. Die Fregatte „Hessen“ (F 221) löste sich von der Pier und machte sich auf ihren Weg. Wie aus dem Bild erkenntlich, war ihr zumindest noch nach Passieren der Molenköpfe des Marinestützpunkts Wilhelmshaven ruhiges Fahrwasser sicher. 

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Ruhiges Fahrwasser beim Passieren der Molenköpfe des Marinestützpunkts Wilhelmshaven (Foto: OMt Kelm)

Das wird nicht so bleiben. Denn ihre beabsichtigte Teilnahme an der Operation EUNAVFOR Aspides ist nach den Worten des Inspekteurs der Marine alles andere als Zuckerschlecken. Und geht über die Anforderungen in einem NATO-Verband hinaus, in dem die Abwehr von Bedrohungen geübt werden, bei denen die von Luft-, See-, Unterwasserzielen und Minen ausgehende Gefahr abstrakt bleibt. Man müsse davon ausgehen, dass der Einsatz im Roten Meer ein „scharfer Waffengang“ werde, sagt Vizeadmiral Jan C. Kaack im Interview auf einem Bundeswehr-Portal. Der Kommandant der „Hessen“ ergänzt in der Pressemitteilung zum Auslaufen: „Sie [Anm. der Redaktion: die Bedrohung] ist ganz konkret und besteht aus einer Vielzahl an Waffen, die dort regelmäßig zum Einsatz gebracht wurden.“ 

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Siemtje Möller im Gespräch mit dem Kommandant der „Hessen“ (OMt. Kelm)

Bewaffnung und Ausbildungsstand waren für die Wahl der „Hessen“ ausschlaggebend. Kaack: „Da wir dort in einen scharfen Waffengang gehen, davon muss man ja ausgehen, nach allem, was man dort sieht, kommt hier nur eine Einheit, ein Schiff in Frage, dass sich durchsetzen kann von ihrer Bewaffnung und dessen Besatzung 100 Prozent ausgebildet ist, um mit dieser Bedrohung umgehen zu können. Die Fregatte Hessen, die wir ausgewählt haben, ist darauf vorbereitet. Sie ist unser Goldstandard sozusagen, wenn ich das mal so sagen darf. Sie kommt aus der aktiven Führung einer Very High Ready Joint Taskforce Maritime. Was sie Besonderes hat, ist, dass ihre Radaranlagen und Waffen optimiert sind auf genau einen solchen Fall. Sie hat Radaranlagen an Bord, die etwa 400 Kilometer Reichweite haben und damit auch kleinste Kontakte aufnehmen können.“ 

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Die Luftbedrohungsauffassung der F124, Quelle: Bundeswehr

Aspides 

Derweil laufen die Vorbereitungen für Aspides auf vollen Touren. Nach den informellen Treffen der Verteidigungs- (31. Januar) und Außenminister (2./3. Februar) fügen sich die Elemente langsam zusammen. Griechenland stellt mit Joint Force Command South Center Larissa das operationelle Hauptquartier (OHQ). Larissa ist EU-zertifiziert und wurde schon 2014 für eine EU-Operation genutzt (EUFOR RCA – Zentralafrikanische Republik). Nach Nicolas Gros-Verheyde vom Brüsseler sicherheitspolitischen Blog B2 wird Italien das operative Kommando zur See übernehmen. Der Operationsplan, der einen Einsatz von drei seegehenden Einheiten für die Dauer von zwölf Monaten vorsehe, sei in weiten Teilen fertiggestellt. Womit noch die Frage des Budgets zu klären wäre. Nach Informationen von B2 werden zwischen acht und zehn Millionen Euro veranschlagt. Innerhalb der EU soll der Beschluss am 19. Februar im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ gefasst werden. War der Hohe Beauftragte Josep Borrell vor Tagen noch optimistisch, dass dann auch der Start erfolgen könne, so musste er sich aufgrund der deutschen Gegebenheiten in Geduld üben. Denn das Mandat des Deutschen Bundestages, das die Beteiligung der „Hessen“ erst ermöglicht, kann erst in der Woche 19.-23. Februar erteilt werden. 

