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Fünf 25-Mio-Euro-Vorlagen haben den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach fachlicher Stellungnahme durch den Verteidigungsausschuss in dieser Woche passiert. Damit können in den nächsten Tagen mit der Industrie Verträge mit einem Volumen von fast einer Milliarde Euro zur Verbesserung der Ausstattung der Bundeswehr abgeschlossen werden.

Zur Halbzeit des Parlamentsjahres 2020 sind damit gerade ein Viertel der für 2020 vorgesehenen Großvorhaben dem Parlament vorgelegt worden. Insbesondere für zahlreiche Vorhaben, die für die Übernahme der Führung der NATO-Speerspitze (VJTF) 2023 wichtig sind, fehlt noch die Freigabe der Haushaltsmittel. Um diese Vorhaben noch rechtzeitig realisieren zu können, wird die Zeit langsam knapp. Jetzt sollen noch Vorhaben dazu kommen, die mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket bis 2021 finanziert werden sollen.

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Foto: Lockheed Martin

Es werden für die Artillerie 1.818 Lenkraketen GMLRS (Guided Multiple Launch Rocket System) mit Unitary Gefechtskopf beschafft, die durch den Raketenwerfer Mars II verschossen werden. Sie können Punkt- und Flächenziele in bis zu 80 Kilometern Entfernung punktgenau und bei jeder Wetterlage treffen. Der Gefechtskopf dringt in das Ziel ein und explodiert anschließend. Die Lenkraketen sollen den Bestand an GMLRS Unitary ergänzen, der seit 2017 aufgebaut wird. Erst vor einem Jahr hatte die Bundeswehr 900 dieser Lenkraketen bestellt, die bis 2022 geliefert werden sollen. Die jetzt möglich gewordene weitere Bestellung soll im Laufe 2023 der Truppe zulaufen. Dafür stehen 278 Millionen Euro zur Verfügung.

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Foto: Raytheon

Für das bodengebundene Luftverteidigungssystem Patriot werden 170 PAC-2 Raketen (Patriot Advanced Capability) auf den Standard GEM-T (Guided Enhanced Missile) umgerüstet. Mit dem verbesserten digitalen Näherungszünder und Radarsucher können Ziele mit kleinerem Radarquerschnitt wie Stealth-Flugzeuge oder Marschflugkörper bekämpft werden. Der Näherungszünder ist für den Kampf gegen ballistische Raketen optimiert. Damit soll der Munitionsbestand für Patriot den Anforderungen für die VJTF angepasst werden. Dafür sind 213 Millionen Euro bereitgestellt.

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Foto: Bundeswehr

69 Millionen Euro kostet die Nachrüstung eines Kamera-Monitor-Systems, das den Kraftfahrer bei der Führung des Gepanzerten Transportkraftfahrzeugs Boxer unterstützt. Das Umfeld an den Seiten ist mit den vorhandenen Sichtmitteln nur unzureichend zu überwachen. Durch die Unterstützung des Kraftfahrers mit dem neuen System wird die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, besonders im öffentlichen Straßenverkehr, reduziert.

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Foto: Bundeswehr

2016 wurde mit der Bestellung von sieben gepanzerten Brückenlegesystemen Leguan die Ablösung der über vierzig Jahre alten Brückenpanzer Biber auf Leopard 1-Fahrgestell eingeleitet. Jetzt wurden für die Beschaffung eines zweiten Loses von 24 Brückenlegern Leguan – einschließlich IT-Komponenten, Navigationssystemen, Ausbildungsgeräten und Ersatzteilen – 330 Millionen Euro bereitgestellt. Basierend auf dem Leopard 2-Fahrgestell können mit Leguan Hindernisse, Gräben und Gewässer bis zu einer Breite von 24 Metern von Fahrzeugen bis zur militärischen Lastenklasse 80 (z.B. Kampfpanzer Leopard 2 A7V) überwunden werden. Der Leguan selbst führt bis zu zwei Brückenelemente mit. Weitere Brückenelemente werden mit einem Sattelzug mit geschützter Kabine nachgeführt.

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Foto: Deutsche Luftwaffe

Für das Aufklärungssystem PEGASUS (Persistent German Airborne Surveillance System) werden drei Flugzeuge Global 6000 beschafft. In diese Flugzeuge soll bis 2025 das Integrierte Sigint Aufklärungssystem (ISIS) eingerüstet und so die Fähigkeit zur signalerfassenden luftgestützten, weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SLWÜA) bereitstellen. Dies ist nach der Euro Hawk und Triton der dritte Ansatz zur Realisierung dieser Fähigkeit, diesmal unter Verzicht auf einen unbemannten Träger. Da die Luftwaffe Global 6000 bereits als Flugzeuge für VIP-Transport einsetzt, werden Synergieeffekte bei Wartung, Ausbildung und Ersatzteilbeschaffung erwartet. Für die drei Flugzeuge sollen 75 Millionen Euro eingesetzt werden.

Im Parlament hat jetzt die Sommerpause begonnen. Die nächste Sitzungswoche beginnt am 7. September 2020. Bis werden die Verträge für die oben genannten Vorhaben geschlossen sein. Wird es dem Verteidigungsministerium gelingen, den Rückstand bei der Bearbeitung der Großvorhaben aufzuholen? Im September wird sich die Aufmerksamkeit auf den Bundeshaushalt 2021 richten, dessen Entwurf die Bundesregierung Corona-bedingt erst Mitte September 2020 beschließen und danach dem Bundestag zur Beratung und Beschlussfassung zuleiten will. Dann wird die Finanzierung der Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr aus dem in hohem Maße kreditfinanzierten Haushalt 2020 in Konkurrenz stehen zu den neuen Aufgaben, die im nächsten Jahr zu stemmen sind. Wer wird sich durchsetzen?

Gerhard Heiming