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Als im März 2014 die Russische Föderation das Völkerrecht bricht und die Halbinsel Krim annektiert, markiert dies einen spürbaren Klimasturz in den Beziehungen des Westens zu Russland. Für die Europäische Union, das Verteidigungsbündnis NATO und damit auch für die deutschen Streitkräfte, stellt dieses Ereignis eine wesentliche sicherheitspolitische Zäsur dar.

Sie bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Auftrag der Bundeswehr: Die Teilstreitkräfte sollen nun wieder die Landes- und Bündnisverteidigung in den Mittelpunkt gleichberechtigt neben die Auslandseinsätze stellen. Was damit gemeint ist, skizziert Generalleutnant Erhard Bühler als damaliger Leiter der Planungsabteilung im Bundesministerium der Verteidigung bereits im Jahre 2017: Cyber, hybride Kriegführung, schnelle Schwerpunktverlagerung mobiler Kräfte und Unterstützungsleistungen für Alliierte müssen als neue Charaktereigenschaften der heutigen Landes- und Bündnisverteidigung adressiert werden.“ Auch die NATO richtet sich mit den drei Schlagworten „Speed, Strength, Flexibility“ genau auf schnelle Schwerpunktverlagerungen von beweglichen Kräften aus. Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg etwa antwortet im September 2019 auf die Frage, was im Hinblick auf die Bündnisverteidigung nun zu tun sei: „We need to move forces quickly throughout Europe, when needed.“

Zeitsprung: Einen Monat nach der Krim-Annexion stellt die Deutsche Marine am 1. April 2014 ihr mittlerweile drittes Seebataillon nach 1955 in Eckernförde neu auf. Dieser inzwischen auf fast 1.200 Soldaten angewachsene Verband wird gerade auch wegen seiner vielfältigen Fähigkeiten als das Multitool der Bundeswehr bezeichnet. Der Kernauftrag und die Struktur des Verbandes sind heute jedoch noch auf die Zeit vor der Annexion der Krim 2014 ausgerichtet. „Wir schauen sehr zufrieden auf die Ergebnisse der ersten fünf Jahre zurück, sind uns aber auch bewusst, dass noch sehr viel zu tun bleibt, gerade mit Blick auf die Anpassung unseres Kernauftrages an die aktuellen Herausforderungen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung“, sagt Fregattenkapitän Norman Bronsch. Er ist seit dem 26. September nun schon der dritte Kommandeur des Seebataillons. Was sollte aber konkret am Auftrag des Seebataillons geändert werden, um den oben angeführten neuen Herausforderungen an die Bundeswehr und die NATO künftig gerechter zu werden?

Der vorliegende Namensartikel soll aufzeigen, dass hierzu amphibische Fähigkeiten und Kräfte notwendig und von besonderer sicherheitspolitischer Relevanz sind. Er soll ferner verdeutlichen, wie ein künftiger Kernauftrag und eine Struktur der Marine-
infanteristen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung aussehen könnte, und welches Material dazu erforderlich ist.

Unterwegs mit dem Speedboot (Fotos: Bundeswehr)

Derzeitiger Auftrag: Ausrichtung auf alte Krisenszenarien vor 2014

Der aktuelle Auftrag lässt sich aus dem Konzept Seebataillon vom 14. Januar 2014 sowie der Organisationsweisung vom 7. Februar 2017 ableiten. Als Hauptaufgaben sind dem Bataillon dabei die Schwerpunkte Objektschutz Land und See, Boarding, Schutz ziviler Schiffe, Informationsgewinnung durch Feldnachrichtenkräfte und Drohnen, ABC-Abwehr sowie Kampfmittelabwehr zugewiesen. Hinzu kommt eine Vielzahl von Nebenaufgaben. Neben der dauerhaften Gestellung von Personal und Material für Einsätze erfüllt das Seebataillon heute schon beständig Aufgaben im Rahmen einer nationalen Krisenvorsorge. So etwa das Bereithalten von Kräften für militärische Evakuierungsoperationen von Zivilisten oder Personnel Recovery von Soldaten im maritimen Umfeld. Zukünftig werden mit der Indienststellung der Fregatte 125 die Aufgaben des Seebataillons nochmals erweitert. Kräfte des Bataillons sollen dort als infanteristische Komponente eingeschifft werden, auch und gerade um Wirkung an Land zu erzielen.

