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Stephan Krupke ist Leiter Behördenvertrieb bei der Scandic Outdoor GmbH, die seit 1987 Woolpower aus Schweden importiert.

ES&T: Welche Historie verbindet Woolpower mit dem Militär im Allgemeinen und der Bundeswehr im Speziellen?

Krupke: Ende der 1960er Jahre hat Woolpower im Auftrag der schwedischen Streitkräfte gemeinsam mit Survival Ausbildern eine Thermo-Funktionsunterwäsche entwickelt. Das daraus entstandene Merinowolle-Kunstfaser-Gestrick wurde Ullfrotte (Wollfrottee) genannt und prägte viele Jahre den Firmennamen von Woolpower. Das schwedische Militär ist bis heute somit einer der langjährigsten Kunden von Woolpower.

Stephan-Krupke (Fotos: Woolpower)

Die Bundeswehr wurde auf Woolpower aufmerksam, nachdem Ende der 1990er Jahre Kampfschwimmer der Marine bei einer Winterübung in Norwegen Temperaturen ausgesetzt waren, für die die Baumwollunterwäsche der Bundeswehr nicht ausgereicht hat. Die norwegischen Kampfschwimmer empfahlen den deutschen Soldaten damals die schwedische Woolpower-Unterwäsche. Seitdem wurde die Bundeswehr ebenfalls ein guter Kunde von Woolpower.

Mittlerweile haben nicht nur Spezialkräfte (KSK, SEKM) der Bundeswehr, sondern alle Soldaten im Einsatz Anspruch auf die sogenannte Unterwäsche, Mehrschicht, Spezialkräfte und auf die entsprechenden Kniestrümpfe. Vielen Soldaten zufolge ist die Woolpower-Kleidung bei der Truppe sehr beliebt und hat sich bewährt, unter anderem auch in den Notausstattungen der Luftfahrzeuge.

Leider werden nach Beendigung der Einsätze große Mengen der Wäsche vor Rückverlegung aus den Auslandseinsätzen verbrannt. Unterwäsche wird bei der Bundeswehr aus hygienischen Gründen nicht wieder eingesammelt und ein zweites Mal ausgegeben, dies ist soweit nachvollziehbar. Aus unserer Sicht ist es jedoch unverständlich, wieso die Soldaten die hochwertige Wäsche nicht mit ins Heimatland nehmen dürfen. Denn viele der Soldaten beschaffen die Unterwäsche dann privat.

Die Entwicklung der Woolpower Thermounterwäsche erfolgte in den 60ern im Auftrag der schwedischen Streitkräfte.

ES&T: Was zeichnet die Funktionsunterwäsche von Woolpower aus und welchen praktischen Nutzen haben diese Eigenschaften für den Soldaten im täglichen Dienst und im Einsatz?

Krupke: Woolpower-Wäsche gibt es in den Stärken Lite, 200g, 400g und 600g. Die Grammaturangaben beziehen sich auf das ungefähre Gewicht pro Quadratmeter Gestrick. Die Lite-Wäsche ist die dünnste Variante und somit auch bei Temperaturen über +20°C einsetzbar. Alle anderen Stärken haben auf der Innenseite hoch isolierende Frotteeschlingen, die für ein optimales Mikroklima auf der Haut sorgen. Das Gestrick weist stets einen gewissen Anteil an Kunstfasern auf. Dieses Merinowolle-Kunstfaser-Gemisch transportiert den Schweiß optimal nach außen, wenn man es direkt auf der Haut trägt, und sorgt dafür, dass sich die Soldatinnen und Soldaten niemals klamm fühlen. Denn feuchtkalte Unterwäsche führt schnell dazu, dass man friert und dadurch nur eingeschränkt einsatzfähig ist.

Merinowolle bietet zudem eine weiteren Vorteil: Sie ist von Natur aus geruchshemmend und antibakteriell. Man kann also die Bekleidungsstücke mehrere Tage und Wochen tragen, ohne dass sie stinken. Das ist in Extremsituationen besonders wichtig.

