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Wiederholt haben wir über russische Schiffsbewegungen berichtet, die aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage besonders zu würdigen sind. Nach der Beobachtung der „Sparta IV“ und „Ursa Major“ am 21. März (wir berichteten), verließ die „Sparta IV“ in der Nacht des 17. April 2024 den Hafen von Baltijsk, um am 26. April Gibraltar ostlaufend zu passieren. Gemäß ihrer AIS-Angaben wurde sie am 3. Mai in Tartus erwartet. Dies ist aus öffentlich zugänglichen Informationen zurzeit noch nicht bestätigt.

Erneut war auffällig, dass das Schiff in der Ostsee und darüber hinaus in Begleitung fuhr. Die Fregatte „Neustrashimiy“ eskortierte das Handelsschiff bis weit in die Biscaya.

Aus dem Skagerrak kommend hat die Einheit der Baltischen Flotte, die „Neustrashimiy“ am 2. Mai mit hoher Fahrtstufe in Richtung Baltiysk verlegt, um, wie wir heute wissen, den Tanker „Yaz“ am 5. Mai aus der Ostsee auslaufend begleiten zu können. (Foto: Michael Nitz, Naval Press Service.)

Am 23. April lief der russische Produktentanker „General Skobelev“ zusammen mit der Korvette der Buyan-M Klasse „Grad“ (Hullnummer 575) nordwärts durch den Großen Belt. Während die „Grad“ nach Erreichen des Skagerrak in die Ostsee zurücklief, setzte der Tanker seine Reise ins Mittelmeer fort. Im Schiffsmeldewesen ist als Ziel Sayid, Ägypten, mit einer vorgesehenen Ankunft am 13. Mai angegeben.

Am 5. Mai passierte der russische Produktentanker „Yaz“ nordgehend die Brücke über den Großen Belt. Sie verließ St. Petersburg am 27. April und wird, ausweislich des elektronischen Schiffsmeldewesens, am 26. Mai in Port Said, Ägypten, einlaufen. Sie verließ die Ostsee in Begleitung der Fregatte „Neustrashimiy“, die am 9.5. südwestlich von Doha nach wie vor den Tanker eskortierte.

In einer rückblickenden Betrachtung der Aktivitäten fällt auf, dass gerade die „Neustrashimiy“ bislang ungewohnt häufig im Konvoi-Schutz für russische Handelsschiffe während deren Transits in den dänischen Meerengen und der Ostsee eingesetzt wird. Der bislang in dieser Form nicht wahrgenommeme Objektschutz von russischen Handelsschiffen deutet auf ein erhöhtes Schutzbedürfnis dieser Einheiten hin. Zur Ladung lässt sich gerade aufgrund des ansonsten ungewöhnlichen Schutzes nur spekulieren. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass Waffen- und Elektroniksysteme oder Munition transportiert werden. Oder, im Falle der „Yaz“ und der „General Skobelev“ es sich um Transporte im Zusammenhang mit dem Handel von Embargo unterliegenden Ölprodukten handelt.

Es lässt sich nur spekulieren, ob ein neues Verhaltensmuster russischer Marineeinheiten vorliegt oder ob dahinter ein Ablenkungsmanöver als weiteres Element der hybriden Kriegführung Moskaus steckt.

„Sparta IV“ im Syrien-Express?

Bekannt ist, dass Waffentransporte zwischen Syrien und Libyen (und von hier weiter ins Innere Afrikas) nichts an ihrer Regelmäßigkeit eingebüßt haben. „Sparta IV“ ist ein für seine Waffen- und Munitionstransporte bekannter Klient und hat sich im sogenannten Syrischen Express zwischen Syrien und Russland einen Namen gemacht. Somit stellt sich die Frage, für welchen Bestimmungshafen seine Ladung vorgesehen ist. Immerhin hatte sie sich fast 20 Tage in Baltijsk aufgehalten. Nach Festmachen am 22.03.2024 am Containerterminal im Handelshafen von Baltiysk konnte sie wenige Tage später im Marinestützpunkt Baltiysk ausgemacht werden. Womit sich der Verdacht einer militärischen Zweckbestimmung ihrer Ladung aufdrängt.

Bundespolizei See-Einsatzschiff „Neustadt“ (Mitte) bei der Eskorte russischer Einheiten. Links im Bild die Korvette der Karakut-Klasse „Sovetsk“. Vorne rechts die Buyan-M-Klasse Korvette „Grad“. (Foto: Michael Nitz, Naval Press Service.)