Aktuell ist festzustellen, dass die Marine mit der jetzigen Beschaffenheit des Seebataillons zwar sehr schnell schlagkräftige Einsatzteams aus den fünf sehr diversen und hoch spezialisierten Einsatzkompanien für maßgeschneiderte Kriseneinsätze zusammenstellen kann. Diese gehen aber nicht über die Stärke von Kleingruppen bis hin zu einem Zug hinaus (ca. 40 Seesoldaten). Die derzeitige Struktur des Seebataillons mit im Kern zwei seegehenden Bordeinsatzkompanien und nur einer infanteristischen Küsteneinsatzkompanie ist darauf ausgerichtet, die aktuellen Hauptaufgaben des Bataillons abzudecken. Das bedeutet: Der Auftrag des Seebataillons fokussiert sich auch fünf Jahre nach der Krim-Annexion vorwiegend auf die Aufgaben „Konfliktverhütung und Krisenbewältigung“ in einem asymmetrischen Umfeld. Die Struktur des Verbandes ist dabei vor allem auf Blue Water- bzw. maritime Embargooperationen ausgerichtet. Nur die Küsteneinsatzkompanie ist darauf spezialisiert, infanteristisch an der Küste zu kämpfen.

Durch den Bedeutungszuwachs der Landes- und Bündnisverteidigung ist heute jedoch gerade der Einsatz von größeren Truppenverbänden essenziell. Die Durchhaltefähigkeit, Mobilität und Wirkung im größeren Systemverbund muss folgerichtig wieder zum verbindlichen Standard für alle Einsätze des Seebataillons werden. Dies sollte sich auch in der Grundstruktur des Verbandes wiederfinden. Damit würde die Deutsche Marine auch dem internationalen Trend der letzten beiden Dekaden hin zu umfangreicheren amphibischen Fähigkeiten folgen und zugleich eine wesentliche Fähigkeitslücke im Vergleich zu den Marinen anderer europäischer Länder schließen, erklärt auch Dr. Jeremy Stöhs. Der maritime Analyst vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel hat in seiner Promotion die Entwicklung europäischer Seestreitkräfte nach 1990 verglichen.

Zusammenarbeit mit den Mariniers – Anlandung von Soldaten des Seebataillons mit niederländischen Landungsbooten

Organisatorische Ausrichtung auf Amphibik

Operation „Southern Cross“ in Somalia 1994, Operation „Pegasus“ vor Libyen im Jahr 2011 und zuletzt die abgesagte Operation „Albatros“ im April 2015 zu Beginn des Bürgerkrieges im Jemen: Die jüngere Geschichte gibt zahlreiche Beispiele für nationale Evakuierungsoperationen. Diese Einsätze fanden zwar bereits seit 2002 Eingang in die konzeptionellen Grundlagenpapiere der Deutschen Marine, Konsequenzen für die Ausrüstung der Streitkräfte hatten sie bis dato jedoch keine. Zwar erfolgte vor diesem Hintergrund eine Integration des Seebataillons in das niederländische Korps Mariniers im Februar 2016, gleichwohl hat sich dies bis heute noch in keiner Weise auf das offizielle Aufgabenportfolio der deutschen Marineinfanteristen niedergeschlagen.

Das Seebataillon wird 2014 in Eckernförde aber gerade auch schon mit einem amphibischen Teilauftrag aufgestellt. Der Auftrag lautet u.a. Durchführen weltweiter Evakuierungs- und auch amphibischer Operationen. Verborgen ist dies hinter den Begriffen „gesicherte militärische Seeverlegefähigkeit“, „Transport von Einsatzkräften“, „militärische Evakuierungsoperationen“ und „bewaffnete Rückführung“.

Dem Kommandeur Seebataillon steht dazu seit dem 7. Februar 2017 sogar schon eine eigene Führungszelle, die „Gruppe Amphibischer Einsatz“, zur Verfügung. Diese Stabsgruppe ist verantwortlich für die „Koordination aller Einsatzkräfte im Rahmen der amphibischen Einsatzvorbereitung, Bereitstellung und Einsatznachbereitung“. Das amphibische Stabselement wurde bereits bei diversen Übungen und Einsätzen auf niederländischen Docklandungsschiffen eingesetzt, unter anderem bei der Katastrophenhilfe auf den Bahamas im zurückliegenden Sommer. Ein Manko: Es fehlen in der Marine immer noch die grundlegendsten amphibischen Wirkmittel wie Landungs- oder Kampfboote, um etwa dem Szenario einer maritimen Evakuierung angemessen begegnen zu können. Für Übungen kann das Seebataillon zwar auf das über 50 Jahre alte Landungsboot „Lachs“ zugreifen. Für den scharfen Einsatz, etwa zur Abholung deutscher Staatsbürger aus einer Krisenregion, ist es jedoch untauglich.

