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Der Kauf zweier Fregatten in Frankreich für die griechische Marine scheint zu platzen. Nach französischen Medienberichten haben selbst Interventionen auf höchster Ebene dem Deal keinen Schub verliehen.

Dabei geht es vordergründig um die Akquise von zwei Fregatten der Belh@rra-Klasse (Exportbezeichnung des Designs von Naval Group, in Frankreich als „FDI“ bezeichnet – Frégate de Défense et d’Intervention) mit Bewaffnung (hier maßgeblich MdCN – Missile de Croisière Naval, Marschflugkörper, von MBDA). Das Geschäft soll einen Umfang von 2,5 bis drei Milliarden Euro umfassen. Im Oktober 2019 soll ein Letter-of-Intent gezeichnet worden sein (Defence News). Diesen stellt Griechenland nun in Frage.

Paris hatte seit einiger Zeit an einer strukturierten und langfristigen Partnerschaft mit der maritimen griechischen Industrie gearbeitet. Anfang des Jahres wurde sie auf den Weg gebracht. In Griechenland sollte mit französischer Unterstützung ein Kompetenzzentrum für Innovationen in der Seekriegführung entstehen. „Wir wollen, dass Griechenland im Zentrum der europäischen Marineinnovation steht“, so der damals noch amtierende langjährige CEO der Naval Group, Hervé Guillou. Ein am 13. Februar 2020 von Naval Group in der französischen Botschaft in Athen vorgestellter Kooperationsplan (ES&T berichtete) sah die Zusammenarbeit mit einer Reihe von griechischen Gesellschaften vor. Es war die Rede von über zwanzig Unternehmen in Griechenland, mit denen Naval Group, Thales und MBDA Verpflichtungen eingehen wollten. Auf wissenschaftlicher Seite wurden Partnerschaften mit drei Universitäten eingegangen – der Technischen Universität von Athen (Energie, Verbundwerkstoffe), der Universität von Patras ((Flug-)Drohnen) und der Universität von Kreta (Robotik, Fabrikation 4.0). Ein Regierungsabkommen sollte noch in diesem Jahr die Zusammenarbeit finalisieren.

 

Paris und Washington buhlen um Athen

Der damals eingefahrene Erfolg war zuvor lange fraglich. Transatlantisch wurden Offerten lanciert, um Athen zu einem Kriegsschiffkauf in den USA zu bewegen. US-Außenminister Mike Pompeo unterzeichnete bei seinem Besuch am 5. und 6. Oktober 2019 ein Zusatzprotokoll zum bereits seit 1990 bestehenden Mutual Defense Cooperation Agreement, mit dem amerikanischen Streitkräften ein breiterer und leichterer Zugang zu griechischen Stützpunkten ermöglicht wird. Die bisher übliche Praxis, dass dieses Abkommen jährlich erneuert werden muss, wurde dabei aufgegeben. Der Besuch von Pompeo durchbrach das Standardmuster der Besuche von hochrangigen US-Diplomaten in den letzten Jahre, die sowohl Athen als auch Ankara besuchten, um „Ausgewogenheit“ zu erreichen. Beobachter sehen darin eine neue sicherheitspolitische Positionierung Washingtons, das sich von Ankara entfernt.

Ihrerseits wollten sich die USA in Griechenland mit Kompensationsgeschäften engagieren. Neben dem Aufbau eines Helikopterübungszentrums in Zentralgriechenland (Volos) und der Bereitstellung von Drohnen sollen Hubschrauber und eine Anbindung an das amerikanische F-35-Programm – nach dem Ausschluss der Türkei – zur Diskussion gestanden haben, letztere (teil-)finanziert aus Mitteln des U.S. Foreign Military Sales-Programm (FMS), das den Verkauf von Waffen, Rüstungsgütern und militärischen Dienstleistungen (z.B. Ausbildung) an ausländische Regierungen ermöglicht. Damals hieß es in Fachkreisen, dass Lockheed Martin mit vier Einheiten des Littoral Combat Ship gelockt haben soll. Das Angebot umfasste die Lieferung von vier Schiffen zum Preis von zweien – immerhin noch zwei Milliarden Euro. Ein Zusammenhang mit den vier Littoral Combat Ship, deren Außerdienststellungsdatum (März 2021) die U.S. Navy gerade öffentlich machte, ist nicht abwegig – jedoch auch nicht bestätigt.

Zusätzlich ging Washington im maritimen Bereich den Weg über industrielle Verflechtungen. Amerikanische Investitionen (federführend: United States International Development Finance Corporation – eine unabhängige Agentur der US-Regierung, die privatwirtschaftlich organisierte Entwicklungsprojekte finanziert) sollen die griechische Schiffsbauindustrie wiederbeleben. Das New Yorker Private-Equity-Unternehmen Onex konnte bereits zwei griechische Werften aus der wirtschaftlichen Krise führen: Nerion und Elefsina.