„General Skobelev“

Noch pikanter ist der Fall der „General Skobelev“. Der 13.000 Tonnen verdrängende Produktentanker mit einer Länge von 150 Metern, einer Breite von 17 Metern und einem Tiefgang von 7 Metern, befindet sich im Besitz von Pal Shipping Trader Three Co Ltd (La Valletta, Malta), wird von Palmali Shipping (Sitz in Istanbul) betrieben und operiert unter der Flagge der Russischen Föderation. Sie ist registriert in Taganrog, Таганрог, Rostov. Das Schiff wurde 2008 von der Werft Krasnoye Sormovo, Nischni Nowgorod, Russische Föderation, mit der Baunummer 19619-09 gebaut und lief bis 2021 unter dem Namen „Agsu“. Eigentümer war die Pal Shipping Trader Three, Betreiber Palmali Shipping. 2021 wurde sie auf „General Skobelev“ umgetauft. Bis dahin war das Schiff wegen des Verdachts auf Verstöße gegen Umwelt- bzw. Sicherheitsbestimmungen mehrfach auffällig geworden. Im Januar 2018 wurde das Schiff 16 Tage im dänischen Kalundborg festgehalten.

Der Produktentanker „General Skobelev“ beobachtet beim Verlassen der Ostsee am 23. April. Deutlich erkennbar an seinen Tiefgangsmarken ist die volle Beladung. Foto: Michael Nitz, Naval Press Service.

Angehöriger der ‚dunklen Flotte‘?

Die Charakteristika der „General Skobelev“ lassen die Vermutung zu, dass das Schiff auch mit der sogenannten ‚dunklen Flotte‘ Russlands in Verbindung gebracht werden könnte. Damit sind Schiffe gemeint, die sich am illegalen Handel mit sanktionierter Fracht beteiligen, wie die Umgehung des Regimes der Ölpreisobergrenze. Infolge des G7-Beschlusses wurde der Handel von russischem Öl von den traditionellen Ölfirmen und Rohstoffhäusern zunehmend auf andere Handelsfirmen verlagert und auf eine sich allmählich vergrößernde ‚dunkle Flotte‘. Im Zuge der Sanktionen hat sich der Handel mit China, Indien und der Türkei ausgeweitet. Für Öl-Endprodukte wie Diesel erschlossen sich neue Abnehmer in Nord-, Westafrika, im Nahen Osten und auch Brasilien. Das Umladen auf andere Tanker ist eine gern geübte Praxis bei der Verschleierung der Herkunft.

Die Korvette der Buyan-M Klasse „Grad“ während ihrer Begelitung des im Hintergrund zu sehenden Produktentankers „General Skobelev“, 23. April 2024. (Foto: Michael Nitz, Naval Press Service.)

Ähnlich mag es um die „Yaz“ bestellt sein. Der 6.600 Tonnen verdrängende Produktentanker wird von Transpetrochart betrieben. Die in St. Petersburg ansässige Firma ist zugleich Eigentümer des Schiffes. Das Unternehmen befindet sich auf der Sanktionsliste des Office of Foreign Assets Control, der Kontrollbehörde des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten.

Letztendlich ist die „General Skobelev“ auch unter einem weiteren Blickwinkel zu würdigen. Denn bei tieferem Bohren in die in derartigen Zirkeln üblichen verwinkelten Eigentümerstrukturen offenbaren sich Verbindungen zur Familie des türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan. Womit sich ein weites Feld für Spekulationen eröffnet.

Eskortieren als neues Verhaltensmuster der russischen Marine

Unter derartigen Vorzeichen erklären sich die Begleitoperationen der russischen Marine für vorgeblich zivile Transporte und besonders für die Tanker. Zumal es am 2. März 2024 im Kattegat zu einem obskuren Zwischenfall eines Angehörigen der ‚dunklen Flotte‘ kam. Die Panama beflaggte „Andromeda Star“, unter Ballast auf dem Weg zu einem russischen Hafen, war in eine Kollision mit einem nicht näher bezeichneten Schiff verwickelt. Die frühere „Fulmar“ ist ein Rohöltanker von 250 Metern Länge bei einer Verdrängung von 115.605 Tonnen und lief am 2. Mai Mundra, Indien, an.

Hans Uwe Mergener und Michael Nitz