Darüber hinaus verfügt der Verband seit seiner Aufstellung auch über eine Gruppe „Weiterentwicklung“. Darin enthalten ist das Strukturelement „Kompetenzgruppe Amphibik“. Dieses Kompetenzteam hat unter anderem den Auftrag, in Zusammenarbeit mit dem Kieler NATO Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters die Organisationsgrundlagen auf taktischer Ebene für den Bereich Amphibik bzw. für amphibische Operationen zu erarbeiten. Diese Kooperation ermöglicht der Deutschen Marine, ihre Erkenntnisse und Fähigkeiten mit Verbündeten und Partnern in der Ostsee und darüber hinaus zu teilen, neue Synergien zu schaffen und die Zusammenarbeit zu vertiefen.

Konzeptionelle Forderung nach amphibischen Fähigkeiten

Szenenwechsel: Als der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, am 17. Juli 2018 das Seebataillon in Eckernförde besucht, stellt er fest: „Bei den Marineinfanteristen habe ich viele Parallelen zu meiner Zeit als Kommandeur bei den Fallschirmjägern gesehen. Neu und beeindruckend ist die amphibische Komponente. Die gilt es zu erhalten und auszubauen.“ Diese Weisung des höchsten deutschen Militärs wird durch die Konzeption der Bundeswehr vom 20. Juli 2018, den Fähigkeitsforderungen der Bundeswehr und dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr vom 30. September 2018 untermauert.

In der Konzeption heißt es: „(…) Darüber hinaus werden perspektivisch Beiträge zur NATO-Raketenabwehr und zur Wirkung von See an Land, z.B. durch Spezialkräfte und begrenzte amphibische Operationen die Fähigkeiten der Seestreitkräfte bestimmen. (…)“ In den Fähigkeitsforderungen wird darauf basierend die Forderung gestellt: „Die Sicherung des seeseitigen Zugangs in allen Dimensionen bei gleichzeitiger asymmetrischer Bedrohung im Einsatzraum muss jederzeit gewährleistet sein. Hierzu ist das Anlanden von Einsatzkräften auch ohne Nutzung vorhandener Häfen sicherzustellen.“ Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr beschreibt ebenfalls die Ausgestaltung der Amphibik. Das Dokument ist jedoch eingestuft, sodass an dieser Stelle nicht daraus zitiert werden kann.

In den schwedischen Schären werden deutsche Marineinfanteristen von einem finnischen Kampfboot vom Typ Watercat M18 AMC angelandet

Mit der Zeichnung des Letter of Intent zwischen den Niederlanden und Deutschland vom 4. Februar 2016 wird dem Seebataillon im Rahmen der Kooperation mit dem niederländischen Korps Mariniers zusätzlich die zentrale Rolle beim Aufbau amphibischer Fähigkeiten zugewiesen. Es heißt darin: „The German forces intend to develop a secure military sealift and amphibious capability and regard the Royal Netherlands Navy as the prime partner for this development.“ Danach sollen beide Marinen gemeinsam Teilhaber der European Amphibious Initiative werden. Für Ende 2019 ist das Erreichen der Full Operational Capability und folglich eine dauerhafte deutsche Beteiligung ab 2020 an der Amphibious Task Group (ATG) als Teil der maritimen NATO Response Force vorgesehen.

Exkurs: Erste „amphibische“ Bewährungsprobe auf den Bahamas

In der NATO werden fünf amphibische Operationsarten unterschieden: Überfall, Angriff, Abzug, Machtdemonstration/Ablenkung und die Unterstützung von anderen Operationen, zum Beispiel humanitäre Hilfe oder die Evakuierung von Zivilisten aus Krisengebieten.

