Print Friendly, PDF & Email

Der Passierschein mit der Nummer 87/394996 ist ein Erinnerungsstück an Strausberg. Er enthält Name und Vorname, den Dienstgrad „OSL“ und die Dienststelle „BRD“. Der rote Eindruck über der Dienststellenbezeichnung ist nach dreißig Jahren verblichen. Dieses Stück Papier berechtigte mich zum Betreten des „Objektes“. Das war am 2. Oktober, 15.30 Uhr. Weiter ist zu lesen: Wünscht aufzusuchen „VStB“, mit dieser Abkürzung war die Verbindungsgruppe des Verteidigungsministeriums aus Bonn gemeint. Sie hatte unter Führung von Brigadegeneral Ekkehard Richter ab 20. August 1990 ihre Arbeit im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung aufgenommen.

Unvorbereitet und ahnungslos

An diesem 2. Oktober, es war ein Dienstag, dem Tag vor der Wiedervereinigung, war ich sehr früh in Köln losgefahren, um zu der kleinen Pressezelle des Bundeswehrkommandos Ost (BwKdo Ost) zu stoßen. Es war ein eigenartiges Gefühl, als ich die Zonengrenze bei Helmstedt überquerte. Die Autobahn und die Landstraße nach Strausberg rüttelten mich gehörig durch. 1953 aus Leipzig geflüchtet, war ich wieder auf dem Staatsgebiet der DDR.
Ein Heeres- und ein Luftwaffenkamerad, mit dem ich die Journalistenschule in München besucht hatte, waren schon vor mir eingetroffen. Nach und nach kamen die anderen Kameraden der Pressezelle. Dem „Großen Hallo“ folgte eine Ernüchterung über die ersten Eindrücke, die jeder von seiner Fahrt nach Strausberg erzählte. Auch die Gründe, warum man sich freiwillig für die Aufgabe „Pressearbeit“ gemeldet hatte, waren unterschiedlich. Für mich war es die Nähe zu meinem Geburtsort Frankfurt/Oder, den ich mir bald ansehen wollte.
Gegen Abend war unsere „Zelle“ vollzählig und die erste Dienstbesprechung fand statt.
Einen Tag zuvor, am 1. Oktober, hatte durch den Führungsstab der Streitkräfte auf der Hardthöhe eine Einweisung für das kommandierte Personal stattgefunden. Da aber auch die Planer sich auf völlig unbekanntem Terrain bewegten, wurde der Konjunktiv häufig gebraucht.

Jubel vor dem Reichstagsgebäude

Das Abendessen musste man kaufen. Es gab scheibenweise Brot, Wurst, Käse und Butter. Der Kassenbon weist dafür 1,85 Mark aus. Danach bezogen wir Zimmer im Wohnheim des Ministeriums für Nationale Verteidigung. Anschließend fuhr die „ganze Corona“ mit der S-Bahn nach Berlin. Wir wollten uns die Feier zur Wiedervereinigung vor dem Reichstag nicht entgehen lassen. Wie es in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober dort zuging, wird immer wieder erzählt, im Fernsehen gezeigt oder ist in Filmen zu sehen. Ich war dabei und einfach überwältigt.

Print Friendly, PDF & Email