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Am 5. Juli 2019 beriet der NATO-Russland-Rat im NATO-Hauptquartier in Brüssel über die Ukraine, den Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty (INF-Vertrag) sowie über Transparenz und Risikominderung. Das zweite Treffen dieses Jahres stand im Zeichen der von den USA zum 2. August ablaufenden Frist, sich aus dem INF-Vertrag zurückzuziehen, sollte Russland nicht einlenken und die Stationierung sowie die Nutzung der SSC-8-Flugkörper einstellen. Russland hatte seinerseits am 3. Juli den Vertrag suspendiert.

Die Diskussion sei offen gewesen, führte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der den Vorsitz im NATO-Russland-Rat führte, aus. Allerdings ohne nennenswerte Fortschritte. „Wir haben keine Anzeichen eines Durchbruchs gesehen“, so der NATO-Generalsekretär. Und weiter: „Die Verbündeten und Russland vertreten grundsätzlich unterschiedliche Ansichten, aber wir sind entschlossen, den Dialog fortzusetzen.“ Um schließlich dahingehend zusammenzufassen: „Wir müssen uns auf eine Welt ohne INF vorbereiten, die weniger stabil sein wird“. Auf diese Formel hatte man sich auf der Tagung der NATO-Verteidigungsminister am 26. Juni geeinigt. Zu möglichen Reaktionen der NATO befragt, insbesondere einer  Neustationierung, verwies Jens Stoltenberg auf diese Tagung, ohne ins Detail gehen zu wollen. Die Allianz werde geschlossen, koordiniert und defensiv reagieren. Die Stationierung von Atomwaffen, also ein ‚Tit for Tat‘, schloss er aus (wörtlich: „we don’t have intentions to deploy nuclear missiles in Europe, we will not mirror what Russia does“).

Russland steht auf dem Standpunkt, es halte den am 8. Dezember 1987 zwischen der ehemaligen Sowjetunion und den Vereinigten Staaten unterzeichneten und am 1. Juni 1988 in Kraft getretenen Vertrag ein. In einer nach dem Treffen herausgegebenen Erklärung der Ständigen Vertretung Russlands bei der NATO heißt es, Russland hätte die NATO darauf hingewiesen, dass es absolut keinen Grund gibt, die Verantwortung für das Scheitern des INF-Vertrag auf Moskau zu schieben.

Am 18. Juni verabschiedete die Duma das Gesetz über die Aussetzung des INF-Vertrags durch Russland, das am 26. Juni das Oberhaus, den Föderationsrat, passierte. Es wurde am 3. Juli vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet. Der kurz danach einen Korrespondenten von ‚Corriere della Serra‘ wissen ließ, Russland strebe kein Wettrüsten an, nur Schutz. Er sei offen für ein neues Abkommen, nun seien die USA am Zuge.

Auch zur Ukraine gab es keine wesentliche Annäherung im NATO-Russland-Rat. Unter dem Tagesordnungspunkt Transparenz und Risikominderung wurden Briefings über bevorstehende und abgelaufene Übungen ausgetauscht. Die NATO informierte über Dynamic Mariner 2019 sowie zu Trident Juncture 2018. Russland berichtete zu den Übungen Tsentr und Union Shield. Ein derartiger Austausch sei wichtiges Element des kontinuierlichen Dialogs und trügen dazu bei, das Risiko von Missverständnissen und Fehlkalkulationen zu begrenzen, erklärte der frustriert wirkende NATO-Generalsekretär.

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Briefing des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg im Anschluss an die Ratssitzung (Video: NATO)

Es scheint darauf hinauszulaufen, dass wir uns auf eine Zeitenwende einzustellen haben. Auch, wenn Jens Stoltenberg nicht müde wird, darauf hinzuweisen, es wäre noch Zeit, um den INF-Vertrag zu retten – es sind ab heute gerade noch vier Wochen. Angesichts des letzten Schachzuges durch Moskau bedarf es eines riesigen Schrittes, den beide Seiten aufeinander zuzugehen hätten, um substantiell ins Gespräch zu kommen.

Hans Uwe Mergener