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Das nebenstehend beschriebene Szenario beleuchtet einige Facetten des Hyperwars, wie er zum Beispiel zurzeit im Allied Command Transformation, im Multi-Domain Battle und neuerdings auch von der Gruppe Innovationsmanagement im Amt für Heeresentwicklung diskutiert wird. Hyperwar kombiniert die klassische Gefechtsführung mit Cyber-Angriffen und Angriffen durch große Mengen (teil-)autonom gesteuerter Systeme. Dies verändert zwar die Struktur von Gefechten nicht grundsätzlich, führt aber zu einer gänzlich anderen Dynamik, da schneller und weiträumiger agiert werden kann und auch muss.

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A scenario from the (distant?) future

Eine Vielzahl unterschiedlichster (teil-)autonomer Systeme wird hochgradig vernetzt im Gefecht aktiv sein. Zumindest in der Erfüllung ihrer schmalen, aber dennoch klar definierten Aufgaben werden diese Systeme dem Menschen in vielerlei Hinsicht überlegen sein. Ein entsprechendes Energie- und Steuerungsmanagement vorausgesetzt, sind sie in der Lage, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ohne jegliche Ermüdung zu operieren. Sie kollaborieren intelligent und bekämpfen Ziele unter umfassender Berücksichtigung taktischer, logistischer und sanitätsdienstlicher Aspekte äußerst effektiv und treffsicher mit zuvor nicht gekannter Geschwindigkeit.

It is precisely this speed that significantly characterizes the Hyperwar. Decisions for which hours are sometimes available today in the course of the military leadership process - NATO speaks here of the OODA loop (Observe, Orient, Decide, Act) - must be made after minutes or even seconds in a hyperwar scenario . Swarms of (semi-)autonomously acting drones – NATO uses the term Unmanned Aerial Systems (UAS) here – attack in waves that follow each other in rapid succession, independently adapting their tactics to the respective situation, coordinating intelligently and leaving no one in their operations time leeway for human considerations. Squad leaders faced with such a situation in combat need to make immediate decisions, either intuitive or AI-assisted. Fight-at-machine-speed is the keyword with which this development can be aptly summarized.

In der Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele für den Einfluss disruptiver Militärtechnik und der darauffolgenden Unterlegenheit einzelner Konfliktparteien oder ganzer Nationen. Als Beispiele seien die starke Verbreitung von Waffen mit hoher Kadenz im Krimkrieg ab der Mitte des 19. Jahrhunderts oder die Ablösung der Kavallerie durch die Panzerwaffe Anfang des 20. Jahrhunderts genannt. Mit dem Hyperwar könnte die Welt heute wieder vor einer disruptiven Veränderung stehen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Bundeswehr in wenigen Jahren in ebensolchen Situationen agieren muss. Hierzu bedarf es notwendiger Vorbereitungen, die im Folgenden anhand von fünf Thesen näher betrachtet werden.

Five theses for how the Bundeswehr should deal with hyperwar

Thesis 1:If you want to be successful, you have to act at eye level

Militärische Auseinandersetzungen bestehen aus einer Abfolge von Duellsituationen, in denen sich ein oder mehrere Gegner einen Schlagabtausch liefern beziehungsweise den Gegner zwingen, dies nicht zu tun, da er unterlegen sein würde. Die moderne Gefechtsführung ist zudem ein zunehmend zeitkritischer Prozess. Wer ständig schneller ist als sein Gegner, wird das Gefecht beherrschen und letztendlich gewinnen. Dem Grundsatz folgend, wo immer möglich die Initiative an sich zu reißen, gilt es, dem Gegner – insbesondere in zeitlicher Hinsicht – voraus zu sein.

Hierzu muss die Bundeswehr sowohl über Abwehrmaßnahmen als auch über offensive Mittel verfügen, die einen Schlagabtausch mit Waffengleichheit ermöglichen. Derzeit sind zwei Bereiche erkennbar, in denen deutliche Veränderungen stattfinden werden.

(Graphics: Office for Army Development)

Neue Waffensysteme und Wirkmittel mit hoher Autonomie: Die aktuellen Entwicklungen im Bereich KI, Sensorik, IT und Robotik ermöglichen die zeitnahe Umsetzung von (teil-)autonomen Systemen, die in großer Anzahl ohne Unterbrechung extrem schnell reagieren und als Schwarm in Wellen Übersättigungsangriffe durchführen können. Sie agieren als mobile, verlegefähige Sperren oder ermöglichen eine großräumige permanente Aufklärung. Die Systeme können zudem mit hoher Geschwindigkeit, zum Beispiel mittels Lenkflugkörpern, ausgebracht und schnell sowie automatisch verlegt werden. Hierdurch entsteht die Fähigkeit zum Deploy-at-Machine-Speed.

