Print Friendly, PDF & Email

ES&T: Sie wurden im Oktober letzten Jahres zum Country Director von Lockheed Martin (LMCO) für Deutschland bestellt. Was ist Ihr beruflicher Hintergrund, welche Ziele haben Sie sich gesetzt, und was erwartet Ihr Unternehmen von Ihnen?

Walford: Ich freue mich sehr über diese Aufgabe, denn dadurch erfüllt sich mein Wunsch, weiterhin in dem Land zu leben und zu arbeiten, in dem ich aufgewachsen bin. Schon als Kind, das in Kaiserslautern in der Nähe des Flugplatzes Ramstein groß geworden ist, habe ich davon geträumt, Pilot zu werden. Ich hatte dann das große Glück während meiner 27-jährigen Pilotenkarriere bei der US Air Force mehrere Flugzeugmuster zu fliegen, darunter auch großartige Flugzeuge von Lockheed Martin wie die F-16 und die C-130. Nach Verwendungen in Ramstein, Stuttgart, Rom und Brüssel und mehreren Einsätzen im Irak und Afghanistan beendete ich meine Luftwaffenkarriere als Air Attaché an der US-Botschaft in Berlin. Diese wertvollen Erfahrungen als Pilot, Diplomat und Berufssoldat erlauben mir jetzt verschiedene Perspektiven bei der Diskussion von Verteidigungsfragen mit der deutschen Politik, dem Militär und unseren Industriepartnern einzunehmen und einen strategischen wie lösungsorientierten Blick auf die Herausforderungen unserer Kunden zu richten.

Als Country Director von Lockheed Martin ist es meine Aufgabe, nahtlos mit dem deutschen Kunden zusammenzuarbeiten, um die Bundeswehr bei der Erfüllung nationaler und kollektiver Sicherheitsaufgaben zu unterstützen. Ich sehe meine Rolle daher als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden. Vor dem Hintergrund meines beruflichen und persönlichen deutsch-amerikanischen Werdegangs möchte ich zu einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit beitragen.

ES&T: Welche Referenzen hat LMCO bei der Bundeswehr, und was sind Ihre aktuellen Schwerpunktprogramme und Perspektiven?

Walford: Lockheed Martin/Sikorsky unterstützt die Bundeswehr seit fast 50 Jahren mit der CH-53G-Hubschrauberflotte. Heute sind wir stolz darauf, mit unseren C-130J zur gemeinsamen deutsch-französischen Lufttransportstaffel in Evreux beizutragen und mit der CH-53K King Stallion für Deutschlands nächsten schweren Hubschrauber (STH) und mit dem Taktischen Luftverteidigungssystem (TLVS) für Deutschlands nächstes Luftverteidigungssystem Lösungen anbieten zu können.

Unter der Führung von Rheinmetall beteiligen sich Autoflug, Collins Aerospace, HENSOLDT, HYDRO Systems, MTU Aero Engines, Rohde & Schwarz, Vincorion und ZFL am deutschen CH-53K-Team (Grafik: Archiv ES&T)

Unser Schwerpunkt liegt derzeit also auf STH und TLVS, die beide Gegenstand enger Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie sind. Das sorgt für beträchtliche Arbeitsanteile und Technologietransfer hier im Land, drückt aber auch das Verständnis unseres Unternehmens von transatlantischer Kooperation aus.

ES&T: STH ist eines von vier Leuchtturmprojekten, die vom deutschen Verteidigungsministerium als entscheidend für die Fähigkeitsentwicklung der Bundeswehr identifiziert wurden. Die Angebote für STH mussten im Januar abgegeben werden. Wie beurteilen Sie die Position von LMCO/Sikorsky in diesem Wettbewerb?

Walford: Wir sind stolz darauf, am STH-Wettbewerb teilzunehmen und haben dem BAAINBw im Januar 2020 gemeinsam mit unserem deutschen Industrieteam ein Angebot als Grundlage für eine sogenannte Best and Final Offer übergeben.

Das STH-Projekt wird die Basis für den Ersatz der aktuellen CH-53G-Flotte darstellen und die Fähigkeiten der deutschen Luftwaffe in allen Bereichen gezielt erweitern: taktische Lufttransporte von Truppen und Fracht, Sanitätstransporte, Personenrettung, Such- und Rettungsdienst, Spezialeinsätze, militärische Evakuierungseinsätze sowie Einsätze zur Unterstützung von Operationen von Marineeinheiten.

Wir sehen uns in einer guten Position, da die CH-53K mit Blick auf Lebenszykluskosten sowie Missionsanforderungen und -fähigkeiten den deutlich besseren Langzeitwert im Vergleich zu anderen Transporthubschraubern bietet. Die Avionik und das digitalisierte Flugsteuerungssystem bieten Aufwuchspotenzial für die Integration weiterer Systeme über Jahrzehnte und die Nutzlastfähigkeit kann mit relativ einfachen Modifikationen erheblich gesteigert werden. Ein integriertes Sensor- und Diagnosesystem senkt den Wartungsaufwand und damit Kosten, während die Verfügbarkeit der gesamten Flotte steigt.

Der 13. Januar 2020 war der Abgabetermin für die Angebote im Rahmen des Vorhabens Schwerer Transporthubschrauber der Bundeswehr. Im Falle einer erfolgreichen Bewerbung wollen Sikorsky und Rheinmetall am Flughafen Leipzig/Halle ein Logistikzentrum sowie ein Flottenunterstützungszentrum für die CH-53K einrichten (Foto: USMC)

ES&T: Wie ist der Stand des CH-53K-Programms für das US Marine Corps (USMC), und gibt es Fortschritte im Hinblick auf ein Engagement Israels?

