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Rheinmetall leistete von Anfang an entscheidende Beiträge für die überlegene Feuerkraft des Leopard 2. Seit über 40 Jahren liefert das Düsseldorfer Technologieunternehmen als Unterauftragnehmer hierfür erforderliche Schlüsselkomponenten. 

Leopard 2 im scharfen Schuss (Foto: Rheinmetall)

Hierzu gehören unter anderem die Feuerleitanlagen und Teile der Sensorik sowie die 120mm-Glattrohrtechnologie.

Feuerleitung: Schneller schießen und besser treffen

Der Leopard 2 verfügte als erster Kampfpanzer der dritten Generation serienmäßig über eine Feuerleitanlage mit primär stabilisierten Sichtlinien und nachgeführter Waffenanlage. Die ausgewogene Systemauslegung, schnelle Regelungstechnik, Zuverlässigkeit, kombiniert mit sehr leistungsfähigen Optiken erhöhten den Kampfwert des Leopard 2 entscheidend.

Die Firma Krupp Atlas Elektronik – heute mit den Teilen Leopard 2-Feuerleitung der Rheinmetall Electronics in Bremen zugehörig – hatte eine hohe Fertigungstiefe für militärische Elektronik. Sie war damals bereits beim Rüstungsprojekt „Kampfpanzer 70“ mit an Bord. In Prototypen des Programms wurden bereits Geräte für die elektronische Betriebsüberwachung und Selbsttests eingebracht. Krupp Atlas Elektronik war seinerzeit auch maßgeblich an der Entwicklung, Serienreifmachung und Fertigung der Feuerleitanlage des Leopard 2 beteiligt, wobei das Unternehmen zahlreiche Unterauftragnehmer einband.

Seit Baubeginn des Leopard 2 sind das Grundprinzip der Feuerleitanlage, sowie einzelne Komponenten unverändert in Produktion. Gleichwohl gab es signifikante Verbesserungen. So wurden die Reichweite erhöht, die ballistische Rechnung und die Präzision verbessert. sowie neue Funktionen und Eigenschaften implementiert. Erwähnenswerte Innovationen gab es bei den optischen Komponenten und der Regelungstechnik. Wegen Obsoleszenz mussten regelmäßig Baugruppen ersetzt werden. Ebenso mussten spätere Fertigungslose neue Kundenforderungen erfüllen. Es gibt bis heute Neuproduktionen mit zahlreichen Detailänderungen.

EMES-15 und PERI-R17 (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

Gleich geblieben ist das Grundprinzip: Kommandant und Richtschütze können über das Hauptzielfernrohr EMES-15 bzw. das Rundumblickfernrohr PERI-R17 unabhängig voneinander das Gefechtsfeld beobachten. Diese „Hunter-Killer-Fähigkeit“ erleichtert die Zielaufklärung und senkt die Zielbekämpfungszeit erheblich. Die Ermittlung der Entfernung zum Ziel erfolgt präzise, schnell und zuverlässig mittels Laser. Der Feuerleitrechner berechnet unter Berücksichtigung weiterer Parameter – Temperatur, Luftdruck, eigene Geschwindigkeit etc. – den Haltepunkt und gibt dann die errechnete Schussposition der Bordkanone an die Richtantriebe (Höhe und Seite). Richtschütze und Kommandant können – sogar während sich der eigene Panzer bewegt – mit ihrem Visier-Strichbild immer auf dem Ziel bleiben, die Korrektur von Aufsatz und Höhe übernimmt die Technik. In Kombination mit der Rheinmetall Glattrohrkanone und der präzisen Munition kann die Besatzung somit selbst aus der Bewegung statische und bewegliche Ziele mit einer hohen Erstschusstrefferwahrscheinlichkeit bekämpfen.

