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„Nanchang“, Hull-Nummer 101, Typschiff einer neuen Zerstörerklasse der chinesischen Marine, Typ 55, gab bei der Flottenparade anlässlich des 70. Jahrestages der PLA-N (People’s Liberation Army – Navy) am 23. April sein Debüt.

Das 183 Meter lange, mehr als 20 Meter breite Schiff mit einer geschätzten Verdrängung von mehr als 13.000 Tonnen wurde im August 2018 erstmalig bei Seeerprobungen beobachtet. Es verfügt über 112 VLS-Zellen (VLS – Vertical Launch System), verteilt im vorderen Bereich 64 und 48 in der Schiffsmitte vorlich des Hangars. Die vermutete Flugkörperbewaffnung ist HQ-9 (Schiff-Luft), YJ-18 (Schiff-Schiff) und der Marschflugkörper CJ-10, eventuell auch der neue U-Boot-Abwehr-FK YU-8A. Artillerie: ein Turm 130 mm, ein CIWS PJ-11 (Kadenz von 10.000 Schuss/min)(CIWS – Close-In Weapon System).

Neben der vor dem Decksaufbau installierten CIWS-Rohrwaffe als Nächst- bzw. Nahbereichsverteidigungssystem (dessen prominentester Vertreter das US Phalanx-System ist) kann man auf Bildern auch einen RAM-ähnlichen Starter auf dem Hangar ausmachen (plus ein abgesetzt installiertes Feuerleitradar), ein Flugkörpern basiertes CIWS: HHQ-10. Täuschkörper und Torpedos vervollständigen die Bewaffnung. Aufnahmefähigkeit für zwei Hubschrauber Z-18. Auffällig ist die (niedrige) Positionierung des Phased-Array-Radars. Spekuliert wird über den Einbau einer elektromagnetischen Waffe (Railgun) bei einem später zulaufenden Schiff.

Insgesamt sollen acht Einheiten des Typs 055 beabsichtigt sein. Baunummer 2-4 liefen bereits 2018 in Shanghai und Dalian vom Stapel und befinden sich in der Fertigstellung. Die anderen sollen bis 2020 folgen. Ob die Schiffsklasse als Zerstörer oder, was adäquat wäre, als Kreuzer kategorisiert werden, wird die Zukunft zeigen.

Die chinesische Marine versteht die Einheiten des Typs 055 als Mehrzweckplattform, die in Luftkriegs-, Luftabwehr- und U-Boot-Kampfeinsätzen eingesetzt werden. Zusammen mit dem Zerstörer der Luyang III-Klasse, Typ 052D, soll Typ 055 den Kern zukünftiger Carrier-Strike-Gruppen der PLA-N bilden.

Das hohe Fertigstellungstempo sowie der praktizierte technologische Standard zeigen, dass China bestrebt ist, die Lücke seiner maritimen Fähigkeiten zu den USA rasch zu schließen. Typ 55 kann als ein Äquivalent zur US Ticonderoga-Klasse angesehen werden. Nach mehr als zwei Jahrzehnten wachsenden Verteidigungsbudgets verwandelt China eine Seestreitkräfte, die früher auf Küstenverteidigung beschränkt war, in eine Marine, die in der Lage ist, weltweit auf die Hohe See vorzudringen. Schritte, die für die Wahrung nationaler Interessen unerlässlich sind.

In den 90er Jahren mit konservativ wirkenden Eigenbauten und Zukäufen aus Russland und der Ukraine noch ein maritimes Mauerblümchen, ging die PLA-N ab 1999 mehr und mehr zu moderneren Eigenentwicklungen über. Auf die ab 2004 eingesetzten Raketenzerstörer Luyang I (052B), folgten 2005 Luyang II (052C). Letztere verfügten bereits über Senkrechtstart-Vorrichtungen der Flugkörper (VLS-Zellen) sowie über ein Phased-Array Radarsystem. Im Typ 52 D (Luyang III)(Stapellauf des ersten von bislang 13 Einheiten im August 2012), nun im Typ 55 werden technische Fortschritte weiter implementiert und in andere Größen dimensioniert. Es manifestiert sich somit, dass die PLA-N der politischen Vorgabe, den Aufbau einer dem Landstatus angemessenen Seestreitmacht zu beschleunigen und in der Lage zu sein, auf Bedrohungen der maritimen Sicherheit zu reagieren und den Hauptgegner abzuschrecken und auszugleichen, nachkommt. Nicht von ungefähr ist sie der hauptsächliche Nutznießer des Modernisierungsplans der Streitkräfte. Gemäß chinesischer Medien wurde im März 2019 das Ziel vorgegeben, die Verteidigungsausgaben in diesem Jahr um 7,5 Prozent zu steigern. Zwar, so die Kommentierung, sei dies eine niedrigere Rate als in 2018, läge aber über der veranschlagten Wachstumsquote der Gesamtwirtschaft.

Hans Uwe Mergener