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Als Mitte 2019 die ersten FISH-Widder (FISH steht für Führungs- und Informationssystem Heer) auf Basis des VW Widder T6 an das Fallschirmjägerregiment 31 in Seedorf übergeben wurden, hatten die modifizierten handelsüblichen Fahrzeuge einen Makel: Die Widder waren nicht lufttransportfähig.

Die neuen Fahrzeuge sollten zwar als Führungsfahrzeuge der Luftlandetruppe genutzt werden und die in die Jahre gekommenen Funkfahrzeuge auf Basis des 30 Jahre in der Nutzung befindlichen Mercedes Benz 250 GD Wolf ablösen, konnten den Fallschirmjägern aber nicht im Lufttransport in den Einsatz folgen. Nun hat die Truppe eine Lösung entwickelt, mit der den Widdern doch das „Fliegen“ beigebracht werden konnte.

Lufttransport in der A400M

Im Rahmen einer Weiterbildung ging die 8. Kompanie des Fallschirmjägerregiments 31 dieses Problem zusammen mit Angehörigen des Lufttransportgeschwaders 62 (LTG 62) aus dem niedersächsischen Wunstorf an. Wie die Bundeswehr am 18. Februar berichtete, fand in den Wochen zuvor unter der Leitung der beiden Oberstabsfeldwebel Olav Pietsch und Martin Schrand eine Umschulung des Lufttransportpersonals des Fallschirmjägerregiments 31 auf das neue Transportflugzeug A400M statt.

In Zusammenarbeit mit den Lufttransportexperten des LTG 62 sollten „neue und ältere Fahrzeuge der Bundeswehr für den Lufttransport zugelassen werden“, heißt es in dem Bundeswehrbeitrag. Beim Widder war Improvisation gefragt, denn für einen Lufttransport ist das Fahrzeug nicht vorbereitet.

Normalerweise besitzt jedes militärische für den Lufttransport vorgesehene Kraftfahrzeug an allen Seiten stabile Verzurrösen. Diese dienen dazu, das Fahrzeug schnell im Flugzeug-Laderaum für den Transport zu sichern. Der Widder besitzt diese Ösen aber nicht, und kann damit nicht sicher verzurrt werden. Zusammen mit den Experten der Luftwaffe suchten die Fallschirmjäger nach einer Lösung. „Speziell ausgebildete Technische Ladungsmeister des Geschwaders haben eine Idee: Sie stellen das Fahrzeug auf ein Palettensystem, das ursprünglich für die Verladung von Material in 20-Fuß-Containern vorgesehen ist. Auf diesem Palettensystem fixieren sie den Widder mit den dazugehörigen Verzurrnetzen“, beschreibt die Bundeswehr den Ansatz. Im Gegensatz zu Bändern oder Ketten, welche für eine direkte Verzurrung über das Dach gelegt werden müssten, verteilt das Netz den Druck gleichmäßig über die komplette Fläche des Fahrzeugdachs. Dadurch wird es nicht eingedrückt oder anderweitig beschädigt.

Damit die Fallschirmjäger das Fahrzeug in künftige Einsätze mitführen können, muss noch ein „endgültiges Genehmigungsverfahren“ durchlaufen werden, welches bereits durch das Personal des LTG 62 eingeleitet wurde. Mit dieser Palettenlösung kann der Widder dann in Zukunft als Innenlast in Luftfahrzeugen transportiert werden (luftverladbarkeit), für einen Außenlasttransport mittels Hubschraubern (Luftverlastbarkeit) ist diese Lösung dem Vernehmen nach jedoch nicht geeignet.

Einführung des FISH-Widder in die Luftlandetruppe

Am 12. Juni 2019 wurde in Seedorf dem Fallschirmjägerregiment 31 offiziell der erste FISH-Widder übergeben. Dabei handelt es sich um einen VW Widder T6 mit der Abgasnorm EURO 6c. Insgesamt beschaffte die Bundeswehr 400 Fahrzeuge, die alle bis zum 31. August 2019 zugelassen sein mussten, da ab dem 01. September die neue verschärfte Abgasnorm EURO 6d TEMP galt. Im Juni 2019 wurden die ersten 46 Fahrzeuge ausgeliefert. Die FISH-Widder lösten veraltete Mercedes-Benz G-Modelle, in der Bundeswehr als Wolf bezeichnet, ab. Diese waren bis zu 30 Jahre im Dienst, Esut berichtete.

Das Fahrzeug ist vorbereitet für die Aufnahme des Kommunikationssystem FISH. Die Sätze, bzw. deren Komponenten, wurden aus den alten Mercedes-Benz Wölfen ausgebaut, aufbereitet und in die neuen Fahrzeuge eingebaut. Die dazugehörigen Antennen wurden ebenfalls vom Wolf FüInfoSys abgebaut und 1:1 wieder aufgebaut.

Die Einbausätze, wie z.B. SEM 80/90 und die FüInfoSys-Ausstattung sind in den Kompanien vorhanden und müssen nach Auslieferung eingebaut werden. Die Firma Freytag war für den Umbau zuständig. Da nur 332 Wolf-Pkw zum Umbau verfügbar waren, aber 400 Widder beschafft wurden, kam der Rest der Sätze aus dem Depot oder Widder wurden als FEHL ohne Rüstsatz ausgeliefert. Die Fahrzeuge wurden über die BwFuhrparkService GmbH beschafft.

In der Truppe wurde das Fahrzeug dem Vernehmen nach als Verbesserung angesehen, es gab aber Kritik an der taktischen sowie strategischen Mobilität des Widders. Denn das Fahrzeug ist nicht so geländegängig wie der Wolf und war auch nicht für den Lufttransport nicht geeignet. Das FISH-System und die generelle Mobilität des Fahrzeuges abseits vom schweren Gelände waren für die Einsatzkräfte enorm wichtig und notwendig. Denn für den Informationsaustausch im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) und auch für die VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) werden diese Fahrzeuge dringend benötigt.

Der FISH-Widder wies weitere Besonderheiten auf, denn bis dato waren alle neuen Fahrzeuge oliv foliert. Das neue Fahrzeug kam dagegen mit einer Flecktarn-Lackierung daher. Dies ist seit diesem Zeitpunkt eine grundsätzliche Forderung, die durch das Kommando Heer und das Planungsamt der Bundeswehr erhoben wird. Soll heißen, es ist eine „Muss“-Forderung für alle LKW hümS (handelsüblich mit militärischer Sonderausstattung). Das Flecktarn auf dem VW Widder ist sogar lackiert und nicht foliert.

Die Firma Freytag gibt auf den Lack 12 Jahre Garantie, bei der Folierung wären es hingegen nur fünf Jahre gewesen. Der FISH-Widder wird der Fahrzeug-Klasse LKW 0,5-1t hümS FüInfoSys zugeordnet. Zudem hat das Fahrzeug kein Schaltgetriebe mehr, sondern ein Doppelkupplungsgetriebe (DSG), und einen Dachgepäckträger, der das halbe Dach einnimmt.

Mit der in Aussicht gestellten Zulassung des Widders für den Lufttransport wäre nun einer der Hauptkritikpunkte der Fallschirmjäger gelöst. Das Fahrzeug könnte dann nicht nur im Friedens- und Übungsbetrieb genutzt werden, sondern stünde der Luftlandetruppe auch für Einsätze, in denen geschützte Fahrzeuge – beispielsweise im Rahmen militärischer Evakuierungsoperationen – nicht zwingend erforderlich ist, zur Verfügung.

Waldemar Geiger