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Mit dieser am heutigen 2. Dezember 2020 von der Europäischen Kommission und dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, vorgelegten Initiative formuliert die Exekutive der EU ihre Prioritäten für eine überarbeitete transatlantische Partnerschaft. Dabei bedient man sich derjenigen Bereiche, in denen das amerikanische und europäische Interesse konvergiert und in denen die „kollektive Hebelwirkung am besten genutzt werden kann“, gleichzeitig auch die Gebiete, „in denen unsere globale Führung erforderlich ist“.

Als solche werden für eine gemeinsame Zusammenarbeit vorgeschlagen:

  1. der Kampf gegen Covid-19 sowie eine Reform der WHO
  2. der Schutz der Erde und des Wohlstands
  3. Technologie, Handel und Standards
  4. gemeinsames Streben für eine sicherere, wohlhabendere und demokratischere Welt.

Im Pressegespräch erläuterte Josep Borrell, dass die europäische Exekutive mit dieser ersten formalisierten institutionellen Botschaft an „unsere Partner in den USA“ den Dialog über eine neue „transatlantische Agenda“ aufnehmen will. „Schauen wir in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Lassen Sie uns unsere Beziehungen verjüngen. Bauen wir eine Partnerschaft auf, die den Bürgern unserer Kontinente und der ganzen Welt Wohlstand, Stabilität, Frieden und Sicherheit bringt “, fügte Josep Borrell hinzu, der seine beiden Hüte als Hoher Vertreter der EU und Vizepräsident der Kommission trug. „Es gibt keine Zeit zu verlieren, machen wir uns an die Arbeit“.

Das elf Seiten umfassende Dokument enthält Detailvorschläge wie die Entwicklung eines gemeinsamen transatlantischen Ansatzes zum Schutz kritischer Technologien unter Berücksichtigung globaler Wirtschafts- und Sicherheitsbedenken, unter Einschluss von 5G, Künstlicher Intelligenz und Standards für den freien Datenfluss, die Einrichtung eines US-EU-Rates für Handel und Technologie, einen transatlantischen Dialog über digitale Plattformen und BigTech. Hinsichtlich der gemeinsamen Zusammenarbeit für eine sicherere, demokratischere und wohlhabendere Welt schlägt die europäische Exekutive die Einführung eines neuen „Dialoges zwischen der EU und den USA über Sicherheit und Verteidigung“ vor. Die EU ist bereit, sich voll und ganz an dem vom designierten Präsidenten Joe Biden vorgeschlagenen Gipfel für Demokratie zu beteiligen und gemeinsame Verpflichtungen zur Bekämpfung des Aufstiegs von Autoritarismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption einzugehen.

Nächste Schritte. Die Gemeinsame Erklärung wird nun im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, der am 7. Dezember tagt, behandelt, bevor sie im Europäischen Rat am 10.-11. Dezember verabschiedet werden könnte. Auf dem sich abzeichnenden Brüsseler Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den USA in der ersten Hälfte des nächsten Jahres könnten die konvergierenden Linien vertieft werden.

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Die EU hat damit die Gunst der Stunde genutzt: Sie hat noch vor Amtsantritt der neunen US-Regierung ein deutliches Signal gesetzt, das die euro-atlantischen Meinungsverschiedenheiten abbauen soll. Im vermeintlichen Wettbewerb um die Gunst des amerikanischen Präsidenten ist die EU in Vorleistung getreten.

Aus der Tagung der Außenminister der NATO in dieser Woche wurde bekannt, dass auch die Atlantische Allianz in der ersten Hälfte 2021 ein Gipfeltreffen in Brüssel plant. Dies ist fast schon Tradition nach einem Präsidentenwechsel in den USA. Aufhänger ist dieses Mal auch der Bericht der Reflexionsgruppe, die als Vorbereitung für ein neues Strategisches Konzepz der Allianz gesehen werden kann. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg will dann seine Bewertung dieses Berichts vorstellen und entsprechende Vorschläge machen. Er hat für diesen Prozess eine Überschrift gewählt: NATO 2030: United for a New Era.

Brüssel kann so im nächsten Halbjahr Schauplatz einer Gipfelrunde werden. Da könnte die Allianz auch einen Akzent bei der Rüstungskontrolle geben: Das nukleare – bilaterale – Rüstungskontrollabkommen New Start läuft im Februar aus. Die USA und Russland müssten sich einigen. Russland will das Abkommen fortschreiben, die USA wollen, so die Position bisher, in ein solches Abkommen auch China (und ggf. andere) mit einbeziehen. Die Reflexionsgruppe der NATO unterstützt diese Position. Es darf spekuliert werden, ob es dann auch zu einem Gipfel der Präsidenten der USA und Russlands kommt.

Hans Uwe Mergener