Das nahtlose Rundstrickverfahren an Rumpf, Ärmeln und Hosenbeinen (200g-Variante) reduziert Druck- und Scheuerstellen, wie sie z.B. durch Nähte auf der Haut entstehen können. Zudem ist Merinowolle von Natur aus flammhemmend. Auch unser Gestrick weist diese Eigenschaft auf. Das wurde sowohl in Beflammungstests bei der EMPA in der Schweiz und dem WIS in Munster in Kombination mit Gore Pyrad und Schoeller Pyroshell nachgewiesen. Optional gibt es flammhemmend und antistatisch zertifizierte Woolpower Protection-Varianten, die beispielsweise von Piloten, Kampfmittelentschärfern, der GSG 9 und der spezialisierten Polizeikräfte BFE+ verwendet werden. Kurzum: Die Wäsche von Woolpower ist mit nahezu allen Bekleidungskonzepten kompatibel.

ES&T: Welche Produkte haben Sie derzeit mit der Bundeswehr unter Vertrag?

Krupke: Die 200g-Variante der Woolpower-Unterwäsche ist bereits eingeführt und ist für den Kampfbekleidungssatz Streitkräfte vorgesehen. Auch für die neue Kampfschuhgeneration hat man erfolgreiche Trageversuche mit den 200g- und 400g-Socken von Woolpower durchgeführt. Aus meiner Sicht wäre es äußerst sinnvoll, wenn die Bundeswehr ihre Funktionskleidung mit der Lite- oder 400g-Wäsche ergänzen würde. Diese ist untereinander und mit anderen Kampfanzugsystemen multikompatibel. Dem Soldaten könnte so, abhängig von den am Einsatzort vorherrschenden Temperaturen, die dafür optimal abgestimmte Funktionsunterwäsche ausgegeben werden.

Woolpower-Wäsche gibt es in den Stärken Lite, 200g, 400g und 600g.

ES&T: In wieweit gibt es Unterschiede zu Ihren Wettbewerbern?

Krupke: Besonders die einzigartige, lockere Strickart macht das Woolpower-Material sehr elastisch und ist aufgrund dessen in der Truppe extrem beliebt. Die Waschbarkeit bei 60 Grad Celsius ist ebenso einzigartig und wichtig, um gesundheitsschädliche Keime wie beispielsweise E.coli-Bakterien abtöten zu können.

ES&T: Es gibt die Trendwende Material auf der einen Seite und die wiederkehrenden Beschwerden der Soldaten über Zustand und Verfügbarkeit von persönlicher Ausrüstung beim Wehrbeauftragten auf der anderen Seite. Wie nehmen Sie die Situation aus Ihrer Sicht als Hersteller von Soldatenbekleidung wahr? Kommt die Trendwende bei Ihnen an?

Krupke: Wir spüren, dass die Bedarfe der Bundeswehr an Woolpower-Produkten steigen. Das erfahren wir von den Ämtern, aber auch von der Truppe selbst. Viele Soldaten kaufen deshalb ihre Woolpower-Produkte auch privat. Nicht nur die 200g-Ware, sondern auch oft die dickere 400g- und 600g-Qualität. Das BMVg und das Amt für Heeresentwicklung versuchen, die Soldaten möglichst umfassend mit Woolpower-Produkten auszustatten. Leider versanden die Aufträge häufig in den Mühlen der Bürokratie, weil für die Beschaffung selbst andere Dienststellen zuständig sind.

Das ist aus meiner persönlichen Sicht unverständlich, weil alle für denselben Dienstherrn arbeiten und der dringende Bedarf an Woolpower Produkten in der Truppe offensichtlich ist. Hinzu kommt, dass Deutschland innerhalb der NATO Aufgaben erfüllen muss, zu denen sich die Regierung schriftlich verpflichtet hat. Da sollte die Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch so weit gehen, diese Soldaten auch angemessen für die anfallenden Aufträge auszustatten.

ES&T: Wären Sie auch in der Lage, kurzfristige Bedarfe der Bundeswehr zu bedienen?

Krupke: Da das Garn von einem deutschen Garnlieferanten stammt und die gesamte Produktion im schwedischen Östersund stattfindet, könnte Woolpower auch kurzfristig größere Mengen liefern. Allerdings ist zu beachten, dass aufgrund der hohen Nachfrage von anderen Armeen die Kapazitäten oft für Monate im Voraus ausgelastet sind. Der Merino Boom kann zeitweise zu Beschaffungsengpässen führen, die sich jedoch durch eine passgenaue zeitliche Planung in Absprache mit den Kunden sicherlich vermeiden lassen. Davon profitieren am Ende alle, denn: Frieren ist kein Ausbildungsziel!

Das Fragen stellte Waldemar Geiger.