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Auf die immer größer werdende Bedrohung durch Drohnen müssen neue Antworten gefunden werden. Eine kombinierte Waffe zur Luftverteidigung wurde jetzt entwickelt. Bei den – virtuell durchgeführten – Defence Talks hat Rheinmetall am 3. März 2021 das Waffensystem Oerlikon Skyranger 30 für die Luftverteidigung im Nahbereich einem Fachpublikum vorgestellt. Das Waffensystem ist in einem unbemannten Turm integriert, der mit einem Gewicht von weniger 2,5 Tonnen auf ein 6×6-Radfahrzeug oder ein größeres bzw. in ein Kettenfahrzeug eingebaut werden kann.

Jüngste Konflikte wie in Bergkarabach hätten die Bedrohung insbesondere durch kleine Drohnen nochmals ins Bewusstein gehoben und Lücken in der Luftverteidigung aufgezeigt, stellte Fabian Ochsner, CEO von Rheinmetall Air Defence (RAD) heraus. Drohnen können Sensoren blenden, die Feuerleitung überlasten und Ziele auf kurze Entfernung angreifen. Wegen geringer Größe, geringer Flughöhe und geringer Fluggeschwindigkeit sind sie schwer zu entdecken.

Um solche Flugziele bekämpfen zu können, bedarf eines ausbalancierten Waffensystems mit passiven und aktiven Sensoren, bedrohungsgerechten Effektoren und einem angemessenen Selbstschutz.

Rheinmetall hat mit dem Oerlikon Skyranger 30 einen Konzeptdemonstrator gebaut, der, so Ochsner, die wesentlichen Anforderungen erfüllen kann. Es kann auf ein Boxerfahrgestell montiert werden.

Oerlikon Skyranger® 30, Photo: Rheinmetall

Als (aktiven) Erkennungssensor für das erste Glied der Bekämpfungskette hat RAD ein S-Band AESA-Radar verwendet, das in der Lage ist, unbemannte Flugobjekte der Klasse I zu erkennen. Fünf flache Sende-/Empfangsmodule sind rund um den Turm verteilt und ermöglichen die benötigte 360°-Abdeckung. Das für kleine Ziele optimierte Radar hat eine Erfassungsreichweite von 20 km. Weil ein aktiver Sensor die eigene Position verrät, ist als passiver Sensor das Fast InfraRed Search and Track (FIRST)-System integriert, das mit hoher Auflösung das gesamte Umfeld überwacht und beim Auftreten von Zielen (Pop-up-Ziele) alarmiert.

Für den zweiten Schritt – Identifizierung und Verfolgung – hat Rheinmetall einen kombinierten Sensorkopf entwickelt, der über einen Wärmebild-, einen Videokanal und zwei Laserentfernungsmesser verfügt. Der Sensor wurde im vergangenen Jahr gegen klassische und neuartige Ziele erfolgreich getestet. Alternativ könnte für diese Aufgabe ein verfügbares X-Band-Radar eingesetzt werden.

Als Effektor hat RAD die Oerlikon KCA 30×173 mm Kanone weiterentwickelt, die auch im Kampfflugzeug Saab 37 Viggen verwendet wird. Die Maschinenkanone wurde mit einer einspuligen Programmiereinheit versehen, die die Verwendung von programmierbarer Airburst-Munition ermöglicht. Mit einer Kadenz von maximal 16 Schuss pro Sekunde werden die Ahead-Geschosse mit 160 Wolfram-Projektilen (insgesamt 200 Gramm) auf Entfernungen bis 3.000 m abgefeuert. Die Programmierung setzt die Projektile in optimaler Entfernung zum Ziel frei und erzeugt einen tödlichen Splitterkegel. Versuche haben gezeigt, dass schon ein einziges Projektil einen Mission-kill erzeugen und die Drohne neutralisieren kann. Bedeutend sind hohe Richtgeschwindigkeiten der Kanone in Höhe und Seite, um den Bewegungen der Drohne folgen zu können, sowie ein großer Elevationswinkel von 85° gegen Drohnen im Sturzflug. Zur Erhöhung der Abstandsfähigkeit bietet der Skyranger-Turm Gewichtsreserven, um ein Raketensystem unterbringen zu können. Möglich sind sowohl lasergelenkte Raketen als auch fire-and-forget Raketen mit IR-Steuerung. Eine Auswahl ist nicht erfolgt. Mit Raketen kann ein Entfernungsband bis ca. neun Kilometer abgedeckt werden. Raketen wirken erst ab ca. zwei Kilometer. Der Nahbereich wird dann von der Kanone abgedeckt.

Für den elektronischen Kampf kann der Skyranger 30 mit passiven Sendersuchgeräten ausgestattet werden, die Funksteuerungssignale der Drohnen entdecken und mit RF-Jammern, die solche Signale zuverlässig stören können und die Drohnen an der Vollendung ihrer Mission hindern können.

Der Selbstschutz des Skyranger 30-Systems beginnt mit der geringen Bauhöhe des Turms, der zu einer niedrigen Silhouette führt. Mit zwei neunfach-Werfern des ROSY-Systems (Rapid Obscuring System) kann die Besatzung schnell einen multispektralen Nebelvorhang setzen, der das Waffensystem der Sicht feindlicher Sensoren entzieht. Zur direkten Bekämpfung steht ein koaxiales Maschinengewehr zur Verfügung.

Der Turm ist gegen ballistische Bedrohungen nach Level 2 (STANAG 4569) geschützt. Die Luke in Dachmitte, die zum Nachladen, zum Beobachten oder als Fluchtluke genutzt werden kann, ist nach Level 4 geschützt. Wenn die Gewichtsbilanz es zulässt, kann der gesamte Turm nach Level 4 geschützt werden.

Der Oerlikon Skyranger befindet sich nach Aussage von Ochsner im Technology Readiness Level (TRL) 4 bis 5 (Versuchsaufbau in Einsatzumgebung). Ab Mitte 2021 seien Schießversuche geplant. TRL 6 soll bis zum Jahresende erreicht werden. Über mögliche Kunden wurden noch keine Aussagen gemacht. Für das KCE-Geschütz gebe es einen ersten Auftrag für eine Marineanwendung.

Gerhard Heiming