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Ginge es nach den Namenschildern, anhand derer die beiden CEOs Giuseppe Bono (Fincantieri) und Hervé Guillou (Naval Group) ihre Plätze finden sollen, so mag der Eindruck einer gewissen Improvisation aufkommen. Ging doch seit der Ankündigung dieser werdenden Allianz im vergangenen Oktober als einer der Paukenschläge der EURONAVAL 2018 doch genug Zeit ins Land. Am 14. Juni kam es zur Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens, dem man sicherlich mit Hintergedanken den Namen „Poseidon“ (der mächtige und streitbare Meeresgott, der sich auch nicht vor Auseinandersetzungen mit Zeus, dem Göttervater, scheute) gab. Fincantieri und Naval Group machen sich auf den Weg zu einem 50/50-Joint Venture, das bis zum Jahresende unter Dach und Fach sein soll.  Vielleicht sind es die schwierigen Eigentumsverhältnisse, die hinter beiden Unternehmen bzw. ihren Töchtern stehen, und den Zusammenschluss schwierig gestalten. Naval Group gehört zu 35 Prozent zu Thales, zu 62,5 Prozent dem französischen Staat. Fincantieri, an sich bereits der größte Schiffbauer in Europa, ist an einem 50-Prozent-Anteil an Chantiers de l’Atlantique (ex STX France) bemüht, was Paris allerdings quer im Magen liegt und daher eine EU-Kartellrechtsprüfung anstrengte – sehr zum Missfallen Roms. Vielleicht ist es aber auch nur der trotz gemeinsamer Entwicklungen anhaltende Wettbewerb zwischen beiden, der bei aller Annäherung nichts an Schärfe einbüßte.

Nun liegen Tatsachen auf dem Tisch. Am vergangenen Freitag wurde an Bord der Fregatte „Frederico Martinengo“ in La Spezia eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, in der die operativen Bedingungen für die Gründung eines 50/50-Joint Ventures gelegt werden. In Szene gesetzt auf einer gemeinsam entwickelten und vermarkteten Fregatte der FREMM-Klasse (Fregate Multi Mission), die die zwanzigjährige Kollaboration der beiden Nationen auf diesem Gebiet wie kein anderes Projekt symbolisiert. Um Effizienzsteigerungen zu erzielen, wird die Zusammenlegung von Einkauf, Forschung und Entwicklung sowie der Export von Überwasser-Kriegsschiffen Hauptaufgabe des gemeinsamen Unternehmens. Zunächst, dem Vernehmen nach, ohne gegenseitigen Aktientausch. Auf der Grundlage der nun getroffenen Vereinbarung wird das Unternehmen seinen Hauptsitz in Genua mit einer Tochtergesellschaft, einem Engineering-Zentrum in Ollioules in der südfranzösischen Region Var haben. Die in einer Aktionärsvereinbarung geregelte Führung des gemeinsamen Unternehmens sieht einen Verwaltungsrat von sechs Mitgliedern vor, von denen drei von jeder Gesellschaft ernannt werden (gesetzt sind bereits Giuseppe Bono und Hervé Guillou). Für die erste Amtszeit von drei Jahren ernennt Fincantieri den Vorsitzenden (es wird Giuseppe Bono) und den Chief Operational Officer, während Naval Group den Chief Executive Officer und den Chief Financial Officer ernennt. Naval Group hat Claude Centofanti als CEO nominiert.

