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Extreme Wetterlagen haben Auswirkungen auf das Üben luftbeweglicher Operationen.

„Es gibt gewisse Kriterien, die den Flugbetrieb einschränken. Natürlich müssen auch fliegerisch schwierige Lagen geübt werden. Aber bei kritischen Bedingungen ist der Übungsbetrieb mit Luftfahrzeugen binnen Stunden nicht mehr möglich. Wir haben in einer der früheren Luftfahrzeughallen eine Übungs- und Ausbildungslandschaft entwickelt und aufgebaut, in der das geplante Szenario in einer Simulationsumgebung taktisch bei jedem Wetter durchgeführt werden kann,“ sagt Oberstleutnant Jens Schaper aus dem Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit in Celle.

Die Infrastruktur

Nachdem Ende 2016 das Hubschraubermuster Bo 105 in Celle außer Dienst gestellt wurde, waren in der Garnison keine Luftfahrzeuge mehr dauerhaft stationiert. Große Teile der Liegenschaft werden jedoch durch das zeitgleich in Dienst gestellte Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit (Ausb/ÜbZ Lbwglk) in ähnlicher oder abgewandelter Form weitergenutzt.

So beherbergt die Halle V statt bis zu 27 Hubschraubern mittlerweile neben begehbaren Geländesandkästen eine Simulationslandschaft auf Grundlage des Simulationssystems Virtual Battlespace 3 (VBS 3), mit dem taktische Verfahren tageszeit- und wetterunabhängig trainiert und erprobt werden können. Bis zu 190 Soldaten werden im Zielbetrieb realitätsgetreu ihre Rollen üben können – und bald sogar im Nachfolgesystem VBS 4.

Im Schwerpunkt der virtuellen Simulation steht die Ausbildung und Anwendung von Verfahren zum Einsatz luftbeweglicher Kräfte in allen Einsatzintensitäten. Spezifische Einsatzszenarien werden im Vorfeld in enger Absprache mit der Übungstruppe erarbeitet.

Über den Bereich des Heeresflugplatzes Celle und die umliegenden Standort- und Truppenübungsplätze hinaus können auch weitere Simulationsstandorte der Bundeswehr im Bedarfsfall integriert und genutzt werden.

Die Celler Ausbildungslandschaft ist ein Paket aus mehreren Teilen: vom bewährten Geländesandkasten (in Celle im Format XL) über eine C-160 Transall und eine Bell UH-1D, Schulungs- und Ausbildungsgeräte bis hin zum Virtual Battlespace. Über das 2020 aus Bückeburg überführte Gefechtsführungs- und Informationssystem der Heeresfliegertruppe (HERGIS) hinaus wächst die Fähigkeit zur Ausbildung und Übung in den für den Einsatz luftbeweglicher Kräfte vorgesehenen Gefechtsständen und Übungslandschaften stetig auf.

Voraussichtlich im Laufe des Jahres 2021 werden Hubschraubermodelle in Maßstab 1:1 als Handlungstrainer, sogenannte Mockups, dazukommen. Geplant sind die derzeit und zukünftig verfügbaren Hubschraubermodelle der Bundeswehr. Den Anfang werden eine CH-53 und ein NH90 machen. An diesen Mockups kann nach der Grundlagenausbildung und dem Verfahrenstraining in der Simulation die Ausbildung und Übung mit dem Handlungstraining an lebensgroßen Modellen weitergehen – nur wenige Schritte entfernt und aus einer Hand.

Train as you fight – warum nicht einfach im Gelände üben?

De facto wird genau das gemacht – mit einer geospezifischen Abbildung des Geländes, exakt übertragenen Rollen und einer akkuraten Übersetzung des Übungsszenarios in die Simulation. Der Gedanke dahinter ist einfach: Eine komplexe Aufgabe mit mehreren Einflussfaktoren kann schrittweise geübt werden, beispielsweise zahlreiche Soldaten mit Ausrüstung und Gerät zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort zu fliegen. Da man bekanntermaßen jedoch erst einmal lernen muss zu gehen, bevor man rennen kann, werden die Anforderungen in Teilschritte zerlegt.