120mm-Glattrohrtechnologie: Standard in der westlichen Welt

Rheinmetalls 120-mm-Glattrohrtechnologie umfasst die Rh120-Kanonen und die zugehörige Munitionsfamilie. Die ab Mitte der 1960er Jahre entwickelte Technologie befindet sich seit 1980 bei vielen Nationen im Einsatz. Neben dem Leopard 2 nutzt auch der US-Kampfpanzer M1 Abrams die 120mm-Glattrohrtechnologie. Dieser nutzt eine von Rheinmetall lizenzierte und als M256 bezeichnete „amerikanisierte“ L44. Von dem Abrams sind heute weltweit mehr als 7.000 Exemplare in Nutzung. Mit der Integration des 120 mm-Kalibers in den USA wurde  Rheinmetalls Glattrohrkanone de facto zum Standard für Kampfpanzer in der NATO bzw. in der westlichen Hemisphäre. Die 120mm-Glattrohrtechnologie wurde für zahlreiche weitere Länder – neben den USA noch Japan, Schweiz, Italien und Spanien – lizenziert. Doch auch weitere Gefechtsfahrzeuge und Kampfpanzer wie z. B. der italienische Centauro II, der französische Leclerc und der israelische Merkava (der über eine Ableitung der M256 verfügt) verschießen mit den einschlägigen 120-mm- NATO-Standardisierungsabkommen (z. B. STANAG 4385) konforme Munition.

Als Original Equipment Manufacturer (OEM) übernimmt Rheinmetall den gesamten Lebenszyklus des 120mm- Waffen- und Munitionssystems von der Entwicklung und Qualifizierung über die Produktion bis hin zu Nachrüstprogrammen und Recycling. Aufgrund ihrer überlegenen Leistungsfähigkeit und der noch verfügbaren Leistungsreserven kann Rheinmetall auch mittelfristig innovative und bedrohungsgerechte technische Lösungen im Kaliber 120 mm anbieten.

Rohrfertigung (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

Waffenanlagen

Alle heute verfügbaren Rheinmetall-Waffenanlagen L44, L55 und L55A1 folgen grundsätzlich dem gleichen Aufbau. Das Rohr mit Rohrschutzhülle und Rauchabsauger, die Waffenwiege, das Bodenstück mit Verschlusskeil, der Hülsenkasten, die Rücklaufeinrichtung mit zwei Rohrbremsen und der Rohrvorholer bilden die Baugruppen. Die Kanone ist auf Schildzapfen in der Waffenwiege gelagert. Sie lässt sich in der Höhe in einem Bereich von minus 9 Grad bis plus 20 Grad richten. Das über ein Bajonettgewinde mit dem Rohr verschraubte Bodenstück ist fest mit der Rücklaufeinrichtung verbunden. Diese Konstruktion ermöglicht ein schnelles Wechseln des Rohres in etwa einer halben Stunde.

Penetratoren im Laufe der Zeit (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

Das kaltgereckte Vollrohr besteht aus einem hochfesten, vakuum-umgeschmolzenen Stahl und ist innen hartverchromt. Je nach Kaliberlänge misst es 5300 oder 6600 Millimeter Länge und wiegt zwischen 1190 Kilo und 1350 Kilo. Das Autofrettage (Kaltreckung)-Verfahren sorgt dafür, dass ein sehr hoher Konstruktionsgasdruck erreicht wird. Bei allen Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die heutigen Waffenanlagen nach Kaliberlänge, Druckstabilität und der Fähigkeit, programmierbare Munition zu verschießen. Alle in Nutzung befindlichen Waffenanlagen lassen sich auch nachträglich mit der Programmierschnittstelle für die Mehrzweckmunition DM11 ausstatten.

L44

Die 120-mm-Kanone L44 ist nach wie vor die am meiste verbreitete Hauptbewaffnung auf den Kampfpanzerplattformen Leopard 2 und M1A1/A2 Abrams – bei letzterem wie erwähnt als Lizenzversion M256. Beim Leopard 2 ist sie bis einschließlich des Konstruktionsstandes A5 integriert. Eine Hochdruckversion L44A1, einschließlich des Programmierkits ist in Vorbereitung. Die kürzere Kanone entspricht dem Bedürfnis nach höherer Manövrierfähigkeit für den Kampf im urbanen Raum.

L55

 Die 120-mm-Kanone L55 kam mit der Kampfwertsteigerung des Leopard 2 zur Version A6 in die Bundeswehr. Sie befindet sich unterdessen bei mehreren Nationen im Einsatz. Sie erreicht im Vergleich zur L44-Kanone eine höhere Mündungsgeschwindigkeit. Damit erreicht sie eine höhere effektive Kampfentfernung bei gleicher Wirkung – oder umgekehrt eine höhere Wirkung bei gleicher Entfernung zum Ziel.