Kleine taktische Drohnen (TUAS), entweder als Quadrocopter oder als kleine Deltaflügler konzipiert, scheinen derzeit kurz vor der Einsatztauglichkeit zu stehen. Ihr Einsatz könnte, wie im obigen Szenario beschrieben, versteckt erfolgen und leicht auch potenzielle Ziele, wie zum Beispiel Kritische Infrastrukturen der Strom- und Kommunikationsversorgung, treffen. Es gibt Gründe, hier sowohl Abwehrmaßnahmen als auch offensive Systeme in den Fokus der Entwicklung zu rücken. Bodenbasierte autonome Plattformen sind zwar denkbar, stehen aber auch nach einer Dekade der Entwicklung immer noch vor großen Problemen bei einer robusten Navigation im durchschnittenen Gelände beziehungsweise in komplexen urbanen Räumen. Solche Systeme werden eher schrittweise und auf einer mittleren Zeitachse (10 bis 15 Jahre) relevant werden.

Weiterentwicklung bestehender Systeme zu (teil-)autonomen Systemen: Bestehende Systeme, wie Kampfpanzer, Schützenpanzer, Aufklärungspanzer und Artilleriesysteme sowie Kampf- und Unterstützungshubschrauber, werden nach wie vor das Rückgrat von Landstreitkräften bilden. Um im Hyperwar-Gefecht bestehen zu können, werden sich die Systeme aber weiterentwickeln müssen. Hierzu gehört insbesondere die Automatisierung der Sensorik für Zielauswahl und Feuerkampf. Die Entwicklung Automatic-Sensor-to-Shooter erscheint notwendig, da sonst die Anforderungen von Duellen im Fight-at-Machine-Speed – immer wach, extrem schnell, mit einer hohen Anzahl an Zielen – nicht gemeistert werden können.

blankIm Extremfall könnte die Entwicklung damit enden, dass ein Panzer nur noch mit dem Kommandanten bemannt ist. Der Panzer managed die Waffensysteme, wählt und bekämpft Ziele vollkommen selbstständig im Verbund mit anderen Panzern. Die KI ermöglicht den gleichzeitigen Feuerkampf gegen mehrere Ziele mit mehr als einem Hauptwaffensystem pro Panzer. Die Aufgabe des Kommandanten besteht im Wesentlichen in der Freigabe von Feuerzonen sowie im Durchfahren von schwierigem Gelände. Der stark gepanzerte Bereich beschränkt sich auf einen Kampfstand für den Kommandanten. Die Plattformen werden schneller und kleiner bei extrem verbesserter Duellfähigkeit.

Der effektive Schutz von Stellungen und Konvois ist auch in Zukunft essenziell. Dies betrifft die Überlegenheit im elektromagnetischen Spektrum wie auch die Abwehr von kleinen und kleinsten UAS durch die Fliegerabwehr. Die aktuellen Aktivitäten zum Aufbau einer qualifizierten Fliegerabwehr sowie zum Aufbau eines Nah- und Nächstbereichsschutzes sind ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Thesis 2:Hyperwar requires flexible leadership from the front

Erfolgreiche Führung beruht primär darauf, zur richtigen Zeit mit einer hinreichenden Menge der richtigen Ressourcen an der richtigen Stelle zu sein. Diese Ressourcen gilt es, dabei erfolgreich auf Distanz oder aber im Duell einzusetzen. Dieser Grundsatz gilt auch im Hyperwar. Der zugrunde liegende Führungsprozess muss aber an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Führung im Hyperwar sollte folgende Sachverhalte möglichst geschickt nutzen.

