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Durch andere weltpolitische Ereignisse wie Maut auf deutschen Straßen verdrängt, haben sich die Personalfragen der EU zumindest in der Wahrnehmung vieler Medien hinter die Kulissen verzogen. Allerdings nur scheinbar.

Vor seiner Abreise nach Japan hat der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, seine wochenlangen und parallelen Konsultationen um die Spitzen-Dienstpostenbesetzung der EU bereits nach dem <regulären(!)> EU-Gipfel der vergangenen Woche fortgesetzt. Sicherlich nicht, um während des G20-Treffens eine Pause einzulegen. Denn, wenn auch nicht alle, er wird in Osaka auf die entscheidenden Staats- und Regierungschefs der EU treffen und versuchen, sein Ziel, eine Kandidatenliste für die Topjobs in Europa zur <Sonder-> Sitzung des europäischen Rates (am kommenden Sonntag, 30. Juni (ff)) zu etablieren, verfolgen: der Chef der EU-Kommission, der Präsident des EU-Parlaments – beide Dienstposten aufgrund der Entscheidungs- bzw. Mitspracherechte des Parlaments miteinander im Zusammenhang zu sehen –, der Ratspräsident (also seine Nachfolge), die Nachfolge der EU-Chefdiplomatin sowie letztendlich, wenn sich auch hier die Auffassungen über das politische Gewichtes des Amtes scheiden, der Präsident der Europäischen Zentralbank. Zeitdruck besteht dadurch, da das Parlament seine Legislatur am 2. Juli beginnt. Insofern triggert die künftige Besetzung des Parlamentspräsidenten, die, wie EU-Präsident Antonio Tajani anläßlich des Treffens der Staats- und Regierungschefs in der vergangenen Woche betonte, in absoluter Autonomie des Parlamentes erfolgen wird, die Verteilung der Karten im europäischen Machtpoker. Wichtig und heiß umkämpft ist dagegen das Amt des Kommissionspräsidenten. Das dem wählenden Bürger vorgestellte Spitzenkandidaten-Prinzip wurde nach dem Wahltag zur Diskussion gestellt. Paradoxerweise von beiden Seiten, wenn auch unterschiedlich motiviert: aus dem Kreis der Staats- und Regierungschefs, die ihr Vorschlagerecht wahren wollen, gab es Kritik am vordem übereingekommenen Prinzip. Andererseits offenbart das Gebaren des Parlaments, sich nicht auf den Spitzenkandidaten des Wahlsiegers verständigen zu können, dies durch Neukonstellationen gar zu unterlaufen, ebenfalls keine Konsistenz.

Am Ende geht es um die demokratische Legitimation des Kommissionspräsidenten und um den Einfluss des Parlaments. Final um die Wahrnehmung des Wahlergebnisses. Denn neben der Sitzverteilung in Straßburg bzw. Brüssel (den beiden Parlamentssitzen) hatten die großen Parteien den Wählern versprochen, dass nur ein Spitzenkandidat Kommissionspräsident werden kann. Insofern wird es, losgelöst von dem deutschen Namen, darum gehen, inwieweit der Wahlsieger, die EVP, in der Lage ist, sich aufzustellen. Und gegebenfalls einen alternativen Spitzenkandidaten vorzubringen. Demgegenüber gilt es für den Europäischen Rat, die EVP nicht zu verprellen. Nicht nur, um einen Krieg der Institutionen zu vermeiden. Sondern vielmehr, um den Bürgern ihre Stimme nicht zu berauben.

Osaka gibt dem Ratspräsidenten Donald Tusk, der ein Ergebnis erzielen möchte, eine weitere Möglichkeit, ein Ergebnis vorzubereiten. Mit den Fraktionsvorsitzenden trifft er vor  Beginn des Sondergipfels am Sonntag <erneut> zusammen. Vorsorglich hat er das Programm für den 30. Juni so fassen lassen: „Bei Bedarf kann das Treffen am 1. Juli 2019 mit einem Frühstück fortgesetzt werden“.

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Das Parlament seinerseits hat die Wahl seines Präsidenten (für die nächsten zweieinhalb Jahre) auf den 3. Juli terminiert. Am 2. Juli Konstituierung des Parlamentes, am 4. Juli werden die Abgeordneten mit den Präsidenten des Europäischen Rates und der Kommission Donald Tusk und Jean-Claude Juncker die Ergebnisse der beiden EU-Gipfel im Juni erörtern.

Am Ende wird es sowohl bei den Staats- und Regierungschefs als auch beim Europäischen Parlament um mehr gehen als sich zusammenzuraufen – unter sich als auch mit dem jeweilig anderen. Es gilt, über die Verteilung von Interessen und Macht hinaus auch die Glaubwürdigkeit gegenüber den Wählern zu erhalten und das sich in der Wahlbeteiligung äußernde pro-europäische Bekenntnis nicht gegen die Wand zu fahren. So sehr man mit der vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron etablierten Methodik sympathisieren mag – sie kam zu spät.

Hans Uwe Mergener