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Fünf NATO-Staaten wollen gemeinsam die nächste Generation von mittleren Mehrzweckhubschraubern entwickeln. Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien und Großbritannien unterzeichneten am 19. November 2020 eine entsprechende Absichtserklärung. Das Projekt gehört zu den sogenannten High Visibility Projects (HVP) der NATO. Für Deutschland unterzeichnete die Bundesministerin der Verteidigung Annegret Kramp-Karrenbauer die Absichtserklärung.

Eine bedeutende Anzahl mittlerer Mehrzweckhubschrauber, die derzeit von den NATO-Bündnispartnern genutzt werden, werden ab 2035 das Ende ihres Lebenszyklus erreichen. Dann müsste die neue Generation von Hubschraubern verfügbar sein. Das Projekt „Next Generation Rotorcraft“ zielt darauf ab, eine Lösung für diese bevorstehenden Anforderungen zu entwickeln. Gleichzeitig soll ein möglichst breites Spektrum an neuer Technologie sowie neue Fertigungsverfahren und Betriebskonzepte genutzt werden.

In den kommenden Jahren werden Experten der beteiligten Nationen ein umfassendes Arbeitsprogramm abarbeiten. Zunächst müssen die Fähigkeitsforderungen festgestellt werden. Daraus ergibt sich die Bedarfsaufstellung. Die Arbeiten münden in einen mehrstufigen Kooperationsplan.

In einer virtuellen Zeremonie unterzeichneten die fünf Verteidigungsministerinnen der Bündnispartner, jeweils in ihren Hauptstädten, den Letter of Intent zur Entwicklung der neuen Hubschrauberfähigkeit.

„Indem wir unsere Ressourcen gemeinsam investieren und unsere Entwicklungsinitiativen durch einen multinationalen Rahmen kanalisieren, stellen wir sicher, dass die Bündnisstaaten mit den besten verfügbaren Fähigkeiten ausgestattet werden, was dazu beiträgt, den technologischen Vorsprung der NATO aufrechtzuerhalten“, betonte der stellvertretende NATO-Generalsekretär Mircea Geoană bei der Unterzeichnung.

Foto: NATO

Es ist zu erwarten, dass sich im Laufe der Zeit weitere Länder an dem Projekt beteiligen, zum Beispiel Spanien. Die NATO geht davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten mindestens 1.000 Hubschrauber der Mitgliedstaaten ersetzt werden müssen. Dabei wurde der Bedarf der USA nicht mitgerechnet. Die zu ersetzenden Maschinen reichen von Plattformen wie der Aerospatiale SA330 Puma bis hin zu frühen Maschinen des NH90 von NH Industries und Leonardo Helicopters AW101.

Allerdings haben mit Italien und Großbritannien Staaten, die die jetzt geschlossene Kooperationsvereinbarung unterzeichnet haben, auch Interesse am Programm „Future Vertical Lift“ der US-Army bekundet. Vor diesem Hintergrund betont Bruno Even, Chief Executive Officer von Airbus Helicopters, dass Europa seine eigene Entwicklung in Angriff nehmen muss, um seine „strategische Autonomie“ auf industrieller Ebene zu erhalten. „Es ist gut, dass unsere militärischen Kunden mit diesen Überlegungen beginnen. Die Industrie braucht eine langfristige Sicht auf diese Anforderungen“, fuhr Even fort. Allerdings hat derzeit auch keiner der europäischen Hersteller einen militärischen „Hochgeschwindigkeits-Hubschrauber“ in der Entwicklung, der mit den US-Modellen Bell V-280 VALOR oder Sikorsky/Boeing SB-1 vergleichbar wäre.

Es bleibt zu hoffen, dass sich alle beteiligten Länder diesmal auf gemeinsame Fähigkeitsforderungen und ein Modell einigen können, damit es nicht wieder zu einer Vielfalt an Versionen kommt, wie es beim NH90, dem Kampfhubschrauber TIGER oder dem A400M der Fall ist.

Tiger Mk III kurz vor dem Start

Am gleichen Tag sagte Airbus Helicopters, man erwarte, dass der Tiger Mk III kurz vor dem Start steht. Die drei Partner hätten sich auf eine gemeinsame Konfiguration geeinigt, die bis Jahresende fixiert werden sollen. Die drei Partner sind Frankreich, Deutschland und Spanien. Australien als vierter Nutzerstaat phast den Tiger aus und ist auf der Suche nach einem Nachfolger.

Airbus Helicopters ist zuversichtlich, dass es sein Tiger Mk III-Programm zum Jahresende starten kann, nachdem es die Zustimmung von den drei Kunden für die Modifikation erhalten hat. In den letzten sechs Monaten hat Airbus Helicopters „enge technische Gespräche“ zwischen Frankreich, Deutschland und Spanien geführt, so Chief Executive Officer Bruno Even.

Mitte 2021 könnte dann der Vertrag in Kraft treten. Airbus Helicopters wurde im September 2018 von der europäischen Beschaffungsbehörde OCCAR mit der Durchführung von De-Risking-Studien für die Verbesserung beauftragt, die sich auf die Avionik, die Missions- und Waffensysteme des Tigers erstrecken.

Beim Mk III würden die vorhandenen Zellen erhalten bleiben, es werden für Deutschland keine neuen Hubschrauber gebaut. Diese würden im Grunde kernsaniert und mit neuer Sensorik- und Waffen-Integration versehen. Zwingend notwendig ist parallel auch eine neue Avionik. Einhergehen müsste dies mit einer Nutzungsdauerverlängerung der Zellen von jetzt 20 Jahren auf dann 30 Jahre. Der letzte ausgelieferte Tiger stammt aus dem Jahre 2018. Das bedeutet, dass das Nutzungsende im Jahr 2048 liegt. Eine Ausphasung älterer Maschinen würde allerdings schon zu Beginn der 2040er-Jahre starten und damit ab circa Mitte der 2040er-Jahre für einen operationellen Einsatz nicht mehr genügend Maschinen bereitstehen.

Bei einer Umrüstung auf Mk III würden im ersten Jahr ein bis zwei Maschinen zulaufen, danach drei bis vier pro Jahr. Es sind circa 20 Maschinen notwendig, um operationell einsatzbereit zu sein. Rechnet man idealtypisch mit einem Zulauf ab 2029, einer Einsatzbereitschaft ab 2034 und einem Ende ab Mitte der 2040er-Jahre, sei die Frage nach einem Aufwand und Nutzen-Vergleich erlaubt.

André Forkert