L55A1 (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

L55A1

Die 120-mm-Hochdruckkanone L55A1 ist die derzeit modernste Glattrohrkanone der Welt. Sie basiert auf der L55 und ist auf höhere Gasdrücke für die leistungsgesteigerte 120mm- Wuchtmunition DM73 ausgelegt. Damit lässt sich die Wirkung nochmals signifikant steigern. Die L55A1 ist derzeit die Standard-Hauptbewaffung der Kampfpanzer Leopard 2 A7V und Leopard 2A8. Der britische Kampfpanzer Challenger 3 wird im Zuge des derzeit laufenden Kampfwertsteigerungsvorhabens Challenger 2 Life Extension Programme (CR2 LEP) ebenfalls die L55A1 nutzen.

Die Rheinmetall-Munitionsfamilie 120mm x 570

In den letzten Jahrzehnten haben sich sowohl die Panzerungen und Schutztechnologien, als auch die Einsatzkonzeptionen von Kampfpanzern verändert. So müssen Kampfpanzer sowohl gegnerische Pendants und Gefechtsfahrzeuge bekämpfen als auch in urbanen Einsatzräumen wirken oder Infanterie unterstützen können. Rheinmetall hat daher nicht nur seine Waffenanlagen, sondern auch sein Munitionsportfolio stetig weiterentwickelt. Rheinmetalls Munitionsportfolio im Kaliber 120mm x 570 umfasst sowohl Gefechts- als auch Übungsmunition.

Die Gefechtsmunition unterteilt sich in zwei Sorten: KE und MZ. KE („Kinetische Energie“) ist für Duellsituationen, also den Kampf gegen gegnerische Kampfpanzer, vorgesehen. Gegen leichter gepanzerte, infanteristische oder Strukturziele, wie Stellungen, finden vollkalibrige Mehrzweckpatronen (MZ) Verwendung. Für beide Munitionsarten stehen Übungspatronen zur Verfügung. ie Rheinmetall KE-Patronen verwenden einen hochfesten Wolframpenetrator und bieten eine überlegene Leistung gegen moderne Kampfpanzer mit reaktiver Panzerung sowie gegen Mehrschicht- und Verbundpanzerungen.

Wirkung der DM11 auf Mauerwerk (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

Die heutigen Penetratoren sind in der Lage, extreme Schnitt- und Biegekräfte zu überwinden, wie sie bei doppelt reaktiven Panzerungen vorkommen. Die heute als Zweitmunition mitgeführte „MZ“-Munition 120mm x 570 DM11 HE-FRAG-T (High Explosive Fragmentation Tracer) entstand als Entwicklungsauftrag für die Bundeswehr. Die DM11 dient der Bekämpfung ungepanzerter oder leicht gepanzerter Ziele und kann Breschen und Durchgänge in Infrastruktur schlagen oder Ziele hinter Deckungen bekämpfen. Die Sprengpatrone zeichnet sich durch einen programmierbaren Zünder aus. Dieser bietet drei Funktionsmodi, aus denen die Panzerbesatzung im geladenen Zustand der Patrone auswählen kann. Im Grundzustand detoniert der Gefechtskopf im klassischen Aufschlagmodus (PD = Point Detonation). Geht es darum, Ziele hinter Deckungen zu bekämpfen, kann alternativ ein Verzögerungsmodus (Point Detonation with Delay, PDD) ausgewählt werden. Um die Flächenwirkung zu optimieren dient als dritter Funktionsmodus der Luftsprengpunkt (Air Burst/AB Mode). In Kombination mit der hohen und zielgerichteten Splitterleistung des Gefechtskopfs ergibt sich auch auf hohe Entfernungen von bis zu fünf Kilometern eine beeindruckende Leistung im Zielgebiet. Das Feuerleitsystem verfügt über eine tief implementierte Zeitzünderberechnung und ermöglicht eine hochpräzise Luftdetonation. Die Besatzung kann die jeweiligen Zündermodi einfach aktualisieren, während das Geschoss feuerbereit geladen ist. So wird maximale Flexibilität bei der Bekämpfung unterschiedlicher Ziele auch während der Fahrt erreicht. Als kosteneffiziente Variante zur DM11 hat Rheinmetall die Patrone Rh31, auch als HE SQ (High Explosive Super Quick) bezeichnet, im Angebot. Die Rh31 verwendet den DM11-Gefechtskopf und zeigt die gleiche Wirkung auf das Ziel, wie die DM11 im Modus Aufschlag ohne Verzögerung. Für den Verschuss ist keine Programmierschnittstelle erforderlich. Daher lässt sich die Rh31 mit allen in Nutzung befindlichen 120mm-Rheinmetall-Kanonen verwenden.