Der Wettbewerb in der Branche verschärft sich – insbesondere die chinesische Konkurrenz drückt. Dies nimmt man jenseits des Rheins sehr sorgfältig auf – passend zu Emmanuel Macrons Werben um eine schärfere Akzentuierung der EU gegenüber China. Prominent beschreibt Le Monde in der Ausgabe vom 17. Juni den Konkurrenzdruck: Chinas CSSC (China State Shipbuilding Corporation) wurde letztes Jahr zum größten militärischen Schiffbauunternehmen der Welt (Umsatz zehn Milliarden Euro) (vor dem bisherigen Spitzenreiter, der US General Dynamics mit sieben Milliarden Euro), während ein russischer Konzern im nächsten Jahr voraussichtlich der zweitgrößte sein wird. (Anmerkung des Verfassers: wobei Vorsicht geboten sein sollte bei den Vergleichen, nicht nur wegen der Währungs-Leistungs-Paritäten, sondern auch wegen manchmal nicht klar zu differenzierender Zuordnung zwischen zivilen und militärischen Projekten.) Insofern spiegelt die Allianz, die erste ihrer Art zum grenzüberschreitenden militärischen Schiffbau, den Wunsch beider Länder wider, sich der Konkurrenz im Marineschiffbau zu stellen. In einem Gespräch mit AFP äußerte sich Hervé Guillou: „Dies ist der Höhepunkt einer gemeinsamen industriellen Ambition, die die langfristige Position des europäischen Schiffbau-Industriemarktes ist, der einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht hat. … Wir sind mit Abstand die beiden größten europäischen Marineunternehmen, aber wenn wir uns nur auf unsere Heimatmärkte verlassen, können wir unsere Ressourcen nicht aufrechterhalten und wettbewerbsfähig bleiben“.

Naval Group ließ verlautbaren, dass das Joint Venture darauf abziele, 10-15 Kriegsschiffe im nächsten Jahrzehnt zu bauen, wobei die Synergien auf 10-15 Prozent geschätzt werden. In den nächsten zehn Jahren sollen Aufträge im Wert von bis zu fünf Milliarden Euro abgewickelt werden. H. Guillou äußerte sich gegenüber Medienvertretern, dass der Markt für mittelgroße bis große Fregatten jährlich um fünf bis sieben Prozent wachse. „Hier greift uns die aufkommende Konkurrenz am härtesten an“, fügte er hinzu. Marktbeobachter sagen demgegenüber ein Wachstum von 3,5 Prozent voraus mit den stärksten Wachstumsraten in der Region Asien-Pazifik.

Tatsache ist, der Markt im militärischen Schiffbau ist stark fragmentiert. Kooperationen und Partnerschaften werden als Lösung zur Marktsicherung und -beherrschung gesehen. Hinzu kommt als ein Kernproblem die begrenzte geografische Präsenz der Unternehmen. Sowohl Fincantieri als auch Naval Group haben dem bereits mit Filialen in den USA bzw. Australien Rechnung getragen. Insofern ist der über „Poseidon“ eingeschlagene Weg sicherlich richtungsweisend. Insbesondere im europäischen Kontext. Ein Versuch, über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit der EU im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik (PESCO – Permanent Structured Cooperation) auch maritime Rüstungsprogramme zu fördern, ist auf dem Weg – eine Patrouilleneinheit in Korvettengröße.

Trotz des unterkühlten politischen Verhältnisses zwischen Rom und Paris und nach dem (vorläufigen) Scheitern des Deals um Renault-Fiat-Chrysler ist hier nun eine Konsolidierung im Entstehen. Das Schmieden der Allianz hat Zeit gebraucht – und sie ist noch nicht über die Ziellinie. Kritiker mögen eingestehen, dass auch Airbus einmal klein angefangen hat und bis zu seiner heutigen Marktstellung einige Krisen bestehen musste. Vielleicht ist diese Heirat doch der Nukleus zu einem „Airbus Naval“, einem „Airbus der Meere“. National betrachtet, scheinen die Aussichten für eine vor Jahren einmal angestrebte Lösung unter deutscher Ägide geringer. Paris und Rom haben Fakten geschaffen, an denen Berlin nicht einfach vorbeikommt. Trotz des Aachener Vertrages und der darin angelegten französisch-deutschen Rüstungszusammenarbeitsbeschwörungen.

Hans Uwe Mergener