Welche herausragende Relevanz die Aufgabe Amphibik für unseren NATO-Partner USA hat, wird an folgender Statistik deutlich: Nach Angaben des U.S. Marine Corps führten die Seestreitkräfte der Vereinigten Staaten zwischen den Jahren 1990 und 2010 allein 1.000 amphibische Operationen durch. Das Spektrum reichte dabei von Übungen bis hin zu Kampfeinsätzen. Ein überwiegender Anteil der Einsätze bestand jedoch gerade aus humanitären Einsätzen und der Katastrophenhilfe. Diese Einsätze werden zunehmen. Denn die Prognose lautet: Als Folge der globalen Erderwärmung werden tropische Stürme, Hurrikane und Tsunamis in Zukunft noch weiter zunehmen. Auf welches Weltmeer man auch blickt, Hurrikane sind in den letzten Jahrzehnten tendenziell stärker geworden und Megastürme der Kategorien 4 und 5 werden immer häufiger. Ein solches Großkaliber hatte auch der Hurrikan Dorian, der Anfang September 2019 auf die Bahamas traf und eine Schneise der Verwüstung hinterließ, die zahlreichen Menschen im Karibikstaat das Leben kostete und rund 13.000 Häuser zerstörte. Am 12. September begannen daher auch deutsche und niederländische Marineinfanteristen, ihren gemeinsamen Hilfseinsatz im Katastrophengebiet der Bahamas. Ursprünglich waren die Soldaten des Seebataillons für das Manöver „Caribbean Archer“ auf das niederländische Docklandungsschiff „Johan de Witt“ eingeschifft worden. Dieses Manöver sollte die 70 Seesoldaten und niederländische Marineinfanteristen ursprünglich auf ihre gemeinsamen Aufgaben in der bereits erwähnten Amphibious Task Group 2020 vorbereiten. Aufgrund der Entscheidung der Regierung der Niederlande und der Bundesregierung wurde angesichts der Notlage auf den Bahamas aus der Übung ein tatsächlicher Einsatz. 50 Deutsche unterstützten vor allem bei Aufräumarbeiten im Hafen von Marsh Harbour, Great Abaco und mit ihren Flugdrohnen bei der Lagefeststellung auf den umliegenden kleineren Inseln. Sanitäter des Seebataillons halfen in örtlichen Krankenhäusern, und Minentaucher erkundeten gefährliche Unterwasserhindernisse.

Dies zeigt beispielhaft die Wirksamkeit von amphibischen Kräften, die auf See vorausstationiert werden können und jederzeit kurzfristig für neue Aufgaben bereit sind, auch im Rahmen der Katastrophenhilfe. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Klaus Naumann, war gerade aus diesem Grund einer der herausragendsten Befürworter von schnell verlegbaren amphibischen Kräften. Er betonte schon in den 1990er Jahren ihren strategischen Wert: „Wenn man sich die potenziellen Krisenherde dieser Welt angesehen hat, dann kam man sehr schnell zu dem Schluss, dass etwa 70 Prozent und mehr in einer Entfernung von weniger als 200 Kilometern von einer Küste entfernt sind. Das heißt, wenn man eine verlegefähige Plattform hat, die über hohe See schnell Einsatzkräfte in das Krisengebiet bringen kann, dann schafft man sich große strategische Flexibilität.“

Schlussfolgerungen

 Amphibik als Kernauftrag

Die konzeptionellen Hauptaufgaben des Seebataillons sind heute, in Zeiten von Landes- und Bündnisverteidigung, immer noch auf die veralteten Einsatzverpflichtungen im Zusammenhang mit dem internationalen Krisenmanagement in der Zeit vor 2014 ausgerichtet. Die bereits jetzt gängige Praxis des amphibischen Trainings von Kräften des Seebataillons im Zuge der Integration des Verbandes in das Korps Mariniers (Marineinfanteriebrigade) sowie die nationalen konzeptionellen Amphibik-Vorgaben aus den dargestellten Grundlagendokumenten machen eine klarere Aufgabenzuweisung in diesem Bereich notwendig. Vorerst sollte dabei aber nur das Seebataillon im Schwerpunkt als Träger des amphibischen Fähigkeitsaufbaus betrachtet werden, da kein anderer infanteristischer Verband innerhalb der Bundeswehr derzeit über das erforderliche maritime Wissen und über eine derartige amphibische Ausbildung verfügt. Das Seebataillon ist bereits heute in seiner Vorausbildung Teil der niederländisch geführten ATG, die im Jahr 2020 als NATO Response Force 2020 für den Nordflankenraum der NATO vorgesehen ist. Das heißt, auch durch diese Teilhabe des Verbandes an der ATG wird die Notwendigkeit des zukünftigen Schwerpunktauftrages des Seebataillons klar ersichtlich. Weiterhin sollte der bestehende Dauerauftrag des Seebataillons zur Gestellung von Kräften für die militärischen und zivilen Evakuierungsoperationen im maritimen Umfeld als Ergänzung des Hauptauftrages in der Organisationsweisung des Seebataillons aufgeführt werden. Diese Dauereinsatzaufgabe ist schon jetzt für die Marineinfanteristen strukturbestimmend, ein Zug der Küsteneinsatzkompanie steht permanent in Rufbereitschaft.