Einer der Kerngedanken der Simulation ist die Vereinfachung, also eine Reduktion komplexer Inhalte auf wesentliche Elemente eines Szenarios. Damit werden Verfahren geübt: Ausrüstung, Ausfälle, falsche Beladung, Ausfall von Hubschraubern, Einfluss von Wetterbedingungen, auftretender Feind. Alle diese Faktoren sind nur Beispiele für Herausforderungen, die während einer Übung mit luftbeweglichen Elementen auftreten können. Wer grundsätzlich weiß, wie man sich in und an einem Luftfahrzeug verhalten muss, kann dies zusammen mit seinem Kernauftrag trainieren. Wenn das funktioniert, werden schließlich Kapazitäten für komplexere Szenarien frei.

Mehr Akteure in einem Szenario bedeuten zwangsläufig einen höheren Koordinationsaufwand. Dieser Aufwand zahlt sich jedoch aus, denn Luftfahrzeuge sind weit mehr als nur „fliegende Busse“, um die Soldaten zu ihrem Auftrag zu transportieren.

Richtig eingesetzt stellen sie eine wertvolle Unterstützung der Bodentruppe dar, beispielsweise in Form von Feuerunterstützung durch Kampfhubschrauber. Diese Unterstützung wird häufig durch ein Joint Fire Support Team geleistet, bestehend aus einem Boden-Boden- und einem Luft-Boden-Trupp.

Ein solches Team ist jedoch nicht in jeder Situation verfügbar oder kann ausfallen. Das eigens für ungeschultes Personal entwickelte Jedermann-Funksprechverfahren CCA (Close Combat Attack) ermöglicht den Soldaten mittels eines formalisierten Meldeschemas, einem Kampfhubschrauberpiloten trotzdem alles Notwendige mitteilen zu können. Wer jedoch noch nie ein englischsprachiges, stark vom vertrauten Funkschema abweichendes Jedermann-Verfahren genutzt hat, ist möglicherweise erst einmal ausreichend gefordert, sich auf die Kommunikation mit dem Luftfahrzeug zu konzentrieren.

Dies gilt nicht nur für Notverfahren, sondern für sämtliche in der Kommunikation mit dem Luftfahrzeug genutzten Meldeschemata wie beispielsweise das Landing Zone Update.

Informationen wie Untergrund, Bodenbeschaffenheit, Bewuchs, Feindlage, Anzahl und Art der Verwundeten sind vor Ort verfügbar, werden aber im Luftfahrzeug gebraucht. Diese schnell und präzise zu übermitteln, ist an sich nicht schwer und mit etwas Übung von jedem leistbar, wenn es Schritt für Schritt vermittelt wird.

Deshalb übt jeder Soldat in der Halle, also drinnen genau in der Rolle, in der er draußen im Gelände eingesetzt wird. Ziel ist immer das praktische Üben im Gelände. Die Abläufe bleiben in allen Phasen des Durchgangs gleich. Es gibt jedoch weder genug Luftfahrzeuge noch ausreichend Flugstunden, um all dies im Training mit Hubschraubern absolvieren zu können.

Die Simulation löst dieses Problem sowohl praxisnah als auch ressourcensparend. Die vielfach genutzte und bekannte Ausbildung am Geländesandkasten macht es vor: Wo Wege zu lang wären oder das Gelände zu unübersichtlich, gibt es Modelle. Derartige Modelle bieten auch im virtuellen Bereich viele Möglichkeiten.

Auch jenseits der Ebene individueller Einzelherausforderungen ist ein Simulationstraining gerade für Führungspersonal sinnvoll. Schon in der Befehlsgebung muss überlegt werden, was geschehen soll, wenn einer oder mehrere Hubschrauber ausfallen oder wenn die folgende Welle verspätet landet. Wo liegt ein Abbruchkriterium und bis zu welchem Punkt kann die luftbewegliche Operation laufen? Ob solche und ähnliche Fragen praktikabel geplant sind, lässt sich in der Simulation gut erproben.

Teil der Übung im fortgeschrittenen Stadium kann beispielsweise auch sein, Unwägbarkeiten und Ausfälle zu kompensieren. Wenn aufgrund von Feindeinwirkung die Truppe woanders anlandet und die Gefechtsgliederung neu eingenommen wird, gilt es, den Überblick zu behalten, sich zu sammeln und neu zu formieren. Die eigene Operationsplanung wird überprüft, Lücken können festgestellt und eigene Handlungsoptionen durchgespielt werden.

