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Im Schutzsystem des Kampfpanzers Leopard 2 wird eine Lücke geschlossen. Für ein Kompanieäquivalent an Kampfpanzern wird mit dem aktiven Schutzsystem Trophy die Bedrohung durch Panzerabwehrlenkflugkörper und -handwaffen reduziert.

Mit umfangreichen Versuchen zur Wirksamkeit und Systemverträglichkeit des Trophy-Systems war zunächst geplant gewesen, 2019 mit der Trophy-Integration zu beginnen, damit die dann besonders geschützten Panzer bei der NATO-Speerspitze VJTF 2023 eingesetzt werden könnten. Das hätte bedeutet, dass die umgerüsteten Kampfpanzer spätestens Anfang 2022 hätten zulaufen müssen, um genügend Zeit für die Ausbildung der Panzerbesatzungen zu haben. Erst im Januar 2021 waren Versuche und Vertragsverhandlungen so weit vorangekommen, dass sich die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages für Verteidigung und Haushalt mit der entsprechenden 25-Mio-Euro-Vorlage befassen konnten.

Damit wurden die Haushaltsmittel frei und das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) schloss am 22. Februar 2021 mit dem Staat Israel und dem Unterauftragnehmer Rafael (für die Lieferung der Schutzsysteme) sowie mit Krauss-Maffei Wegmann (für den Neubau von Wannen und die Integration der Systeme in die Kampfpanzer) Verträge für die Beschaffung und Integration der Schutzsysteme Trophy ab.

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In der Ansicht von vorn sind die AESA-Radar-Antennen an der Turmfront und Wirkmittelwerfer auf dem Turmdach zu erkennen (Foto: KMW)

„Neben der eigenen Feuerkraft und Mobilität ist auch der Schutz bestimmend für die Durchsetzungsfähigkeit der Panzertruppen im Gefecht. Das gewählte System kann die Bedrohung durch Panzerabwehrlenkflugkörper und -handwaffen erheblich reduzieren,“ stellte dazu die Bundeswehr fest.

Beschaffungsumfang

Die Bundeswehr will 17 Kampfpanzer Leopard 2 mit Trophy ausstatten – das ist die Ausstattung für eine Panzerkompanie – und zusätzlich einen Versuchsträger.

Dazu soll Rafael, der Hersteller des Trophy-Systems, für rund 40 Millionen Euro 187 abstandsaktive Schutzsysteme in 23 Gerätesätzen, 568 Gegenmaßnahmen (Munition) sowie Mess- und Prüfmittel und Sonderwerksätze liefern. Schwerpunkt der Lieferungen ist 2023. Darüber hinaus gehört die Ausbildung von Kaderpersonal (Bedienungs- und Instandsetzungspersonal) zum Vertragsumfang.

Mit der Integration der Schutzsysteme in die Kampfpanzer und Auslieferung der ausgestatteten Kampfpanzer wird Krauss-Maffei Wegmann (KMW) beauftragt. Der Vertrag ist mit rund 80 Millionen Euro dotiert, etwa zwei Drittel des Volumens für das gesamte Projekt. Der Bund stellt 17 Türme Leopard 2 A6 A3 und für den Versuchsträger einen Turm (Leopard 2 VT-ETB) bei, in die von KMW die Schutzsysteme integriert werden. Die Türme mit eingebauten Trophy-Systemen werden mit 18 neugebauten Fahrgestellen Leopard 2 A7 „verheiratet“, die KMW eigens für dieses Projekt herstellt. Neue Fahrgestelle sind u. a. erforderlich, um die zusätzlich notwendige Stromversorgung unterbringen zu können.

Außerdem liefert KMW einen Beschussversuchsträger und Spezialcontainer für Transport und Aufbewahrung von Komponenten, Sonderwerkzeugen und Zubehör des Schutzsystems. Dazu gehören Trophy-Attrappen, die genutzt werden, wenn die scharfen Systeme nicht aufgebaut werden können oder sollen.

Der Blick von oben zeigt die Verteilung der Aggregate auf dem Turm (Foto: KMW)

Der Zeitplan sieht den unmittelbaren Beginn der Arbeiten vor. Nach dem Schwerpunkt der Arbeiten 2023 sollen die Kampfpanzer mit Schutzsystemen im Zeitraum 2024 bis 2025 ausgeliefert werden.

Die Kampfpanzer mit Trophy sollen die Bezeichnung Leopard 2 A7A1 erhalten, wie aus einer Pressemitteilung von KMW hervorgeht. Das lässt darauf schließen, dass im Rahmen der Arbeiten der Turm A7-Komponenten erhält. Dazu gehören u. a. Kampfraumkühlanlage und Erweiterung der Feuerleitanlage für programmierbare Munition. Der Versuchsträger heißt Leopard 2 VT-EBT II.