Die Übungspatronen kommen der Gefechtsmunition hinsichtlich äußerer Form, Handhabung und Flugverhalten sehr nahe und bieten so dem Nutzer eine realistische Trainingserfahrung. Jedoch zeichnet sich die Übungsmunition im Vergleich zur Gefechtsmunition durch einen deutlich reduzierten Sicherheitsbereich aus, sodass sie sich auf Übungsplätzen größtenteils ohne Beschränkungen einsetzen lässt. Zusätzlich ist ihr Druckniveau reduziert, um so die Rohrlebensdauer zu erhöhen und Lebenszykluskosten zu verringern.

Die gesamte Rheinmetall-120mm- Munitionsfamilie nutzt nicht die von anderen Kalibern bekannten Messinghülsen, sondern die Innovation der verbrennbaren Hülsen-Technologie, auch als Combustible Cartidge Case/CCC bekannt: Die Hülse verbrennt beim Abschussvorgang mit, lediglich der Hülsenboden wird nach dem Schuss ausgeworfen. Dies sorgt für eine optimale Ausnutzung des Ladungsraums und spart Platz im Kampfraum.

Weltpremiere der 130mm L51 auf der Eurosatory 2016 (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

Zukünftige Feuerkraft

Der ewige Wettstreit zwischen Feuerkraft und Schutztechnologien wird weitere Entwicklungen der Waffenanlagen hervorbringen. In Deutschland gab es bereits in den 1980er Jahren Versuche mit 140mm-Bordkanonen. Aufgrund der dort gesammelten Erfahrungen entschloss sich Rheinmetall, eine neue Kampfpanzerhauptbewaffnung im Kaliber 130mm zu entwickeln. Bereits 2015 hatte die Rheinmetall Waffe Munition GmbH mit einem eigenfinanzierten Demonstrator-Programm im Kaliber 130mm begonnen. Dieser wurde auf der Eurosatory 2016 erstmals öffentlich vorgestellt.

Durch das größere Kaliber soll eine Leistungssteigerung von rund 50 Prozent erreicht werden. Die auf der Eurosatory 2016 präsentierte 130mm- Waffenanlage L/51 wiegt ohne Anbauteile rund 3.000 kg und hat eine Rohrlänge von 6630 mm. Die L/51 durchlief inzwischen zahlreiche Erprobungen und Weiterentwicklungen. Auf der Eurosatory 2022 zeigte Rheinmetall als nächsten Schritt die 130mm-Waffenanlage mit einem zugehörigen Autolader in dem Kampfpanzer- Demonstrator KF51 Panther. Mit der neuen Waffengeneration 130mm wird auch eine Aktualisierung der Feuerleitlösung erfolgen.

KF51 Panther (Fotos/Grafiken: Rheinmetall)

Völlig unabhängig von den jeweiligen Kampfpanzer-Plattformen lassen sich im Hinblick auf die künftige Feuerkraft drei große Weiterentwicklungslinien feststellen: Es steht erstens die Steigerung der Präzision im Fokus, um Ziele auf immer größere Entfernungen wirkungsvoll treffen zu können. Damit hängt zweitens eine Steigerung der Leistung zusammen, um bestmögliche Durchschlagskraft und Wirkung gegen immer besser geschützte Ziele erreichen zu können. Drittens wird ein höherer Grad der Automatisierung weiter zur Entlastung der Besatzung beitragen. Das geschieht in den Bereichen Sensorik, Feuerleitung und Vernetzung, um beispielsweise Ziele schneller entdecken, erkennen und identifizieren zu können oder um ein umfassendes und stets aktuelles Lagebild bereitstellen zu können. Das geschieht aber auch im Bereich der Waffenanlagen, um die Munition schneller laden und die Feuergeschwindigkeit erhöhen zu können. Doch welche weiteren Entwicklungen der Wettstreit zwischen Feuerkraft und Panzerung auch immer zeitigt, eine Konstante bleibt bestehen: „Wer schneller schießt und besser trifft, gewinnt den Feuerkampf.“

Autorenteam Rheinmetall