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Am 7. Juni beginnt eine der wichtigsten maritimen Übungen in der Ostsee: BALTOPS 2020. Bis zum 16. Juni werden insgesamt 29 seegehende Einheiten und 29 Flugzeuge der Luft- und Seestreitkräfte von neunzehn NATO-Mitglieds- und -Partnerländern in der Ostsee Luftverteidigung, U-Boot-Abwehr, Minenabwehr und andere Aspekte der Überwasserkriegführung üben. Dazu ist das Seemanöver in zwei Trainingsphasen unterteilt: im ersten Teil wird man nach einem eng gestrickten Stundenplan die einzelnen Ausbildungsinhalte abarbeiten. Im zweiten Teil der Übung werden dann in einer taktischen Phase (TACEX) einzelne Aspekte der Seekriegführung als „free play“ zwischen zwei Parteien trainiert. Dazu gehören Seeraumüberwachung, simulierte Eskalation, simulierte Bekämpfung.

Zum ersten Mal wird die Übung vom NATO-Hauptquartier STRIKFORNATO in Oeiras, Portugal, geführt. Bisher war U.S. NAVEUR (United States Naval Forces Europe) das verantwortliche Hauptquartier. Im Rahmen der Reform der NATO-Kommandostruktur verlegte STRIKFORNATO im Sommer 2012 seinen Hauptsitz von Neapel, Italien, in die Nähe von Lissabon, Portugal.

Zu den teilnehmenden Nationen gehören Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Kanada, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Türkei, das Vereinigte Königreich und die USA.

Die Deutsche Marine beteiligt sich mit der Fregatte „Lübeck“ (mit zwei Sea Lynx-Hubschraubern), den Minenjagdbooten „Grömitz“ und „Weilheim“, den Tendern „Donau“ und „Werra“ sowie einem Seefernaufklärer P-3C Orion.

Die gemeinsame Übung von siebzehn NATO-Mitgliedsstaaten mit den beiden NATO-Partnerländern Schweden und Finnland hat eine große Symbolwirkung. Besonders für die baltischen Staaten, aber auch für die beiden skandinavischen Staaten ist die Ostsee ein wichtiger Zufahrtsweg für ihre wirtschaftliche Versorgung wie für strategische Verstärkung.

Aus Sicht der Seekriegführung ist die Ostsee ein einzigartiges Operationsgebiet. In Krise und Krieg sind Reaktionszeiten knapp. Die Bedrohung ist dreidimensional. Geringe Wassertiefen, die Geographie und die ständige Präsenz gegnerischer Aufklärung begrenzen die Möglichkeiten zu Aufmarsch und Aufstellung und machen strategische und taktische Überraschung praktisch unmöglich. Schon in Zeiten des Kalten Krieges hatten die USA die Komplexität der Krisenvorsorge und Kriegführung in der Ostsee erkannt und einmal jährlich Einheiten zu gemeinsamen Übungen mit NATO-Partnern entsandt. BALTOPS, das seit 1972 durchgeführt wird, ist Ausdruck „unseres kontinuierlichen Engagements für die regionale Sicherheit“, so Vizeadmiral Lisa Franchetti, Stellvertretender Befehlshaber U.S. Naval Forces Europe, Befehlshaber der 6. U.S.-Flotte und der NATO Naval Striking and Support Forces.

Spektakulär waren die weitgehend unbemerkten Überflüge von amerikanischen B-52 Bombern sowie – im Jahr 1985 –  die Teilnahme der „USS Iowa“, einem Schlachtschiff aus dem Zweiten Weltkrieg.

Neben der Zusammenarbeit der verschiedenen Marinen ist BALTOPS auch ein demonstratives Zeichen der Allianz gegenüber Russland – zu Zeiten des Kalten Krieges und jetzt, nach den Ereignissen in der Ostukraine und auf der Krim sowie der Übungen mit Szenarien, die die baltischen Staaten als bedrohlich empfinden. Moskau hat diese Botschaft verstanden. BALTOPS 2019 wurde von einer Übung russischer Seestreit- und Seeluftstreitkräfte ‚beschattet‘. U.S.-Medien zufolge soll dies auch 2020 erfolgen.

Hans Uwe Mergener