Print Friendly, PDF & Email

Die Corona-Krise hat nicht nur gesundheitliche Auswirkungen auf Menschen, sondern auch wirtschaftliche Folgen für viele Unternehmen. Wie begegnet ein mittelständisches Unternehmen aus der Rüstungsindustrie der Corona-Krise? Ergeben sich auch Chancen? Welche Herausforderungen stellen sich? Über diese Fragen sprach die Europäische Sicherheit & Technik mit Gerd Hexels, dem Geschäftsführenden Gesellschafter der Hexonia GmbH, einem Spezialisten für Kampfbekleidung, Kopfschutzsysteme und persönliche Schutzausrüstung.

 

ES&T: Wie hat sich die Auftragslage und die gesamtwirtschaftliche Lage für Sie vor dem Ausbruch der Krise dargestellt?

Hexels: Unsere Auftragslage ist unverändert auf hohem Niveau. Das liegt zweifelsfrei daran, dass eine Vielzahl von Mehrjahres-Rahmenverträgen zwischen uns und unseren Kunden abgeschlossen wurden. Diese haben zum Ziel, die langfristige Planbarkeit aber auch die Optimierung unserer Supply Chains sicherstellen zu können. Dies zahlt sich jetzt für beide Seiten aus. Wir haben entsprechende Lieferverträge mit unseren Lieferanten abgeschlossen und erhebliche Lagerbestände aufgebaut, um flexibel bleiben zu können; das gilt für alle „Langläufer“ und Rohprodukte.

 

ES&T: Welche Auswirkungen haben die Beschlüsse der Bundes- und Landesregierungen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krise für Sie?

Hexels: Anfangs dachten wir, dass die Auswirkungen nur temporär sein werden. Heute spüren wir schon, dass in den Lieferketten Verzögerungen entstehen und wir trotz bereits geschilderter Vorsorge feststellen, dass die Läger leerer werden. Das bezieht sich insbesondere auf Garne unterschiedlichster Provenienzen. Darüber hinaus ist der Warenverkehr durch geänderte Einreise- und Zollformalitäten schleppender geworden. Das gilt auch für den EU-Grenzverkehr. Wegen der Vorgaben einiger ausländischer Regierungen, die bei unseren Konfektionären teilweise zum shut down geführt haben, sind die Arbeiter in den Werken stark verunsichert und treten ihre Arbeit teilweise nicht an. Wir haben in den vergangenen Jahren am Standort Nettetal (NRW) erheblich in Anlagen und Technologien investiert und halten dies auch im laufenden Geschäftsjahr auf hohem Niveau. Auch hier müssen wir feststellen, dass die Bereitschaft, zu reisen, bei Technikern deutlich eingeschränkt wird und Inbetriebnahmen nicht wie abgestimmt umgesetzt werden können. Darüber hinaus sind viele Institutionen und Prüflabore, aber auch Ansprechpartner bei den Beschaffungsbehörden, nur eingeschränkt erreichbar. Dadurch werden Projekte zeitlich verschoben.

 

ES&T: Erwarten Sie, dass die Krise auch Auswirkungen auf Ihre geschäftliche Tätigkeit haben wird?

Hexels: Die erste Überlegung ist sicherlich die, dass Schwerpunkte verschoben werden könnten. Mit hohem Engagement wurde in den letzten Jahren dafür geworben, die Entscheidung zur Vollausstattung der Bundeswehr und anderer NATO-Partnern durch entsprechende Budgets zu hinterlegen. Diese Entscheidung bedeutet auch, bewusst Lagerbestände – auch im Sinne der Krisenvorsorge – aufzubauen. Es ist zu befürchten, dass die Corona-Krise dazu führen wird, dass die Beschaffungen nicht so schnell umgesetzt werden, wie eigentlich das Material in der Truppe gebraucht wird. Darüber hinaus stellen wir gerade in diesen Krisenzeiten fest, wie wichtig die Sicherungssysteme sind und wie negativ sich zu geringe Lagerbestände von Artikeln der persönlichen Schutzausstattung auswirken. Dass ist im Ergebnis bezogen auf unser Produktportfolio auch nichts anderes.

blank
blank

Soldaten, denen der Dienstherr nicht die Bekleidung und persönliche Ausrüstung zur Verfügung stellen kann, fühlen sich ähnlich wie die Ärzte und Pfleger in Krankenhäusern ohne genügend Schutzmasken.

 

ES&T: Sehen Sie generelle Auswirkungen auf mittelständische wehrtechnische Unternehmen in Deutschland? Bedarf es aus Ihrer Sicht besonderer rüstungs- und beschaffungspolitscher Maßnahmen, um die Lage der Betriebe zu stärken?

Hexels: Ja, die langfristigen Pläne zur Erneuerung der Bundeswehr und unserer NATO-Partner dürfen nicht Opfer der sich veränderten „Sicherheitslage“ werden. Insofern müssen die genehmigten Planungen auch umgesetzt werden. Die Industrie hat zur Umsetzung der Forderungen eine Vielzahl von Weichenstellungen in den letzten Jahren vorgenommen. Das bedingt eine hohe Finanzierungsvorleistung. Analog dem Masken- und Schutzkleidungsthema sollten sich die Verantwortlichen überlegen, inwieweit auch das Sourcing von Produkten im Bereich Bekleidung/ und Schutz- und Trageausstattungen innerhalb Europas sichergestellt werden kann.

 

ES&T: Haben Sie abseits der aktuellen Krise Punkte, die Sie gerne ansprechen würden?

Hexels: Ja, wir merken in den vergangen beiden Jahren wieder einen sehr starken Trend zu Beschaffungen, bei denen dem Preis eine höhere Bedeutung beigemessen wird als die Qualität der Produkte und der Nachhaltigkeit der Lieferketten. Nachhaltigkeit hat eine Vielzahl von Facetten! Der Papierlage nach wird dokumentiert, ökologisch zu fertigen, den Menschen faire Arbeitsbedingungen und Löhne zu zahlen und Umweltstandards einzuhalten. Die Realität sieht aber gänzlich anders aus. Wenn sich die Entscheider in den Beschaffungsbehörden hier einmal die gesamte Lieferkette kritisch ansehen würden, wären einige Entscheidungen sicherlich anders gefällt worden.

Ich mit meinem Unternehmen kaufe und fertige mit wenigen Ausnahmen in Europa und stütze damit unsere europäische Industrie. Damit gebe ich Menschenrechten und Ökologie die Bedeutung, die sie verdienen und den nach uns folgenden Generationen eine Perspektive. Dieses Engagement muss sich auch bei Beschaffungen widerspiegeln und in die Bewertungen eingehen.

Die Fragen stellte Waldemar Geiger