  • Anyone who uses every opportunity to communicate faster and more specifically has the superiority in leadership: Cyber ​​attacks, improved AI-controlled electronic combat and the targeted switching off of communication by TUAS mean that communication in critical phases is almost always disrupted with a high degree of probability. The leadership superiority is based on using the few and possibly short phases of connectivity immediately on all channels as efficiently as possible in order to achieve an optimal distribution of information. In addition to ammunition and energy or fuel, information is becoming the third important “consumable” on the battlefield. However, this resource will almost always be scarce in critical situations.
  • If you don't move, you die: The high level of dynamics and the area-wide reconnaissance mean that classic, stationary command posts no longer have a future. High-value targets, such as leadership structures, must be constantly moving on the battlefield in order to increase sustainability. Wherever possible, they should also be planned redundantly. This is the only way to maintain leadership superiority in a sustained hyperwar battle.
  • Leading from the front becomes more important: The limited communication and time requirements of a fight-at-machine-speed battle mean that decisions have to be made faster and further ahead. Troop leaders have to make decisions very quickly - often in a matter of seconds. In classic battles, these could be prepared and hit from the command post with significantly more time in advance. For reasons of time and because of the limited information on the situation, rear command posts will only be able to conduct the battle using extended mission tactics. In addition, they must be protected accordingly.
  • Management responsibility remains, but the rules are changing: Hyperwar uses AI to deploy a large number of active resources in a network. Here, in fractions of a second, a situational decision is made as to which combination of active agents fights which targets. In such very intense combat phases, a person can no longer effectively dispose of the active resources available to him and assign them to individual targets. The defense must also be controlled by AI. The squad leader still releases the effect. However, he no longer selects individual targets, but releases active resource dispositions for specific space-time windows.

Thesis 3:Next-generation leadership systems need to change

Aus den oben dargestellten Sachverhalten ergeben sich drastische Änderungen für die Anforderungen an künftige Führungssysteme.

  • If you have structural breaks, you are too slow: The classic separation of command information systems and command weapon deployment systems does not make sense in hyperwar, takes too much time and inhibits (re)configurability.
  • Systems with central components fail faster: There must be no single points of failure, such as central databases or central services. Such high-value targets may fail very quickly in cyberspace and may result in a complete failure of the entire system.
  • Need-to-use is important: The software life cycle is getting shorter and shorter, the number of usable dual-use tools is constantly increasing. Government off-the-shelf (GOTS), military off-the-shelf (MOTS) and commercial off-the-shelf (COTS) products are therefore becoming increasingly important. Anyone who uses an open, quickly adaptable and expandable Battle Management System (BMS) will have the leadership advantage over users of closed, self-developed systems that are difficult to adapt. In addition to need-to-share versus need-to-know, need-to-use will also be of great importance in the future.
  • Communication structures are constantly changing: Communication structures must be able to change ad hoc and quickly depending on the situation, using every available communication channel. The systems must be able to use channels with very high bandwidth (5G) as well as those with low bandwidth.
  • Cyber ​​hardening is the ability to get back up: there is no such thing as "cyber armor"! Systems must therefore be prepared for cyber attacks to break through and require ad hoc reconfiguration of structures at any time and frequently. Compromised components must be identified quickly and isolated prior to, or in parallel with, reconfiguration.
  • Management structure and IT structure are decoupled: depending on the situation, management will take place more at the front or more at the back. This means that management processes, roles and structures are no longer tied to specific IT components.

All dies führt in letzter Konsequenz dazu, dass ein Next-Generation-Battle-Management-System eher ein loser Verbund von in der Mehrzahl kleinen und mobilen, möglicherweise stark personalisierten IT-Zellen sein wird. Jede Zelle ist für sich ein eigenständiges BMS, das eigene Services, Daten, Interfaces, Kommunikation und Sicherheit enthält. Diese Zellen können sich mit anderen Zellen verbinden, um größere Führungsverbünde zu schaffen. In gewisser Weise findet hierdurch eine Renaissance von zentralen Kernideen des ARPANET, dem militärischen Vorläufer des Internets, statt: Alleine durchhalten können und jeden Verbund nutzen, wenn und solange sich die Chance dazu ergibt.

Thesis 4:Politics and society must deal with the issue

Der massive Einsatz von (teil-)autonomen Systemen wirft eine Menge ethischer und rechtlicher Fragen auf, deren Diskussion nicht nur ein militärischer, sondern auch ein politischer und gesellschaftlicher Prozess ist. In der öffentlichen Diskussion findet man häufig das Schreckgespenst von Killerrobotern, die aus eigenem Antrieb Menschen töten. Diese Diskussion geht an der Realität vorbei. Alle heutigen KI-Systeme verwenden ausschließlich die sogenannte „schwache“ KI. Diese schwache KI ist nicht mit der Intelligenz eines Menschen vergleichbar, sondern kann lediglich kleine, klar umrissene Teilprobleme lösen; dies aber häufig besser und vor allem schneller als der Mensch. Die angewandten Verfahren entsprechen nicht im entferntesten komplexen menschlichen Entscheidungsprozessen. In letzter Konsequenz handelt es sich nur um Algorithmen, die sehr beschränkte kognitive Aufgaben lösen können.