 

Trotz Feldvorteilen – Pariser Handicaps

Auch angesichts der transatlantischen Avancen hielt Athen vorerst an den Kooperationsabsichten mit Frankreich fest. Im Rahmen verschiedener europäischer Programme (auch PESCO) arbeitet man zusammen. Griechenland unterstützt Frankreich bei Emasoh und hat zumindest eine personelle Beteiligung in Aussicht gestellt. In Seerechtsfragen, wie bei den türkischen Explorationsbemühungen in der zypriotischen Wirtschaftszone und den türkischen Territorialansprüchen im Mittelmeer, stellt sich Paris gegen Ankara. In der EU trägt Frankreich einen Löwenanteil von Griechenlands Schulden in Höhe von prognostiziert insgesamt 338,55 Milliarden Euro 2024 (Angaben von statista.com), bzw. – nach Angaben in französischen Medien – 40-50 Milliarden Euro.

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Laut Berichten der französischen „La Tribune“ gibt es ernsthafte Zweifel, ob es zu beiden Abschlüssen – also dem Regierungsabkommen zur vertieften Zusammenarbeit sowie zum Fregattenkauf – überhaupt kommt. Ursprünglich wollten die Parteien bis Ende des Sommers die Lieferung der ersten Fregatten für das Jahr 2024 – das bedeutete eine Bauzeit von etwa 40 Wochen – und 2026 für die zweite Einheit vertraglich fixieren.

Der griechische Finanzminister Christos Staïkouras soll von einer Verschiebung des Projekts um zehn Jahre gesprochen haben. Ein Treffen zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriákos Mitsotákis am Rande des EU-Gipfels zum EU-Haushalt und dem Corona-bedingten Konjunkturprogramm (24. – 27. Juli) habe der beabsichtigten Rüstungszusammenarbeit keine Impulse geben können.

Nach französischer Lesart ist angesichts der haushälterischen Zwänge Athens wohl das Preisschild das Hindernis. Die Griechen, so wird kolportiert, fänden den Preis für die beiden Fregatten zu hoch, kritisierten Vertragsbedingungen und Finanzierungsklauseln. Eine Athener Zeitung berichtet, Griechenland könne nur jährliche Raten in Höhe von 300 Millionen Euro tragen. Eine andere Quelle beziffert das griechische Angebot, unter Berufung auf französische Quellen, mit 1,4 Milliarden Euro.

In griechischen Medien werden bereits Alternativszenarien diskutiert. Dabei geht es um die Modernisierung der vier Meko-Fregatten der Hellenischen Marine (ein Kriegsschiffstyp von thyssenkrupp Marine Systems). Eine andere Option wären vier neue Mehrzweck-Fregatten aus den USA, die bis 2025 geliefert werden könnten. Beide Vorhaben könnten in Griechenland realisiert werden – ein immenser Vorteil gegenüber der französischen Variante.

Im Juni wurde eine Vereinbarung zum Bau von sieben Korvetten nach Entwürfen der Israel Shipyards (Haifa) auf der Onex-Werft Elefsina bekannt. Die 72 Meter langen und ca. 800 Tonnen verdrängenden Themistokles-Korvetten sollen, so griechische Pressemeldungen, das Know-how der griechischen, israelischen und amerikanischen Industrie vereinen. Onex und Israel Shipyards beabsichtigen, international mit dem Design aufzutreten. Eine Vereinbarung zu einer strategischen industriellen Partnerschaft wurde am 16. Juni unterzeichnet.

Auch die von Naviris, dem Joint Venture zwischen Naval Group und Fincantieri, vorgestellte Dreitausend-Tonnen-Korvette, European Patrol Corvette (EPC) soll bei den griechischen Überlegungen eine Rolle spielen. Griechenland ist einer von vier an diesem PESCO-Projekt teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten dessen Ziel es ist, einen Prototyp für eine neue Klasse von Kriegsschiffen zu entwickeln, um mit einem modularen und flexiblen Ansatz eine große Anzahl von Aufgaben und Missionen zu erfüllen.

Die Alternativen haben den gemeinsamen Vorteil, dass ein hoher Anteil der Wertschöpfung in Griechenland erfolgen könnte. Inwieweit dies, neben der Finanzierung, ausschlaggebend für die Entscheidung sein wird, wird sich bald erweisen.

Für Frankreich, das sich für Griechenland verwendet hat, bedeutete das Scheitern der verabredeten Kooperation einen Rückschlag. Zur Vermeidung dieser vermeintlichen „Niederlage“ (La Tribune) hat Paris eine Charmeoffensive gestartet. Florence Parly, die französische Verteidigungsministerin, und Außenminister Jean-Yves Le Drian würden nun versuchen, ihre griechischen Amtskollegen wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, heißt es in „La Tribune“.

Außerhalb der EU pflegt Griechenland neben den USA mit China enge politische und wirtschaftliche Beziehungen. China hält über die staatliche Reederei COSCO 51 Prozent der Besitzanteile am Hafen Piräus. Die Bank of China eröffnete im November 2019 eine Zweigstelle in Athen. Seit April 2019 gehört Griechenland als 17. EU-Mitglied zu der chinesischen Initiative „Cooperation between China and Central and Eastern European Countries“, was die Beziehungen zwischen beiden Ländern vertiefte. Damit wird deutlich, dass die griechischen Überlegungen einen ganz anderen Hintergrund haben könnten, der die EU-Staaten aufmerken lassen sollte.

Hans Uwe Mergener