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Immer wieder taucht in der sicherheitspolitischen Diskussion in Deutschland die Wehrpflicht auf: Brauchen wir wieder die Rückkehr zum Grundwehrdienst alter Prägung? Alle waren damals 2011 sehr schnell dabei, diese Pflicht aufzuheben. Sie ist aber nur ausgesetzt. Dennoch ist es nicht nur ein einfacher Federstrich, den Grundwehrdienst als Pflichtdienst wieder einzuführen.

Das neue Konzept, das Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für ein freiwilliges Dienstjahr für den Heimatschutz vorgelegt hat, ist nicht einmal „Wehrpflicht light“. Drei Monate Grundausbildung, vier Monate Spezialausbildung im Heimatschutz, dann Wehrübungen – der Dienst will die Quadratur des Kreises: Junge Leute, die sich für das Militärische interessieren, sollen angewärmt werden, gehören aber nicht zur Bundeswehr direkt, sondern zu einem Heimatschutzverband. Also nicht wirklich Bundeswehr, sondern etwas Neues? Soll damit die Regelung umgangen werden, dass die Bundeswehr aus eigenem Recht im Inneren nicht eingesetzt werden darf? Ist das der Weg in eine Organisation, die der spanischen Guardia Civil nahekommt? Dann soll man es auch sagen. Dann stellt sich die Frage, ob eine solche Truppe beim Verteidigungsminister richtig aufgehoben ist.

Es soll wohl ein zaghafter erster Schritt zu einer neuen Dienstpflicht sein. Damit folgt Kramp-Karrenbauer einer gesellschaftspolitischen Argumentation. Es wäre in diesen Jahren durchaus gesellschaftspolitisch sinnvoll, jungen Menschen eine Pflicht gegenüber dem Staat aufzuerlegen. Das betrifft – gerade in diesen Monaten – nicht nur die Sicherheitsorganisationen, sondern z. B. auch Pflegeberufe. Viele Politiker stimmen dieser Ansicht in direkten Gesprächen zu, erst in Berlin im Schoße der eigenen Bundestagsfraktion verlässt sie der Mut zu dieser vermeintlich unpopulären Entscheidung. Dabei wäre sie leicht zu begründen: Wir alle bauen auf diesen Staat, der uns Wohlstand, Freiheit und Frieden garantiert. Das kann er aber nur, wenn alle dazu einen Beitrag leisten. Dafür sind Anstrengungen nötig, mehr als nach 1990 und auch mehr als 2011.

Der neue Dienst soll für rund 1.000 Bewerber offen stehen. Ob es bei dieser Zahl bleibt, muss man abwarten. Es hängt wohl von der Akzeptanz ab. Für nur 1.000 Bewerber wäre der Aufwand sehr hoch. Wie viel Ausbildungsorganisation muss dafür aufgebaut werden, wenn es einschlagen sollte?

Es kann jedoch wieder eine Art Schnupperzeit werden. Der Wehrdienst alter Art hat manch einen bewogen, bei der Bundeswehr zu bleiben. Damit könnte die Bundeswehr einen Teil ihrer Personalprobleme lösen. Es wird sich zeigen, wie attraktiv dieses Dienstangebot ist. Die Kritik der Sozialverbände ist nicht berechtigt. Deren Dienste werden dadurch nicht beeinträchtigt werden. Sie sprechen ein andere Klientel an. In der Diskussion war auch immer wieder, dass die Attraktivität eines zusätzlichen Dienstes durch Angebote unterstützt werden soll, z.B. durch Punkte bei der Zulassung zu Ausbildungsgängen oder bei der Jobsuche. Davon ist zur Zeit nicht mehr die Rede.

Es ist noch nicht alles ausgegoren, was da vorgelegt wurde. Man wird den Eindruck nicht los, dass es sich dabei um einen Schnellschuss ging, um ein Thema zu besetzen. Denn die Debatte kam in den letzten Wochen im Zusammenhang mit den rechten Zellen in der Bundeswehr auf. Der neue Dienst kann aber jene Zellen nicht austrocknen helfen, die ihre rechte Gesinnung ausleben wollen. Mit dieser Begründung hat die Wehrbeauftrage Eva Högl die Diskussion im Sommerloch angeheizt. Aber rechtsradikale Vorfälle gab es auch in früheren Wehrpflicht-Zeiten immer wieder. Grundwehrdienstleistende haben das nicht verhindert. Es wäre besser gewesen, Eva Högl hätte sich etwas intensiver eingearbeitet, bevor sie sich so äußert.

War es klug, das jetzt so in Gang zu setzen? Meistens sind Überlegungen, die von dem Ziel getrieben sind, ein Thema für die eigene Partei zu besetzen, nicht abgewogen. Die CDU hätte das nicht nötig: Die Kompetenz, die Partei zu sein, die Menschen auch Pflichten abfordern will, hat sie unbestreitbar.

Rolf Clement