Demzufolge sind (teil-)autonome Systeme auch nicht in der Lage, komplett selbstständig zu agieren. Sie sind vielmehr in der Lage, mehr oder weniger große Teile des Auftrags ohne oder mit geringer Steuerung von außen durchzuführen. Der militärische Befehlshaber bleibt jedoch immer in der Verantwortung. Im Unterschied zu den klassischen Systemen erfolgt dabei keine Freigabe von Einzelzielen. (Teil-)Autonomen Systemen werden Freigaben nach Raum und Zeit erteilt. Ähnlich dem Einsatz von Artilleriesystemen bekommen (teil-)autonome Systeme also den Auftrag, in einem Raum-Zeit-Fenster Ziele zu bekämpfen.

Thesis 5:The armaments process must become more agile

In stark automatisierten und autonomen Systemen definiert sich die Überlegenheit ganz wesentlich über die Qualität der Algorithmen, der Rechenleistung und den Grad der Miniaturisierung. Ein Generationswechsel in IT-Hardware oder KI kann häufig den Faktor zwei in der Effektivität zur Folge haben. Da diese Komponenten praktisch komplett auf Dual Use beruhen, bestimmt die Geschwindigkeit der zivilen Entwicklungen auch das Tempo des Wettrüstens im internationalen Umfeld. Rüstungszyklen, oder zumindest wichtige Updates, erfolgen in etwa mit dem Tempo einer zivilen Handy-, Hardware- oder KI-Entwicklung – also in Zwei- bis Dreijahreszyklen.

Way Ahead - Meeting the challenges

Um in einem Hyperwar-Szenario konkurrenzfähig zu sein, ist es erforderlich, über Systeme zu verfügen, die mit Maschinengeschwindigkeit operieren (Fight-at-Machine-Speed). Sie können weitestgehend automatisiert eingesetzt werden. Dies betrifft sowohl die Entwicklung neuer Waffensysteme und Wirkmittel mit hoher Autonomie als auch die Weiterentwicklung bestehender Systeme zu Waffensystemen mit einem hohen Grad an Automation und Autonomie.

Die dargestellten Anforderungen an die Gefechtsführung von morgen mit über weite Zeiträume stark eingeschränkter Kommunikation und dem Erfordernis, bei Bedarf schnell und effizient von vorne führen zu können, machen deutlich, dass sowohl der Führungsprozess als auch die Führerausbildung und die zu nutzenden Führungsmittel an die neue Situation angepasst werden müssen. Die dargestellten Anforderungen an Next-Generation-Battle-Management-Systeme lassen bereits jetzt das Erfordernis einer stark dezentralen Architektur erkennen.

Die zu beobachtende Dynamik in der zivilen IT- und KI-Entwicklung machen deutlich, dass derzeitige Rüstungsprozesszyklen zu viel Zeit erfordern, um mit konkurrenzfähigen Produkten auf dem Gefechtsfeld von morgen bestehen zu können. Konsequent modular aufgebaute Systeme könnten hier, insbesondere in Verbindung mit einem Dual-Use-Ansatz und regelmäßigen Kampfwertsteigerungen, eine Verbesserung erreichen. Sofern erforderlich, ist der Rüstungsprozess den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Insbesondere aufgrund der sich abzeichnenden Verschmelzung von innerer und äußerer Sicherheit in einer zunehmend vernetzten und globalisierten Welt sind Gesellschaft und Politik mehr denn je gefordert, den Diskurs zu Chancen und Risiken der Anwendung von Automation und Autonomie auf dem Gefechtsfeld zu führen. Die sich abzeichnende Veränderung in der militärischen Gefechtsführung kann als Paradigmenwechsel verstanden werden. Wer hier nicht handelt, wird auf dem Gefechtsfeld der Zukunft nicht konkurrenzfähig und potenziellen Angreifern unterlegen sein. So gesehen ist die im Heer eingeleitete und forcierte Digitalisierung von landbasierten Operationen ein folgerichtiger und zwingend notwendiger Entwicklungsschritt, um in den Konflikten der Zukunft bestehen zu können.

Authors: Lieutenant Colonel Thomas Dollis Head of Operations Research – Modeling and Simulation at the Army Development Office;Uwe Beyeris head of the Adaptive Reflective Teams department at the Fraunhofer Institute for Intelligent Analysis and Information Systems (IAIS); captainThomas Schiller ist Referent für Modellbildung und Simulation im Amt für Heeresentwicklung.