Auch im Bereich der Luftfahrzeugerkennung kann ein virtuelles Umfeld nützen: Mit wenigen Faktoren lässt sich ein Szenario stark verändern, beispielsweise dadurch, ob ein auftauchendes Luftfahrzeug ein Transportflugzeug der eigenen Streitkräfte oder ein feindlicher Hubschrauber ist.

Die Simulation eröffnet die Möglichkeit, Szenarien zu absolvieren, die mit realen Luftfahrzeugen aufgrund knapper Ressourcen nicht umzusetzen wären. Anstatt ressourcenintensive Ausbildungsabschnitte zu streichen, werden die Verfahren simuliert geübt, sodass nicht mehr für jeden einzelnen Ausbildungsschritt ein reales Luftfahrzeug eingesetzt werden muss.

Am Ende der Übung steht jedoch immer die FTX (Field Training Exercise), die Übung im Gelände: mit den eigenen Waffen, dem Staub des Übungsplatzes auf den Gesichtern und natürlich realen Luftfahrzeugen. Nachdem anfängliche Unsicherheiten im Virtual Battlespace überwunden sind, kann im Gelände aus „sicher“ fast wie von selbst auch „schnell“ werden. Das wiederum ist für die Hubschrauber entscheidend, sind sie am Boden doch ebenso hochwertige wie leicht verwundbare Ziele.

Von null auf achtzig in drei Jahren

Die erste VBS-unterstützte Übung des Ausbildungs- und Übungszentrums war zugleich auch die erste Übung des Zentrums überhaupt. Von Anfang an war die simulationsgestützte Ausbildung ein Teil des methodischen Vierklangs in Celle: Planungsphase im Gefechtsstand, Verfahrenstraining in der Simulation, Handlungstraining an Schulungs- und Ausbildungsgerät und Gefechtsübung.

Es hat sich jedoch vieles getan, seit zum ersten Mal Soldaten im System Virtual Battlespace in Celle übten. Waren während des Pilotdurchgangs Ende 2016 noch knapp dreißig Plätze besetzt, wuchs der Teilbereich in den Folgejahren deutlich auf. Nach ersten Erfahrungen mit Übungstruppe bis zur Zugstärke im Probebetrieb wurde nach dem Übergang in den eingeschränkten Regelbetrieb auf der Ebene verstärkter Zug an und mit VBS geübt.

Ziel ist, auf einer regelmäßigen Basis größeren Truppenteilen virtuelle Übungsmöglichkeiten zu eröffnen. So wurde erstmalig im März 2019 während eines Übungsdurchgangs im Kompanierahmen gemeinsam mit dem Fallschirmjägerregiment 26 in puncto Simulation völliges Neuland betreten: Über 170 Simulationsplätze mit Virtual Battlespace 3 wurden vernetzt. In den nächsten Jahren soll die Fähigkeit zur Vernetzung bis zur Ebene einer verstärkten Kompanie in Celle zur Regelleistung werden.

Der Gefechtsstandbetrieb ist mit einer simulierten Gefechtsstandumgebung unter Verwendung von Fü(W)ES/HERGIS (Führungs- und Waffen-Einsatzsystem/Heeresflieger-Gefechtsführungs- und Informationssystem) in das Simulationssystem mit eingebunden. Auf weitere Sicht soll der Bereich Gefechtsstandbetrieb als Plattform für die Erstellung, Erprobung und Fortschreibung eines Gefechtsstandkonzepts „Gefechtsstand luftbeweglicher Einsatzverband“ dienen.

Um alle Aspekte von Planung und Führung ging es im großen Maßstab erstmals in der MapEx „White Griffin 2019“. In dieser groß angelegten Planübung wurden die Grundlagen für die Großübung „Green Griffin“ gelegt – eine über 1.000-köpfige Übungstruppe zu koordinieren, bedarf gründlicher Vorarbeit.

Auch wenn sie noch nicht vollends aufgewachsen ist: In den vier Jahren ihres Bestehens – seit der Aufstellung des Ausbildungs- und Übungszentrums als jüngste der zentralen Ausbildungseinrichtungen des Heeres – hat sich die Celler Übungslandschaft sichtbar entwickelt und immer mit Blick auf den ganz konkreten Nutzen für die Übungstruppe.

Hauptfeldwebel Andrea Neuer ist Einsatzführungsfeldwebel Leitungsdienst Einsatzführung Luftwaffe im Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit.