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Seit der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung der NATO nach der russischen Besetzung der Krim nimmt die Bundeswehr Schritt für Schritt auch alte Lagerstätten und Depots wieder in Betrieb. Eine der größeren Lagereinrichtungen der Bundeswehr, das Materiallager in Königswinter-Eulenbach bei Bonn ist in dieser Woche durch den Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, als erste von acht Lagereinrichtungen mit einer Eröffnungsfeier offiziell wieder aktiviert worden.

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Eröffnung des Lagers Königswinter_durch den Insp SKB, Foto: Wolfgang Gelpke

Im Zuge der sog. Friedensdividende wurde die Lagerung von Material und Munition in der Bundeswehr nach dem Ende der Blockkonfrontation bis 2017 erheblich reduziert. Der Verzicht auf eine Vorratshaltung und der Verlass auf die kommerzielle Just-in-time-Logistik sollten die Versorgung der Streitkräfte, die sich vorwiegend auf Stabilisierungseinsätze ausrichtete, sicherstellen.

Als sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen veränderten und die Bundeswehr sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung refokussierte, wurden bereits 2018 Überlegungen zur Stärkung des logistischen Systems und zur Erhöhung der Resilienz angestellt. Im Januar 2019 wurde dann die Entscheidung gefällt, acht Lagereinrichtungen, davon fünf Materiallager und drei Munitionslager, die geschlossen wurden, wieder in Betrieb zu nehmen. Dies soll von 2021 bis 2029 geschehen.

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Der Lagerbereich, Foto: Bundeswehr

Die Streitkräftebasis unterhält dann 36 ortsfeste Lagereinrichtungen in ganz Deutschland, die sicherstellen, dass Ersatzteile und Versorgungsgüter für die Einheiten der Bundeswehr in 24 bis 48 Stunden bereitgestellt werden. Mit Königswinter als erstem wiedereröffneten Materiallager am 12. Juli und mit der Wiedereröffnung des ersten Munitionslagers in Lorup in Niedersachsen am 13. Juli ist ein erster großer, auch nach außen sichtbarer Schritt erfolgt. Die Bundeswehr investiert in dieses Projekt insgesamt mehr als 200 Millionen Euro in die Renovierung und Modernisierung der Infrastruktur. 600 neue Dienstposten wurden geschaffen.

In Königswinter sind 17 Millionen Euro eingeplant, um die Infrastruktur anzupassen, die Lösch- und Trinkwasserversorgung zu renovieren und sicherzustellen sowie die Vorgaben zum Brand- und Umweltschutz einzuhalten. Auch die Arbeitssicherheit soll verbessert werden. Diese Arbeiten werden noch bis 2025 andauern, die Aufnahme des Betriebes des Materiallagers ist jedoch sichergestellt. Die Region profitiert auch hiervon, da regionale Handwerksbetriebe in diese Arbeiten mit involviert sind. Hier wurden mehr als 80 neue Dienstposten geschaffen, die zu 95 % mit zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt werden sollen. 32 Mitarbeiter/-innen stellen seit dem 1. April 2021 die Vorbereitungen für die Aufnahme- und Arbeitsbereitschaft, die vollständig bis zum 1. April 2023 erreicht werden soll, sicher. Bereits 41 Stellen sind bis jetzt vor allem mit Menschen aus der Region besetzt. Das weitere Bewerberaufkommen ist mit bis zu 70 Bewerbern auf eine ausgeschriebene Stelle hoch. Die Wiederinbetriebnahme des Materiallagers in Königswinter, in dieser vergleichsweise strukturschwachen Region, bietet somit auch Chancen für Bewerber aus dem regionalen Umfeld.

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Ein Seitenstapler im Lager, Foto: PIZ SKB Alpers

Auf dem 32 ha großen Gelände werden zukünftig in 16 Lagerhallen mit einer Gesamtkapazität von mehr als 36.000 m² im Schwerpunkt querschnittliche und flugzeugspezifische Ersatzteile sowie Baugruppen gelagert werden. Technisch unterstützt wird der Auftrag durch entsprechende geeignete Lagerhilfsmittel und Flurförderzeuge wie dem 3-Seitenstapler, die durch die Bw-Fuhrparkservice GmbH bereitgestellt werden. Zudem wird mit der Inbetriebnahme die Einführung eines neuen Lagerverwaltungssystems, das Extended Warehouse Management – EWM, im SAP System der Bundeswehr erfolgen. Dieses moderne, auch in großen zivilen Unternehmen eingesetzte und auf die Belange der Bundeswehr angepasste, System wird zukünftig in allen ortsfesten logistischen Einrichtungen eingesetzt werden. In allen Lagerbereichen kann die Erfassung und Zuordnung des eingelagerten Materials zu den Lieferaufträgen mittels Barcodelesegerät (Handscanner) und drahtloser WLAN-Übertragung in das EWM erfolgen. Ergänzt werden die Fähigkeiten des Materiallagers durch Werkstätten für Tischler-, Schlosser- und Maler- und Lackierarbeiten zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der eingelagerten Versorgungsgüter.

Wie Generalleutnant Schelleis in seiner Eröffnungsrede aufzeigte, wird die bereits 2019 getroffene Entscheidung zur Stärkung der Logistik der Bundeswehr auch von grundsätzlichen Erkenntnissen aus der Pandemie bestätigt. In den Zeiten der Krise ist Vorratshaltung essentiell. Beispiele wie Beatmungsgeräte und Schutzausstattungen oder Feldbetten für die Bekämpfung der Pandemie und der heutige Mangel an Holz als Baustoff zeigt dies sehr deutlich.

Diese Stärkung der Logistik und der Beitrag zur Sicherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit war die richtige Entscheidung im Projekt oLE 2019+ (ortsfeste Logistische Einrichtungen). Der Aufbau einer Vorratshaltung von Munition und Ersatzteilen für mindestens 30 Tage, wie von der NATO gefordert, wird durch diese Maßnahmen begleitend gefördert. Königswinter ist ein Sinnbild in zweifacher Hinsicht: für die Friedensdividende mit der seinerzeit 2011 beschlossenen und 2017 erfolgten Auflösung und die Refokussierung mit den Trendwenden und der Entscheidung 2019 für die Wiederaufnahme des Betriebs am Standort in Eulenbach.

An der Feier am 12. Juli 2021 nahmen neben dem Inspekteur der Streitkräftebasis auch der Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr in Erfurt, Generalmajor Funke, der Kommandeur des Logistikzentrums der Bundeswehr in Wilhelmshaven, Brigadegeneral Frauenhoff, die FDP-Bundestagesabgeordneten Nicole Westig, der Bürgermeister der Stadt Königswinter, Lutz Wagner, sowie der Standortältesten Siegburg-Sank Augustin, Oberst Wilhelm Neißendörfer teil. Die Liegenschaft wurde an den neuen Nutzer, das Bundeswehrdepot West mit Sitz in Mechernich in der Eifel, und Hauptmann Mark Vehoff als neuen Leiter Betriebsführung und Kasernenkommandanten übergeben.

Wolfgang Gelpke