Die jetzige und künftig noch umfangreichere amphibische Aufgabenübertragung erfordert es, den Kernauftrag des Seebataillons zu konkretisieren bzw. mit Blick auf die Amphibik neu zu definieren und den Kernauftrag und die Struktur des Verbandes neu auszurichten. Ein breiterer infanteristischer und zugleich amphibischer Kernauftrag ließe es zu, die gegenwärtigen und neuen Aufgaben und Einsatzverpflichtungen hinreichend abzudecken. Da auch das Korps Mariniers eine ähnliche Systematik verfolgt, wäre auch eine operative Integration besser umzusetzen. Ein neugefasster Kernauftrag könnte dabei zum Beispiel wie folgt lauten: „Das Seebataillon beteiligt sich an amphibischen Operationen im Rahmen eines multinationalen Gefechts-/Einsatzverbandes in allen Intensitäten sowie taktischen Aktivitäten mit Kräften der Marineinfanterie und Kampfunterstützung. Das Seebataillon stellt Kräfte für militärische Evakuierungsoperationen und Kräfte zur Unterstützung von Personnel Recovery-Operationen im maritimen Umfeld.“

Stringenter Kernauftrag mit homogenerer Struktur

Aufgrund der derzeitigen Aufgabenvielfalt und Spezialisierung der unterschiedlichen Kompanien innerhalb des Seebataillons bedarf es derzeit einer sehr heterogenen Ausbildung und Ausrüstung des Verbandes. Die Ausbildungsgestaltung, die Zahl der Beschaffungsvorgänge sowie die komplexe materielle Bewirtschaftung bringen das Bataillon mit seiner derzeitigen Struktur an seine Grenzen. Ein einheitliches, taktisches und fachliches Führen als Gesamtverband durch den Kommandeur, wie bei der Landesverteidigung notwendig, ist durch die Komplexität und Diversität der Truppe (Stichwort Gemischtwarenladen) kaum noch realisierbar. Eine angemessene Dienstaufsicht und ein „Führen von vorne“ im verbundenen Kampf sind unter diesen Bedingungen kaum noch realisierbar. Die Komplexität führt dazu, dass die Organisation zu unübersichtlich wird und der Kommandeur schlicht den Überblick verliert. Nach dem Motto: „groß, größer, zu groß“ sind die derzeitigen fast 1.200 Soldaten schon allein administrativ schwer zu „verwalten“. Auch dies ist ein Argument dafür, dass das Bataillon nicht nur einen stringenteren Kernauftrag für die Landes- und Bündnisverteidigung erhält, sondern dazu auch eine homogenere und einheitlichere Verbandsstruktur. Dies kann zum Beispiel durch eine Vereinheitlichung der Ausbildung der Marineinfanteriekompanien mit Grundausrichtung auf die infanteristische Befähigung erreicht werden. Dabei wird der derzeitige Auftrag nicht vernachlässigt, denn professionell ausgebildete Marineinfanteristen beherrschen die Verteidigung und den Objektschutz gleichsam und können dabei auch Boarding- und Embargooperationen durchführen.