Der potentielle Einsatz der „Hessen“ im Roten Meer wird nicht nur für Schiff und Besatzung einen Härtetest. Er markiert für Deutschland ein weiteres Mosaikstück in der Zeitenwende. Dabei ist es weniger ein Kampf gegen die auch die eigene Bevölkerung terrorisierenden Huthi als das Eintreten für den freien Seeverkehr. Der Einsatz ist nicht unumstritten. Nicht nur, dass das Prinzip der Abschreckung gegenüber den Huthi nicht zieht. Dass die Präsenz internationaler Seestreitkräfte die sichere Durchfahrt in der Region gewährleisten kann, wird von Ambrey Analytics Ltd bezweifelt. Die Bedrohung weite sich aus, werde komplexer und decke ein größeres Gebiet ab, heißt es im aktuellen Bericht des britischen Sicherheitsunternehmens und -beraters vom 2. Februar. Neben Übergriffen der Huthi beeinträchtigen somalische Piraten die Sicherheitslage. 

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Das Einsatzgebiet der Fregatte „Hessen“ (Grafik: Bundeswehr)

Indes kam es in den zurückliegenden Tagen im Roten Meer und seinen Zugängen zu neuerlichen Zwischenfällen. Ein griechisches Handelsschiff meldete am 6. Februar eine Explosion. Trotz der Welle von Luftangriffen der USA und Großbritanniens führten die Huthi Übergriffe aus. Wenig eingeschüchtert beanspruchten sie am 7. Februar Anschläge auf zwei Handelsschiffe, die “Star Nasia” und „Morning Tide“. Am 5. Februar wurden nach Angaben des US Central Command zwei unbemannte Überwasserfahrzeuge neutralisiert. In ihren anti-westlichen Proklamationen bemühen die Huthi inzwischen auch ihr mögliches Angriffspotential gegen Unterwasserinfrastruktur. 

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Die Fregatte „Hessen“ als Teil der Operation EUNAVFOR Aspides ist für den Schutz der freien Seefahrt zuständig (Quelle: Bundeswehr)

Deutschland in der Zeitenwende 

Derweil übt sich die deutsche Politik im traditionellen Deutschlandtempo und hält sich an Verfahren und Regelwerk. Nach einem am 19. Januar veröffentlichten Bericht des RND wurde durch Vertreter des Verteidigungsministeriums die Verabschiedung des Bundestagsmandats bis Mitte Februar angekündigt. Angesichts eines Blicks auf den Sitzungskalender eine gewagte Bekanntgabe. Im Februar war lediglich die Woche 19.-23. Februar als Sitzungswoche vorgesehen. Die Auswirkungen auf den Start von EUNAVFOR Aspides wurden bereits dargestellt. Und entgegen dem gerne bemühten Begriff Parlamentsarmee hielten sich Bundestagsabgeordnete bei dem heutigen außergewöhnlichen Ereignis zurück. Neben der Wehrbeauftragten Eva Högl konnten wir die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Siemtje Möller ausmachen.  

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Quelle: Bundeswehr

Die „Hessen“ lief mit einer Besatzungsstärke von etwa 240 Soldatinnen und Soldaten aus. Dies schließt neben der eigentlichen Stammbesatzung sowohl das Flugbetriebsteam für zwei Bordhubschrauber Sea Lynx sowie weiteres Einsatzpersonal wie ein Ärzteteam, Soldaten des Seebataillons und einen Militärpfarrer mit ein. Eine derartige Besetzung ist in Zeiten angespannter Personallage ungewöhnlich. Die Antretestärke in der Einsatzflottille 2, der die Fregatte angehört, liegt bei ungefähr 65 Prozent Mannschaften und Unteroffiziere. Vor diesem Hintergrund eine wahre Leistung der Marine. Wobei zu befürchten ist, dass dies zu Lasten der personellen Einsatzfähigkeit kommender Jahre gehen mag. Was, in einer weiteren Betrachtung zum Fazit führt, dass die hochgelobten Trendwenden vergangener Tage (sowohl die materielle als auch die personelle) Makulatur sind. 

Hans Uwe Mergener