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Eine europäische Operation zum Schutz der internationalen Schifffahrt im Roten Meer und darüber hinaus zeichnet sich ab. Nach in Brüssel kursierenden Informationen soll bereits ein erster Entwurf eines Krisenmanagementkonzeptes in den Hauptstädten kursieren und am kommenden Dienstag, 16. Januar, im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (Botschafterebene) diskutiert werden. Die Idee schwelt länger. Der französische Staatschef Emmanuel Macron plädierte, französischen Presseberichten zufolge beim Verlassen des Europäischen Rates am 15. Dezember 2023 für ein koordiniertes europäisches Auftreten. Die französische Fregatte „Languedoc“ wurde im Roten Meer unter nationalem Kommando eingesetzt.

Das Konzept sieht eine eigenständige EU-Operation vor. Nachdem noch gegen Ende des vergangenen Jahres klar wurde, dass die EU-Operation Atalanta keine Grundlage sein konnte, scheint es auf die Ausweitung der anderen maritimen Mission der 27 Agénor hinauszulaufen, der militärischen Komponente der europäischen maritimen Überwachungsinitiative in der Straße von Hormus (EMASOH – European Maritime Awareness in the Strait of Hormuz). Die 2020 von Frankreich etablierte europäisch geführte maritime Überwachungs- und Sicherheitsmission in der Straße von Hormus zielt darauf ab, die Freiheit der Schifffahrt zu gewährleisten (ESuT berichtete), wobei der de-eskalierende Charakter von EMASOH ausdrücklich unterstrichen wird. Operationsgebiet von Agénor ist der Persische Golf und der Golf von Oman.

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Die Fregatte Schleswig-Holstein beim Eskort des Frachtschiffes Victoria vor der Küste Somalias (Foto: EUNAVFOR)

Sollten sich die Mitgliedsstaaten anschließen, käme es zu einer Ausweitung von Agénor auf den Golf von Aden und das Rote Meer. Nach Informationen des Brüsseler sicherheitspolitischen Blogs B2 werden im vorgelegten Entwurf zwei Linien verfolgt. Neben der Begleitung von Schiffen auf ihrem Weg durch das Rote Meer soll den teilnehmenden Einheiten auch die Möglichkeit zur Reaktion auf einen bewaffneten Angriff oder anderer Übergriffe auf Handelsschiffe eingeräumt sein. Sollte diese exekutive Linie in der jetzigen Abstimmung nicht durchsetzbar sein, sei, so B2, die Alternative, das in Agénor bisher praktizierte Regime zu übernehmen. Im Falle eines Zwischenfalls wechselt die betreffende Einheit von der Europaflagge zum nationalen Kommando. Anmerkung: die Anwendung von Gewalt, die über die Selbstverteidigung hinausgeht, bleibt im Einklang mit dem bestehenden Völkerrecht. Allerdings ist diese Lesart von Hauptstadt zu Hauptstadt unterschiedlich. Die Aufteilung in exekutive und nicht-exekutive Aufgaben findet sich auch bei anderen maritimen Missionen der EU.

Nach uns vorliegenden Information sind Führungs- und Koordinierungsfragen unter den noch nicht gelösten Knackpunkten. Die maritimen Missionen der EU werden zurzeit aus unterschiedlichen Standorten geführt: EU NAVFOR MED Irini aus Rom, EU NAVFOR Atalanta aus Rota, EMASOH Agénor aus Abu Dhabi. Darüber hinaus wird die Koordinierung mit der von den USA geführten Operation Prosperity Guardian Diskussionspunkt bleiben. Ebenso wie die Kosten der Operation, deren Finanzierung über die Europäische Friedensfazilität zu klären sein wird. Letztendlich wird noch über den Namen zu entscheiden sein.

Nach der Erörterung des Crisis Management Concept unter den Botschaftern am 16. Januar könnte eine formelle Zustimmung beim Treffen der Außenminister am 22. Januar erfolgen. Dies ist davon abhängig, wieweit die Hauptstädte ohne die technischen Details auskommen können. Nach B2 ist Ziel, Ende Januar oder Anfang Februar eine Entscheidung über die Mission herbeizuführen. Ein Operationsplan soll vor dem 20. Februar vorliegen, um die Operation gegen Ende des Monats lancieren zu können.

Maßgeblich für die bisherige Nichteinigung unter den 27 waren die unterschiedlichen Positionen zum israelischen Vorgehen in Gaza. Für Madrid ist aufgrund innenpolitischer Verquickungen eine direkte oder indirekte Beteiligung an einer von Washington initiierten Militäroperation nicht opportun. Sicherlich kommt auch in Betracht, dass Spanien die von ihnen zurzeit geführte Operation Atalanta nicht gefährdet sehen will.

Über eine deutsche Beteiligung zu spekulieren ist müßig. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, hatte laut augengeradeaus.net vor der Bundespressekonferenz am vergangenen Mittwoch noch einmal die deutsche Bereitschaft zu einem solchen Einsatz bekräftigt Die Fregatte „Hessen“ der Deutschen Marine, die für einen derartigen Einsatz erforderlichen Fähigkeiten und Bekämpfungsmöglichkeiten verfügt, lief am 22. Dezember 2023 in Wilhelmshaven ein. Sie ist bis zum 18. Januar 2024 das Führungsschiff der Standing NATO Maritime Group 1 (SNMG1), jetzt NATO Very High Readiness Joint Task Force (Maritime) – kurz VJTF(M).

Hans Uwe Mergener