Die EU-Kommission fördert das Entwicklungsprojekt Main Armoured Tank of Europe (MARTE) mit 20 Millionen Euro aus dem Europäischen Verteidigungsfonds. Mit MARTE will ein von der MARTE ARGE geführtes Konsortium mit 51 Akteuren aus elf EU-Mitgliedstaaten und Norwegen Beiträge liefern zur Entwicklung der nächsten Generation des Kampfpanzers der Zukunft.

MARTE steht unter der Federführung des BMVg, das die Beiträge der Verteidigungsministerien aus Belgien, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Schweden und Spanien koordiniert. Die MARTE ARGE ist ein Gemeinschaftsunternehmen der KNDS Deutschland GmbH & Co.KG und der Rheinmetall Landsysteme GmbH. Im Konsortium wirken komplementäre Industriepartner zusammen, darunter führende Großunternehmen sowie mittelständische Unternehmen, Forschungseinrichtungen und innovative kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Darunter befinden sich die Größen des europäischen Panzerbaus wie KNDS Deutschland und Rheinmetall sowie BAE Systems, DST, GDELS SBS, Hensoldt Optronics, Indra, John Cockerill Defense, Kongsberg, Leonardo, Patria, Renk und Saab. Die Unternehmen repräsentieren die oben genannten Länder.

Einer Rheinmetall-Mitteilung vom 1. Juli zufolge handelt sich bei MARTE um eine innovative und vielversprechende Initiative, die darauf abzielt, die technologische Autonomie Europas zu stärken, indem sie sich mit dem entscheidenden Vorteil eines Kampfpanzersystems befasst. In einer Zeit zunehmender geopolitischer Unsicherheit bringe diese Initiative den Wunsch nach größerer strategischer Autonomie in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen zum Ausdruck und stelle somit eine strategische Investition in die europäischen Verteidigungsfähigkeiten dar.

Im Panther KF51 und Leopard 2 A8 ist die Spitze der Technologien für Kampfpanzer vereint wie sie für MARTE benötigt werden. (Foto: Rheinmetall / KNDS)

Als Ziel von MARTE nennt Rheinmetall die Erarbeitung von Studien und Entwürfen für ein zukünftiges Kampfpanzersystem, das aktuellen und zukünftigen Bedrohungen und den harmonisierten Bedürfnissen der beteiligten europäischen Mitgliedstaaten gerecht wird. Durch die Integration innovativer und disruptiver Technologien soll ein widerstandsfähiges Verteidigungssystem entwickelt werden, das auf die sich entwickelnden Herausforderungen der modernen Kriegsführung zugeschnitten ist und die Lehren aus aktuellen Konflikten berücksichtigt.

Die MARTE ARGE wird als Projektkoordinator vom Beratungsunternehmens Erdyn unterstützt. Wie Rheinmetall schreibt, wurde ein Kernteam aus fünf hochrangigen Verteidigungsunternehmen gebildet mit KNDS Deutschland und Rheinmetall Landsysteme (beide Deutschland), Leonardo (Italien), Indra Sistemas (Spanien) und SAAB (Schweden). Jedes dieser Teams leitet ein Arbeitspaket, in denen der Projektumfang gebündelt wurde. Die anderen Konsortiumsmitglieder bringen ihre Kompetenzen in die jeweiligen Arbeitspakete ein.

Der offizielle Start des MARTE-Projekts erfolgte am 1. Dezember 2024 mit der Unterzeichnung des Grant Agreements durch die MARTE ARGE und die Europäische Kommission. Das Kick-Off-Meeting in Stockholm am 5. und 6. Dezember 2024 brachte die MARTE ARGE als Projektkoordinator, die wichtigsten Interessengruppen als auch alle Konsortialpartner zusammen und gilt als Start der Arbeitsphase des Projekts.

Nach Information der EU dauert das Projekt zwei Jahre. Demnach sollen die Ergebnisse im Dezember 2026 vorliegen.

Europäische Verzettelung

Zur gleichen Zeit läuft das Projekt „Future Main Battle Tank Technologies“ (FMBTech), in dem binnen drei Jahren ein europäisches Firmenkonsortium unter der Führung der französischen Thales Six GTS in Studien und Konstruktionsentwürfen Technologien erarbeiten soll, die den Kampfpanzer für die moderne hybride Gefechtsführung befähigen sollen (ESuT berichtete).

Wie Thales am 22. April mitgeteilt hat, sind an dem Konsortium 26 Unternehmen aus 13 Mitgliedstaaten der EU und Norwegen beteiligt. Im Rahmen des Projekts sollen modulare und anpassungsfähige Lösungen entwickelt werden, um die Einsatzbereitschaft auf unterschiedlichen und komplexen Gefechtsfeldern zu gewährleisten. Durch den Einsatz innovativer technologischer Bausteine ziele das Projekt darauf ab, eine Zukunft mit agilen, intelligenten und kooperativen Kampfpanzern zu schaffen, um die Grenzen der alternden Flotten in der EU und Norwegen zu überwinden.

