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Es zeichnete sich ab. Bereits am 20. Juni gab der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, seinen Erwartungen am Rande des Maritimen Parlamentarischen Abends der Industrie- und Handelskammer in Kiel Ausdruck: „Geplant ist, eine Entscheidung noch in diesem Jahr zu treffen“. Vorgestern twitterte der Inspekteur der Marine:

Und tatsächlich: am heutigen Donnerstag, 18. Juli 2019, 14.00 Uhr läuft die Frist zur Abgabe der BAFO ab.

German Naval Yards Kiel (GNYK) hat den Termin genutzt und das finale Angebot eingereicht. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Zusammen mit dem Kooperationspartner thyssenkrupp Marine Systems bewirbt sich das Unternehmen um den größten Marineauftrag in der Geschichte der Bundeswehr.“

Nicht nur für German Naval Yards als letzter im Wettbewerb verbliebener deutscher Generalunternehmer ist dieses Projekt von großer Bedeutung. 2018 hatte die Leitung des BMVg entschieden, für den Bau ein europaweites Vergabeverfahren aufzusetzen – ein Novum. Zusammen mit ihrem Partner, der zur Lürssen Werftengruppe (Bremen) gehörenden Blohm und Voss (Hamburg), bewirbt sich die niederländische Damen Shipyards federführend um das Projekt. Damen hat gegenüber der ES&T bestätigt ebenfalls ein Angebot eingereicht zu haben.

Die europaweite Ausschreibung ist europapolitisch korrekt, rüstungspolitisch und wirtschaftlich umstritten. Von einem solchen Auftrag könnte der gesamte Bereich Marineschiffbau in Deutschland profitieren. Die Zulieferer beschränken sich nicht nur auf die Küstenländer, sondern reichen republikweit bis nach Bayern und Baden-Württemberg.

Die Beschaffung von vier Mehrzweckkampfschiffen 180 (MKS 180) ist im Bundeshaushalt mit insgesamt 5,270 Milliarden Euro berücksichtigt. Für das Haushaltsjahr 2019 sind Mittel in Höhe von 195 Millionen Euro veranschlagt, für die Folgejahre ist eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 5,075 Milliarden Euro ausgebracht – ein Hinweis darauf, dass die Auftragsvergabe noch in diesem Jahr erfolgen kann. Eine Option für zwei weitere MKS 180, für die die Marine eintritt, ist im Haushalt bisher nicht berücksichtigt. Aus der Revision des Bundeshaushaltes vom März 2019 sind dazu keine Details bekannt.

Nun ist zu hoffen, dass die Auswertung und die Auftragsvergabe rasch von statten geht. Für die neue Amtsinhaberin im Bendlerblock eine erste große Herausforderung. Ihre Herangehensweise mag erste Anhaltspunkte geben für ihre zukünftige Amtsführung.

Hans Uwe Mergener

Hintergrund Fähigkeitsspektrum MKS 180

Zum geforderten Fähigkeitsspektrum des Mehrzweckkampfschiffes MKS 180 schreibt die Marine:

Das MKS 180 ist explizit für den hochintensiven, mehrdimensionalen Seekrieg konzipiert und stärkt damit die Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung. Das MKS 180 trägt vor allem auch dem Ziel Rechnung, Seekriegsmittel verfügbar zu haben, die eine Teilhabe an allen Spielarten der modernen Seekriegsführung ermöglichen. So wird das MKS 180 im Gegensatz zu den auf die Randmeerkriegsführung optimierten Systemen wie Korvetten auch für ozeanische und komplexe Einsätze in entfernten Seegebieten und unter anspruchsvollen Umweltbedingungen geeignet sein. Das MKS 180 ist mit Bordhubschraubern ausgestattet, zur Uboot-Jagd in der Lage, kann See- und Landziele bekämpfen, zusätzliches Personal und Material aufnehmen und damit auch einen multinationalen Verband führen. Durch das MKS 180 können ebenfalls Spezialkräfte eingesetzt werden.

Gerade weil das MKS 180 für den hochintensiven Seekrieg konzipiert ist, kann es ebenso in Einsätzen niedrigerer Intensität zur Krisen- und Konfliktbewältigung erfolgreich bestehen.

Insgesamt passt das MKS 180 exakt zu der mit dem Weißbuch der Bundesregierung geforderten Refokussierung auf die Landes- Bündnisverteidigung. Insbesondere die Nordflanke mit dem Island-Grönland-Gap bedarf nun wieder größerer Aufmerksamkeit. Im Kern geht es darum, die transatlantischen Seeverbindungen offen zu halten und die seeseitige Verteidigung des Bündnispartners Norwegen wirksam zu unterstützen. Dazu kann das MKS 180 mit bis zu zwei Jahren Stehzeit im Seegebiet und seiner Durchsetzungsfähigkeit im gesamten Intensitätsspektrum einen unverzichtbaren Beitrag leisten.

Kenngrößen

Länge: circa 155 Meter Konstruktionswasserlinie
Wasserverdrängung: maximal 9.000 Tons
Kojenkapazität: 110 Personen Stammbesatzung, 70 Personen Einschiffungskontingente
Einsatzzeit: 24 Monate
Fahrtgebiet: weltweit
Eisklasse: 1C/E1 für Seegebiete mit Eisbildung
Nutzungsdauer: 30 Jahre
Bewaffnung:
  • Flugabwehrraketen mittlerer und kurzer Reichweite
  • weitreichende Seeziel-Flugkörper
  • Hauptgeschütz 127 Millimeter mit reichweitengesteigerter Munition
  • Wasserwerfer, schwere Maschinengewehre, Marineleichtgeschütze
  • Einsatzboote, Aufklärungsdrohnen, U-Jagd-Bordhubschrauber
Einsatzaufgaben:
  • Selbstverteidigung und Kampfeinsätze
  • Erstellung eines Maritimen Lagebildes über und unter Wasser
  • Seeraumüberwachung und Embargokontrolle, inklusive Boarding
  • Militärische Evakuierung in Krisensituationen
  • Begleitschutz für Handelsschiffe
  • Führung von Einsatzverbänden in See