Berlin schickt die Marine 2025 erstmals eine Arktis-Patrouille mit dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ – über Island, Grönland und Kanada zur Übung Nanook.

Deutschland wird noch im Jahr 2025 Einheiten der Marine in den Nordatlantik und die Arktis entsenden, um dort Flagge zu zeigen. „Noch im Jahr 2025 wird Deutschland mit dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ eine nationale Präsenzfahrt in die Region unternehmen“ ist der BMVg-Webseite vom 30. Juni zu entnehmen. Die Ankündigung erfolgte durch Verteidigungsminister Boris Pistorius am 30. Juni bei einer Pressekonferenz in Kopenhagen. Er verwies auf die zunehmende Militarisierung der Region durch Russland. „Die maritimen Gefahren türmen sich auf“, sagte Pistorius – Russland militarisiere die Arktis und habe u.a. vermehrt U-Boote in arktischen Gewässern in Betrieb. Die engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Dänemark als nördlichem Nachbarn spiele dabei eine wichtige Rolle.

Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem dänischen Amtskollegen am 30. Juni. Quelle: Dänisches Verteidigungsministerium.

Präsenzfahrt und „Atlantic Bear“: Von Island nach Grönland

Vorgesehen ist, den Einsatzgruppenversorger Berlin auf eine Fahrt in den Nordatlantik und den Arktischen Ozean zu schicken. Im Rahmen des Manövers „Atlantic Bear“ soll das Schiff von Island über Grönland nach Kanada fahren. Entlang der Route sind gemeinsame Übungen mit Alliierten geplant sowie der erste Besuch eines deutschen Marineschiffes in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands. Anschließend wird Deutschland an der Übung ‚Nanook‘ teilnehmen. Zusätzlich kündigte Pistorius an, auch weitere Marinekräfte wie U-Boote, Seeaufklärungsflugzeuge und Fregatten in den hohen Norden zu entsenden, um „unser Engagement für die Region zu demonstrieren“. Die sichtbare Präsenz Deutschlands in der Arktis sei ihm wichtig, so der Minister.

Der Einsatzgruppenversorger Berlin (Foto: bundeswehr.org)

‚Nanook‘ ist eine Übungsreihe der kanadischen Streitkräfte mit mehreren Abschnitten. Das Seemanöver der Royal Canadian Navy mit Alliierten fand 2024 vom 12. bis zum 22. August statt, für 2025 sind die Daten noch nicht öffentlich. Übungsgebiet war Baffin Bay/Davis Strait. Traditionell schließen sich diesem Anteil mit dem Namen ‚Nanook Tuugaalik‘ Präsenz- und Überwachungsoperationen im Seegebiet der Nordwestpassage an – ‚Nanook Nunakput‘. Das kanadische Verteidigungsministerium veröffentlicht die genauen Zeitpläne meist erst wenige Wochen vor Beginn.

Solidarität mit Dänemark und Grönland

Pistorius betonte in Kopenhagen, dass für die NATO nicht nur die Ostflanke, sondern auch die Nordflanke mit Arktisregion an Bedeutung gewinnt. Er vereinbarte mit Dänemarks Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen einen Solidaritätsbesuch in Grönland: „Wir planen, im September zusammen nach Grönland zu fahren, weil ich Grönland sehen möchte und unsere Solidarität zeigen möchte“, sagte Pistorius. Dieser demonstrative Besuch erfolgt auch vor dem Hintergrund, dass die USA unter Präsident Donald Trump seit dessen Amtsrückkehr 2025 erneut Interesse an Grönland als strategischem Territorium zeigen. Trump hatte wiederholt gefordert, die USA müssten die arktische Insel aus Sicherheitsgründen unter ihre Kontrolle bringen – ein Ansinnen, das sowohl Grönland als auch Dänemark entschieden zurückgewiesen haben. Europäische Partner zeigen daher demonstrativ Unterstützung für Dänemark: So reiste Mitte Juni Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Nuuk, um die Souveränität Grönlands zu bekräftigen.

Hinzu kommt, dass Dänemark seit dem 1. Juli 2025 die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Unter dem Motto „A strong Europe in a changing world“ rückt Kopenhagen Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und die Arktis ins Zentrum. Passend dazu belebt Brüssel seine Arktis-Agenda: Auf dem EU Arctic Forum in Kittilä (25./26. Juni 2025) bekräftigte die Kommission die Ziele ihrer aktualisierten Arktis-Strategie von 2021 und kündigte an, noch während der dänischen Präsidentschaft einen „Arctic Action Plan“ im Rahmen des neuen European Ocean Pact vorzulegen. Damit erhält die deutsche Präsenzfahrt nicht nur bilaterale Bedeutung, sondern wird zugleich Teil einer klar erkennbaren europäischen Gesamtstrategie für den Hohen Norden.

Sicherheitspolitische Einordnung

Klimawandel und neue Seehandelsrouten haben der Arktis in den letzten Jahren wachsende geostrategische Bedeutung verliehen. Gleichzeitig treibt Moskau eine umfassende Militarisierung der Region voran – von modernisierten Militärbasen in der russischen Arktis bis zur verstärkten U-Boot-Präsenz im Nordpolarmeer. Diese Entwicklung bereitet den westlichen Anrainerstaaten Sorge. Moskaus Führung wiederum betont ihre langfristigen Ansprüche: Präsident Wladimir Putin erklärte auf einem Arktis-Forum in Murmansk, Russland werde seine „globale Führungsrolle“ in der Arktis weiter ausbauen und die Region mit Blick aufkommende Generationen entwickeln.

Nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 rücken der Nordatlantik und die Arktis stärker in den Fokus der westlichen Sicherheitspolitik. Die NATO-Staaten verstärkten zwischenzeitlich die Überwachung kritischer Untersee-Infrastruktur (Pipelines, Datenkabel) und die militärische Präsenz im Norden. So gründeten Deutschland, Norwegen und Kanada im Jahr 2024 eine maritime Sicherheitspartnerschaft für den Nordatlantik, der im Juni 2025 auch Dänemark beigetreten ist. Diese Partnerschaft und gemeinsame Manöver gelten als wichtiges Signal der Abschreckung und Lastenteilung unter Verbündeten.

Deutschlands geplante Arktis-Mission reiht sich in diese Strategie ein: Durch verstärkte Patrouillen und Übungen in der Region soll die NATO-Nordflanke sichtbar gestärkt und Russlands Aktivität im hohen Norden beobachtet werden. Beobachter sehen die neuen Patrouillen zudem als Teil der deutschen Zeitenwende-Politik, wonach Berlin eine deutlich größere Rolle bei der Verteidigung Europas und der Abschreckung Russlands übernehmen will.

Fazit: Mit der geplanten Fahrt der Marine in den Hohen Norden unterstreicht Deutschland seinen Anspruch, auch jenseits von Ost- und Nordsee Verantwortung für die Sicherheit seiner westlichen Partner zu übernehmen. Sie sendet ein sichtbares Signal an die Bündnispartner – von Kanada über Dänemark bis zu den USA – dass die Stabilität in der Arktis künftig gemeinschaftlich geschützt werden soll. Angesichts der sich verschärfenden strategischen Rivalität um die Arktis dürfte die deutsche Präsenz im Hohen Norden von Russland genau beobachtet werden.

Hans Uwe Mergener und Michael Nitz