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Im Interview mit ES&T spricht der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages und amtierender Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Hans-Peter Bartels, über den designierten Verteidigungsminister Boris Pistorius und worauf dieser von Anfang an seinen Fokus legen sollte.

ES&T: Wie schätzen Sie die Nominierung von Boris Pistorius als neuen Verteidigungsminister ein?

Bartels: Das ist ein erfahrener und erprobter Landesminister, der mit großen Apparaten umgehen kann. Er kennt und mag die Bundeswehr. Und er genießt offensichtlich das Vertrauen von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Insofern hat er jede Chance, einen guten Job zu machen und das verlorene erste Jahr beim politischen Management der Zeitenwende im Verteidigungsministerium aufzuholen.

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Dr. Hans-Peter Bartels, ehemaliger Wehrbeauftragter des deutschen Bundestages und amtierender Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (Foto: Bundeswehr)

ES&T:  Waren Sie von seiner Nominierung überrascht?

Bartels:  Ja. Wer hatte mit dieser Personalie gerechnet? Es kursierten viele Namen, seiner aber erst ganz zum Schluss. Vielleicht hätte man darauf kommen können. Er war im Schattenkabinett von Martin Schulz schon mal vorgesehen als Bundesminister.

Boris Pistorius hat sich darüber hinaus aber auch immer wieder zu Themen der Verteidigung geäußert. Wir hatten ihn zum Beispiel letztes Jahr auf einer Veranstaltung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik in Hannover.

 

ES&T: Denken Sie, er bringt das nötige politische Gewicht mit nach Berlin, um sich dort durchzusetzen?

Bartels: Schon das Vertrauen des Bundeskanzlers verschafft Gewicht. Langjährige politische Erfahrung auch.

 

ES&T: Können Sie einschätzen, wie sein Stand in der Partei ist?

Bartels: Gut. Er ist kein Ideologe, sondern Pragmatiker. Wichtig wird für ihn auch die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion sein.

 

ES&T: Wie schätzen Sie die Fähigkeit von Herrn Pistorius ein, die Verbindung zu den internationalen Partnern wieder zu stärken?

Bartels: Es wird ihm klar sein, dass Sicherheitspolitik auch Außenpolitik ist. Es geht diese Woche gleich los mit dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein und vorher schon mit dem amerikanischen Verteidigungsminister. Bei seiner Vorgängerin war das Internationale ja eher eine ungeliebte und gern gemiedene Pflicht.

 

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ES&T:  Sie haben im Interview mit dem Fernsehsender Phönix gesagt, dass Frau Lambrecht es verpasst hat, wichtige Dinge anzuschieben. Was sind das für Dinge, die aus Ihrer Sicht jetzt priorisiert werden müssen?

Bartels:  Erstens die Strukturreform der Streitkräfte. Das heißt, umsteuern von der Afghanistan-Struktur hin zu einer Gliederung für die kollektive Verteidigung in Europa. Es müssen künftig nicht mehr nur kleine Kontingente für Kriseneinsätze irgendwo auf der Welt zusammengestellt werden, sondern die ganze Bundeswehr muss einsatzfähig werden – zur Abschreckung vor einer möglichen Bedrohung durch einen symmetrischen Gegner: Russland.

Zweitens die Beschaffungsreform. Das Beschaffungswesen ist immer noch zu schwerfällig und zu langsam.

Drittens wird Herr Pistorius sich darum kümmern müssen, dass die 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die der Kanzler versprochen hat, ab dem nächsten Haushalt auch wirklich für die Bundeswehr zur Verfügung stehen.

 

ES&T: Bezogen auf die Strukturreform, halten Sie es für sinnvoll, die Streitkräftebasis und den Sanitätsdienst als Organisationsbereiche beizubehalten, so wie es die neue „kritische Bestandsaufnahme“ vorsieht?

Bartels:  Ich unterstütze die ursprünglichen Pläne des Generalinspekteurs Eberhard Zorn, der vorgesehen hat, die Zahl der Organisationsbereiche von sechs auf vier zu reduzieren, um Schnittstellen zu verringern und um Kommandobehörden auflösen zu können. Nach dem Motto: weniger Stäbe, mehr Truppe.

 

ES&T: Glauben Sie, dass es bei den Ergebnissen der kritischen Bestandsaufnahme unter einem neuen Minister Veränderungen geben wird oder sollte jetzt die Umsetzung dessen erfolgen, was unter Christine Lambrecht begonnen wurde?

Bartels: Ich glaube, es wird Veränderungen geben.

 

ES&T: Herr Pistorius hat bereits angekündigt, einige Leute aus seinem Umfeld aus dem Innenministerium mit nach Berlin nehmen zu wollen. Halten Sie das für sinnvoll?

Bartels: Klar, jeder neue Minister bringt ein paar eigene Leute mit. Aber natürlich muss er sich auch Vertraute im Ministerium selbst und in der Bundeswehr suchen, Führungspersonal, das in seinem Sinne eigenständig handeln kann.

 

Ole Henckel