Technik

Trophy besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten. Erstens: Flache AESA-Radarsensoren erfassen das Gefechtsfeld rund um den Panzer und erkennen anfliegende Objekte. Als Nächstes klassifiziert die Auswerte- und Feuerleitelektronik die Objekte und bewertet, ob diese z. B. aufgrund ihrer Flugbahn eine Bedrohung für den Panzer sind. Falls ja, werden die Wirkmittelwerfer auf das Ziel ausgerichtet und eine projektbildende Ladung (Multiple Explosively Formed Projectile, MEFP) als Gegenmaßnahme abgefeuert, die die Bedrohung in optimaler Entfernung so neutralisiert, dass am eigenen Fahrzeug kein wesentlicher Schaden entsteht. Die vierte Komponente ist die Energieversorgung in der dafür angepassten Panzerwanne.

Zwischen dem Entdecken einer Bedrohung und dem Auslösen der Gegenmaßnahme liegen nur Bruchteile von Sekunden. Daher ist eine manuelle Reaktion nicht möglich. Sobald die Lage es verlangt, muss das System auf automatischen Betrieb gestellt werden, um Besatzung und Waffensystem zu schützen.

Damit wird – neben der Wirksamkeit – die Sicherheit der automatischen Auslösung des Systems ein entscheidendes Einsatzkriterium. Einerseits muss Trophy Bedrohungen sicher erkennen und die Gegenmaßnahme zuverlässig auslösen. Andererseits dürfen Fehlauslösungen nicht vorkommen. Der Wirkungsbereich der Gegenmaßnahme ist bei eingeschaltetem System Gefahrenbereich, in dem sich grundsätzlich keine Personen aufhalten dürfen. Die Auflösung des Dilemmas der Wahl zwischen Schutz der Panzerbesatzung und Gefährdung von Kräften in der Umgebung ist ein bedeutendes Thema in der Ausbildung der Panzerbesatzungen.

Abschuss einer Bedrohung mit Trophy (Foto: Rafael)

„Das bei den israelischen Streitkräften einsatzerprobte System Trophy bietet einen 360-Grad-Schutz gegen Panzerabwehrraketen und Lenkflugkörper und erhöht so die Sicherheit der Besatzungen“, beschreibt das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr den Einsatzwert des Schutzsystems.

Weiterer Bedarf

In Israel ist Trophy seit zehn Jahren auf Kampf- und Schützenpanzern im Einsatz und hat sich nach Angaben von Rafael in mehr als einer Million Betriebsstunden bewährt. Die Ausstattung der israelischen Gefechtsfahrzeuge ist noch nicht abgeschlossen. Die US-Streitkräfte haben Ende 2020 die Ausstattung von mehr als 300 Kampfpanzern M1 Abrams mit Trophy abgeschlossen und haben weiteren Bedarf angemeldet. Auch die Niederlande und Großbritannien haben erste Entscheidungen zur Beschaffung aktiver Schutzsysteme getroffen.

Angesichts der weiter wachsenden Bedrohung vor allem mit raketengetriebenen Hohlladungsgeschossen ist die Ausstattung weiterer Gefechtsfahrzeuge und einsatzwichtiger geschützter Fahrzeuge mit aktivem Schutz unausweichlich. Für die Auswahl zukünftiger Schutzsysteme stehen die technische Sicherheit im automatischen Betrieb sowie Gewicht und Energiebedarf im Fokus.

Für die Bundeswehr ist die jetzt unter Vertrag genommene Beschaffung Trophy für eine Teilflotte der Kampfpanzer ein erster Schritt zur Einführung von aktiven Schutzsystemen.

In dem Beschaffungsverfahren sind Anbieter aus Deutschland bisher nicht zum Zuge gekommen. Rheinmetall hat das Active Defence System (ADS) entwickelt, das auf zahlreichen Gefechtsfahrzeugen erprobt wurde. Derzeit läuft ein vergleichender Test mit Trophy in den USA, wo die Eignung für geschützte Radfahrzeuge ermittelt werden soll. Von Diehl Defence stammt das werferbasierte AVePS (Active Vehicle Protection System), das bisher ebenfalls nicht über das Versuchsstadium hinausgekommen ist. Sollte sich Deutschland entschließen, weitere Fahrzeuge mit aktivem Schutz zu versehen, kommt es einerseits darauf an, das beste System auszuwählen. Andererseits muss auch der Einstufung von Schutz als deutscher Schlüsseltechnologie Rechnung getragen werden.

Gerhard Heiming