Ein schwedisches Combat Boat 90, ideal zum Einsatz bei küstennahen Operationen

Ausblick: Materielle Ausstattung mit amphibischen Wirkmitteln

Im sicherheitspolitischen Blog augengeradeaus.net von Thomas Wiegold schreibt am 9. September 2019 der User Jas in einem Beitrag zur humanitären Hilfe des Seebataillons auf den Bahamas etwas überspitzt: „Ich finde es ja schon amüsant, dass das Heer die Marine überzeugen konnte, sich eine eigene „Infanterie“-Kompanie zu halten, um auf kleiner Flamme mal Dinge für das Heer zu testen, aber so langsam muss man sich mal entscheiden: ganz oder gar nicht.“ Zu „ganz“ gehört sicherlich vor allem die baldige materielle Ausstattung des Seebataillons, etwa mit amphibischen Booten. Diese waren bereits 2009 von der Vorgängerorganisation Marineschutzkräfte konzeptionell begründet und gefordert worden; allerdings mehr aus der Perspektive des Hafenschutzes (Objektschutz von See aus). Eine „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung“ (FFF) wurde bereits vor einer Dekade gestellt. Zwar lautet das Motto des Seebataillons heute „Vom Land zum Meer – Vom Meer zum Land“. Nach wie vor fehlen dem Bataillon jedoch Kampfboote als amphibische Wirkmittel für Operationen von See her. Der Force Protection-Auftrag ist heute immer noch aktuell, allerdings könnten die Boote ebenfalls im Bereich der Amphibik zielführend eingesetzt werden. So sind Kampfboote, etwa das finnische Watercat M18 AMC oder das schwedische Combat Boat 90, z.B. bei Eskortoperationen im küstennahen Umfeld und bei Landungsoperationen sehr wirksam. Auch ein Einsatz auf niederländischen Docklandungsschiffen ist gut vorstellbar. So können Kampfboote auf der „HMNLS Rotterdam“ oder der „HMNLS Johan de Witt“, welche vorrangig für amphibische Operationen vorgesehen sind, mitgeführt und eingesetzt werden. Im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnten Kampfboote zudem in eine bestehende schwedisch-finnische amphibische Task Group eingebracht werden. Für den Kampf im Flachwasserbereich und in engen Gewässern im Baltikum oder in Skandinavien sind amphibische Kräfte mit kleinen, schnellen Kampfbooten unabdingbar.

Die Boote entsprechen darüber hinaus uneingeschränkt der von der NATO und der Bundeswehr geforderten Mobilität, Stärke und Flexibilität. Mit ihnen könnten schnell eigene Truppenkontingente und damit operative Schwerpunkte in der Ostsee verlagert werden. Gezielte „Raids“ könnten potenziell feindliche Handlungen Moskaus in der Region aktiv behindern, insbesondere in einem Umfeld, in dem die russischen Streitkräfte den Zugang von großen Kampfschiffen womöglich wirksam unterbinden können (Stichwort Anti-Access/Area Denial). Gestützt wird diese Entwicklung auch von Major General Charlie Stickland, Commandant General der britischen Royal Marines, der die amphibische Zukunft in mobilen, flexiblen und schlagkräftigen kleineren Kommandoeinheiten sieht. Für diese solle ein neues, schnelles Landungsfahrzeug beschafft werden, das sowohl die Schlagkraft und Reichweite verbessern würde, sagte er „Jane’s Navy International“ im Juli 2019.

Vor diesem Hintergrund plant auch die Deutsche Marine in naher Zukunft, ca. fünfzehn Kampfboote für die Marine zu beschaffen. Eine entsprechende FFF wurde erneut gestellt und der Beschaffungsvorgang „… sei angelaufen!“, heißt es aus dem Planungsamt der Bundeswehr in Berlin. Nun müsse aber noch die sogenannte Analysenphase II abgeschlossen und die entsprechende Forderung unterschrieben werden, bevor dann letztlich das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in die Beschaffung einsteigen kann (Kauflösung oder Eigenentwicklung). Doch dort herrscht bekanntlich akuter Personalmangel und einen Verantwortlichen für den Bereich Boote gäbe es derzeit nicht, munkelt man in der Truppe. Aber auch diese Hindernisse müssen und können überwunden werden, denn nicht umsonst heißt der Leitspruch der Gruppe Weiterentwicklung des Seebataillons: „Tempora mutantur, et nos mutamur in illis“, was so viel heißt wie: „Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen!“

Autor: Fregattenkapitän Arne Krüger hat 2014 das Seebataillon als erster Kommandeur aufgestellt. Derzeit arbeitet er am Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters in Kiel. Der Artikel gibt seine persönliche Meinung wieder.