Neben Thales, Hensoldt, MBDA und KNDS sucht man die großen Namen des Panzerbaus in der Liste der Unternehmen vergebens.

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird ebenfalls aus dem EDF mit rund 20 Millionen Euro gefördert.

Main Ground Combat System

Neben den beiden europäischen Projekten läuft seit 2012 die deutsch-französische Gemeinschaftsentwicklung Main Ground Combat System (MGCS), bei dem Ende des Jahres die Komponentenentwicklung in Auftrag gegeben werden soll. Im April ist die MGCS Project Company (MPC) gegründet worden, die als Hauptauftragnehmer das MGCS entwickeln und später auch bauen soll. Die Gesellschafter der MPC sind auch an den Projekten FMBTech (Thales Sixt und KNDS France) und MARTE (KNDS Deutschland und Rheinmetall) beteiligt. Auch von den weiteren Unternehmen der beiden Konsortien ist ein Großteil am MGCS beteiligt.

Aufgabe der MPC wird sein, in der ersten Phase des LPA-Entwicklungsvertrags Komponenten zu entwickeln und Auswahlentscheidungen vorzubereiten. Der Vertrag mit einem Volumen im hohen dreistelligen Milliarden Euro-Bereich soll noch in diesem Jahr geschlossen werden. Er läuft also weitgehend zeitlich parallel zu FMBTech und MARTE. Spannend wird zu sehen sein, ob es zu einem Technologietransfer zwischen den Programmen kommt oder ob klare Trennlinien gezogen werden – und welche strategischen Entscheidungen Auftraggeber und Industrie dabei treffen.

Leopard 2 A8

2023 hat Deutschland die europäische Beschaffung des Kampfpanzers Leopard 2 A8, der neusten Iteration des in Europa weit verbreiteten Kampfpanzers angestoßen. Nach der Bestellung von 123 Leopard 2 A8 für den deutschen Bedarf liegen insgesamt Lieferaufträge über 437 Leopard 2 A8 vor bzw. werden erwartet. Nach Tschechien sind erste Exemplare bereits ausgeliefert. Kennzeichen des Leopard 2 A8 ist die Verwendung neuester Technologien u.a. bei Aufklärung, Feuerleitung, Schutz und Kommunikation.

Mehrere hundert Leopard 2 A8 sind in Europa bestellt und werden bis Mitte der 2030er Jahre ausgeliefert. (Foto KNDS Deutschland)

Die Leistungssteigerung für eine Folgeversion – vielleicht unter dem Namen Leopard 3 – ist in der Entwicklung. Geplant sind u.a. eine 130mm-Kanone mit Autolader in einem besatzungslosen Turm, die vollständige Digitalisierung aller Systeme und ein leistungsgesteigertes Triebwerk.

Panther KF51

In die Lücke zwischen derzeitigen Kampfpanzern und dem MGCS drängt auch Rheinmetall mit dem Kampfpanzer Panther KF51, den das Unternehmen mit unbemanntem Turm und 130mm-Bordkanone auf der Eurosatory 2024 vorgestellt hat. (ESuT berichtete). In Ungarn wird der Panther – allerdings mit bemanntem Turm und 120mm-Kanone – zur Serienreife entwickelt. Italien will den Panther KF51 über das Joint Venture Leonardo Rheinmetall Military Vehicles beschaffen.

Der Panther KF51 wird in Ungarn und Italien zur Serienreife entwickelt und soll beginnend in diesem Jahrzehnt ausgeliefert werden. (Foto: Rheinmetall)

In dem vom Leopard 2 abgeleiteten Panther sind zahlreiche Merkmale realisiert, die dem technologischem Standard zukünftiger Kampfpanzer entsprechen und die den bekannten militärischen Forderungen nahekommen.

Konsolidierung

Den europäischen Staaten wird immer wieder vorgeworfen, zu viel unterschiedliche Waffensysteme zu betreiben. Allein im Bereich der Kampfpanzer kursiert eine zweistellige Zahl unterschiedlicher Typen. Und dennoch: Aktuell entwickeln europäische Staaten parallel in mindestens drei voneinander unabhängigen Projekten neue Technologien für moderne Kampfpanzer.

Was als Innovationswettbewerb erscheinen mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen oft als Ausdruck nationaler Eifersüchteleien – der Kampf um Marktanteile überlagert den sicherheitspolitischen Bedarf nach Einheitlichkeit. Wünschenswert wäre, wenn die Entwicklungsergebnisse am Ende zusammengeführt und das Ergebnis in einem gemeinsamen europäischen Kampfpanzer mündet, der in überschaubarem Zeitraum die alternde, heterogene Kampfpanzerflotte ersetzen kann. Der Bedarf in Europa könnte eine langfristige Perspektive für den Panzerbau in Europa bieten, von der Hersteller und Zulieferer in ganz Europa profitieren könnten. Die wahren Gewinner wären aber die Streitkräfte, die querschnittlich mit dem gleichen Panzertyp ausgerüstet werden könnte, der aufgrund der großen Produktionszahlen zudem kostengünstig produziert werden kann.

Gerhard Heiming