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In 41 Workshops hat das 2017 von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausgerufene Projekt „Innere Führung – heute“ ein „ehrliches Lagebild“ vom Zustand der Führung in der Truppe zutage gefördert. Die Lage ist ernst, Maßnahmen und Struktureingriffe sind zu erwarten. Werden sie ausreichen? Und: Was heißt heute Innere Führung, in einer Bundeswehr, die sich in Wehrform, Auftragslage, Struktur und Ausrüstung grundlegend verändert hat?

Vielleicht ist es kein Zufall, dass zur Lage der Inneren Führung ebenso viele Diagnosen im Umlauf sind wie Definitionen, was unter der Führungs- und Organisationsphilosophie der Bundeswehr zu verstehen sei. Präsentieren die einen Erfolgsbilanzen, kontern andere mit dem Etikett Misserfolgsgeschichte; monieren die einen Abgehobenheit und mangelnde Truppennähe, verweisen andere auf die beträchtlichen Anstrengungen und Verbesserungen; beschweren sich Kritiker über eine dogmatische Erstarrung der Führungslehre, erwidern die anderen, Innere Führung werde im Truppenalltag vielfach vorgelebt und grundsätzlich akzeptiert.

Zweifel am Wohlergehen der im Zuge der Wehrreform der 1950er Jahre entwickelten Konzeption hat es immer gegeben. Wie bei der Traditionsfrage ist der Streit um die Innere Führung geradezu zum Markenzeichen der Bundeswehr und der zivil-militärischen Beziehungen geworden. Darauf haben Bundeswehr und Ministerium immer wieder mit engagiertem Drehen an den Stellschrauben reagiert und dafür gesorgt, dass diese Führungskonzeption zu einem dynamischen Prinzip geworden ist. Doch mit den Übergängen der 1990er Jahre (Ende der Blockspaltung) und der 2010er Jahre (Krim, Ukraine), mit der Revolution der Konflikt- und Kriegsbilder, dem Spannungsverhältnis zwischen traditioneller Verteidigung und „umfassender Sicherheitsvorsorge“, mit der Veränderung der Wehrform hin zu einer Berufs- und Freiwilligenarmee (2011), den chronischen Ausrüstungs- und Beschaffungsproblemen sowie mit einem rasant beschleunigten Wandel zu einer individualisierten und digitalisierten Gesellschaft sind die bisherigen Geltungsbedingungen der Inneren Führung erschüttert worden.

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