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Sieben Monate nach Einnahme der anfänglichen Betriebsfähigkeit (IOC) wurde am 31. Dezember 2019 die volle Betriebsbereitschaft (FOC – Full Operational Capability) der Zweiten Flotte der US Navy erklärt. Sie wurde im Mai vergangenen Jahres als „schlankere, agilere und expeditionellere“ Flotte reaktiviert, nachdem sie 2011 außer Dienst ging, mit dem Fokus die Operationen im Nordatlantik und in der Arktis besser bedienen bzw. unterstützen zu können.

Keine ‚fleet in being‘

Mit Hauptsitz in Norfolk, Virginia, übt die Zweite Flotte operative und administrative Befugnisse über zugewiesene Schiffe, Flugzeuge und Landungskräfte an der Ostküste und im Nordatlantik aus. Dabei handelt es sich nicht um eine stehende Streitkraft (wie es mit über einhundert Einheiten früher der Fall war). Marine-Einheiten und Flugzeuge, die an der Ostküste der Vereinigten Staaten stationiert sind, werden lage- und auftragsgemäß unterstellt. Zu den Aufgaben gehören die Planung und Führung von maritimen und teilstreitkraftübergreifenden Operationen (nationale wie auch mit internationaler Beteiligung) sowie einen Beitrag zur Zertifizierung von Seestreitkräften für ihren Einsatz und Operationen auf der ganzen Welt. Im Juni vergangenen Jahres leitete C2F die Übung „BALTOPS“ im Auftrag von US Naval Forces Europe (US NAVEUR). Es war seit seiner Aufstellung das erste Mal, dass das Kommando derart in Erscheinung trat.

Im September 2019 wurde in Keflavik, Island, ein Führungs- und Einsatzzentrum (Maritime Operations Center (MOC)), das sich aus ca. 30 Mitarbeitern der Zweiten Flotte zusammensetzt, eingerichtet. Ungefähr im gleichen Zeitraum erprobten drei Zerstörer der Arleigh Burke-Klasse unter der Führung der USS „Normandy“ (Ticonderoga-Klasse) einschließlich eines Einsatz-Hubschraubergeschwaders die Zusammenarbeit und die doktrinären Ansätze (SAG – Surface Action Group).

Anfang 2019 hat die US Navy ihren „Arctic Strategic Outlook“ veröffentlicht. Darin wird beschrieben, wie die USA ihre Präsenz in der Region verstärken wollten. Kritiker fanden das Dokument nicht umfassend genug, und bezweifelten, dass die US Navy wirklich daran interessiert sei, in der Arktis zu operieren, dort Bodentruppen zu unterstützen oder die Entwicklung eisfähiger Schiffe zur Gewährleistung einer Präsenz in der Arktis zu voranzutreiben. Über die Fähigkeit ‚Eisbrecher‘ verfügt bisher die US Küstenwache. Derweil soll das Naval Sea Systems Command (NAVSEA) Möglichkeiten untersuchen, wie Schiffe der US Navy unter leichteren Eisbedingungen eingesetzt werden können. Die Aufstellung der Zweiten Flotte steht auch unter dem Stern, die Arktis mehr in den Fokus zu nehmen.

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„In einem immer komplexer werdenden globalen Sicherheitsumfeld sind sich unsere Verbündeten und Wettbewerber bewusst, dass viele der aktivsten Schifffahrtsrouten der Welt im Nordatlantik liegen“, so Vizeadmiral Andrew „Woody“ Lewis, Kommandeur der Zweiten Flotte (C2F). „In Verbindung mit der Erschließung von Schifffahrtswegen in der Arktis wird dieser Wettbewerb in diesen Seegebieten noch größer. Mit unserem Engagement wollen wir einsatzfähige Streitkräfte liefern, die sicherstellen, dass unsere Nation in der Region präsent und kampfbereit ist, wenn und wann dies erforderlich ist.“

Arktis: zunehmende geopolitische Bedeutung

Umfangreiche militärische Übungen Russlands in den beanspruchten arktischen Gebieten werden zur Routine. Russland erweitert seine Eisbrecherflotte (ESuT berichtete vom Stapellauf der „Ivan Papanov“, einer neuen militärischen Eisbrechergattung), die es als Schlüssel zur Ausübung militärischen Einflusses in den arktischen Gewässern ansieht.

Klimawandel und der globale Temperaturanstieg eröffnen der Schifffahrt eine Reihe neuer Möglichkeiten, die sowohl Russland als auch China derzeit mit einer Reihe von Entwicklungsprojekten nutzen. Es gibt drei mögliche Routen durch die Arktis: die Nordostpassage, die der Küstenlinie Eurasiens folgt, die Nordwestpassage um Nordamerika und die zentrale Route (verläuft zwischen Spitzbergen und Grönland). Moskau  investiert nicht nur massiv in die Erschließung der Rohstoffe, sondern baut eine Reihe neuer Stützpunkte in nördlichen Küstensiedlungen und auf mehreren Inseln. China bieten die Arktisrouten eine kürzere und günstigere Alternative zu den derzeitigen Schifffahrtsrouten, die über den Indischen Ozean und den Suezkanal die wichtigsten Märkte in Europa erreichen. Entsprechend wurden sie in der Belt and Road Initiative (BRI) als „Polar Silk Road“, polare Seidenstraße, berücksichtigt. Doch beschränkt sich Pekings Interesse nicht nur auf den maritimen Transportweg. Der Rückgang des Eises macht es einfacher, auf die reichlich vorhandenen Öl- und Gasreserven der Arktis zuzugreifen, von denen Russland die meisten beansprucht. Am 2. Dezember 2019 wurde die Erdgasleitung „Power of Siberia“ vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping und seinem russischen Amtskollegen Vladimir Putin eingeweiht. Am russischen Yamal LNG-Projekt, bei dem es über die Erschließung des südlichen Tambey-Gasvorkommens auch um den Aufbau von Hafeninfrastruktur in Sabetta geht, ist China beteiligt. Darüber hinaus sorgten chinesische Investments in Grönland und Island in Brüssel wie Washington für Irritationen.

Hans Uwe Mergener