Walford: Das US Marine Corps plant die sogenannte Initial Operational Capability der CH-53K-Einheit für 2023/24. Alle Aktivitäten im Bereich der Serienproduktion, der Ausbildung, der Logistik, der Tests und der Evaluierung sind derzeit auf Kurs, um diesen Meilenstein zu erreichen. Als Referenzprogramm ist das Vorhaben des USMC derzeit auf 200 schwere CH-53K-Luftfahrzeuge ausgelegt und wird die aktuelle CH-53E-Flotte vollständig ersetzen.

Im Oktober letzten Jahres waren Delegationen der israelischen und deutschen Luftwaffe zum CH-53K-Flugtest/Demonstration in den USA. Auch die israelische Luftwaffe will in naher Zukunft ihre Flotte von älteren CH-53-Hubschraubern ersetzen.

ES&T: Ihr STH-Team umfasst zahlreiche „gute Namen“ aus der deutschen wehrtechnischen Industrie. Welchen Prozentsatz an Arbeitsanteilen kann die deutsche Industrie erwarten, wenn die CH-53K das Rennen macht? Wird es Technologietransfer geben?

Walford: Unsere mehr als zehn deutschen Industriepartner verfügen über hervorragende technologische Expertise und haben sich in zahlreichen Projekten mit der Bundeswehr bewährt. Gemeinsam mit unserem Hauptpartner Rheinmetall planen wir im Erfolgsfall am Flughafen Leipzig ein Logistikzentrum für die gesamte STH-Flotte einzurichten. Darüber hinaus stellt Autoflug die Kabinenausstattung und HYDRO die notwendige Bodendienstausrüstung bereit, während die MTU bereits direkt am T408-Triebwerksprogramm für das USMC beteiligt ist und auf dieser Rolle bei der STH-Flotte aufbauen wird.

Ein Großteil der Wartung, Reparatur und Logistik des Hubschraubers würde in Deutschland stattfinden. Allein dadurch könnten zahlreiche Hightecharbeitsplätze entstehen. Ähnlich wie beim CH-53G-Programm in den 1970er Jahren werden unsere deutschen Industriekollegen diesen Technologietransfer noch über Jahrzehnte hinweg ausbauen können. Als moderne Plattform bietet die CH-53K mit ihrem Wachstumspotenzial die ideale Basis für die weitere Integration spezifischer deutscher Technologie und Missionsausrüstung.

ES&T: Gibt es weitere Programme, in deren Rahmen Sie Unteraufträge an die deutsche Industrie vergeben haben? Wie würden Sie Ihre Beziehung zur deutschen Industrie beschreiben, und kann die deutsche Industrie als LMCO-Partner neue Marktperspektiven für sich erwarten?

Walford: Wir schauen konstant nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie – innerhalb und außerhalb des deutschen Marktes. Ich würde sagen, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir arbeiten bereits bei zahlreichen Projekten außerhalb des deutschen Marktes mit der deutschen Industrie zusammen. So ist Rohde & Schwarz beispielsweise unser Preferred Supplier bei Funksystemlösungen unserer neuesten F-16 Block 70 Variante, und wie bereits erwähnt, leistet die MTU beim Triebwerksprogramm T408 der CH-53K des US Marine Corps bereits einen unverzichtbaren Beitrag.

ES&T: TLVS ist ein weiteres Leuchtturmprojekt, bei dem Ihr gemeinsames Angebot mit MBDA auf dem früheren MEADS-Entwicklungsprogramm basiert. Was werden die wichtigsten Fortschritte/Änderungen sein, wenn man TLVS mit dem letzten MEADS-Entwicklungsstand vergleicht?

Beim Vorhaben TLVS kooperiert Lockheed Martin mit MBDA Deutschland als Partner in dem Bieterkonsortium TLVS GmbH (Foto: TLVS GmbH)

Walford: Als integriertes Luft- und Raketenabwehrsystem, das mobil ist, volle 360-Grad-Fähigkeit bietet und auf einer offenen, netzwerkzentrierten Architektur basiert, ist nur TLVS für aktuelle und zukünftige Bedrohungen ausgelegt.

Die offene Netzwerkarchitektur des TLVS-Systems ermöglicht die Interoperabilität mit Koalitionsstreitkräften, regionalen NATO-Verbündeten und die Einbindung von einheimischen Radargeräten, Startgeräten und zukünftigen Verteidigungssystemen anderer Länder. Diese einzigartige Fähigkeit dient als Streitkräfte-Multiplikator, indem sie die kollektiven Fähigkeiten der NATO-Luft- und Raketenabwehr erhöht.

ES&T: Welche Bedeutung hat die Bundeswehr unter den Exportmärkten der LMCO im Vergleich zu anderen Exportkunden?

Walford: Angesichts der Relevanz Deutschlands innerhalb der NATO als Rahmennation und seiner führenden Rolle in Europa kommt der Bundeswehr eine besondere Bedeutung zu. Deutschland plant die Modernisierung und den Ausbau der Fähigkeiten seiner Streitkräfte und wir sind unserer langen Tradition verpflichtet, die Sicherheitsbedürfnisse des Landes zu unterstützen. Dazu gehört natürlich auch die Fortsetzung und Vertiefung unserer Partnerschaften mit der deutschen Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie.

Die Fragen stellte Jürgen Hensel.