Eskalation im Nahen Osten – Israel greift iranische Atomanlagen an
Jannis Düngemann
In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni hat Israel in einer beispielslosen Offensivaktion iranische Militärziele und Atomanlagen angegriffen. Der Iran antwortete zum Freitagabend mit massivem Raketen und Drohnenbeschuss. Die von Israel ausgelöste Eskalation entzündet einen lang befürchteten Konflikt zwischen den verfeindeten Nationen im Nahen Osten.
Bei der Operation „Rising Lion“ nahm Israel Atomanlagen und Kommandozentren in den Fokus. So wurden die überirdischen Anlagen die Anreicherung von Uran in Natanz zerstört, die unterirdischen Bunkerkomplexe sollen jedoch unbeschädigt sein. Die Atomenergiebehörde IAEA sprach von “kontrollierbarer“ radioaktiver Kontamination.
Außerdem bombardierte Israel Ziele in Teheran und der Region Täbris sowie Atomanlagen in Khondab, Khorrambad und Fordo. Auch eine Gruppe von Kommandeuren der iranischen Revolutionsgarden wurde bei einem Angriff auf einen Bunker getötet. Der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden, Hossein Salami wurde in seinem Wohnsitz ausgeschaltet. Iranische Atomwissenschaftler wurden ebenfalls durch Luftschläge auf ihre Wohnorte getötet. Diese groß angelegte Luftkampagne sollen Teams von eingeschleusten Saboteuren im Iran durch elektronische Kriegsführung und Drohneneinsätze gegen Luftverteidigungssysteme ermöglicht haben. Diese Taktik erinnert stark an die ukrainische Operation “Web“, über die die ES&T Anfang Juni berichtete. Luftschläge wurden unter anderem durch F-16 Sufa und F-35 Adir II Kampfflugzeugen ausgeführt, die mit GBU-39 Gleitbomben und Luft-Boden-Raketen bewaffnet waren. Offiziell begründete Israel den Luftangriff damit, der Schritt diene der Eindämmung einer wachsenden Gefahr durch eine mutmaßlich bevorstehende iranische Atomwaffe.
Iranische Reaktion folgte unmittelbar
Der Iran reagierte am 13. Juni mit dem Abschuss von Dutzenden bis Hunderten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern in mehreren Salven unter dem Namen „True Promise 3“. Der israelische „Iron Dome“ fing zwar viele Flugkörper ab, Videos zeigen dennoch multiple Einschläge, unter anderem in Tel Aviv. Dabei Illustrierten deutliche Schockwellen, dass auch fortgeschrittenere Waffen wie die „Fattah“-Systeme eingesetzt wurden. Der Iran griff nach eigenen Angaben militärische Ziele und Flughäfen an, die bei der vorausgegangenen israelischen Offensive involviert waren, darunter auch das Hauptquartier der IDF inmitten von Tel Aviv. Auch über die Nacht wurden hunderte weitere ballistische Raketen abgefeuert.
Für die kommenden Tage kündigte das Regime eine Intensivierung des Raketenbeschusses an und drohte den Partnern Israels – darunter den USA, Großbritannien und Frankreich –, dass jede Form direkter militärischer Beteiligung auch Angriffe auf deren Stützpunkte im Nahen Osten nach sich ziehen werde. Der Iran verfügt über ein immenses Arsenal an ballistischen Raketen, das die schwäche seiner Luftwaffe ausgleichen und als Sicherheitsgarant dienen soll.
Auch eine mögliche Blockade der Straße von Hormus – durch die rund ein Fünftel des weltweit gehandelten Rohöls transportiert wird – wurde von offiziellen iranischen Stellen ins Spiel gebracht. Eine solche Maßnahme würde massive Auswirkungen auf die globale Energiesicherheit haben und gilt als eines der schärfsten Drohszenarien Teherans im Fall einer Eskalation.
Keine Beruhigung in Sicht
Seit dem israelischen Angriff liefern sich beide Seiten fortwährend heftigen Beschuss. Dabei zielten sowohl Israel als auch der Iran neben militärischen Objekten auch auf Industrie- und Energieinfrastruktur. Beispielsweise wurde das iranische South Pars Gasfeld und eine Ölraffinerie in der israelischen Stadt Haifa getroffen. Auch eine Produktionsstätte der israelischen Rüstungsfirma Rafael soll getroffen worden sein. Eine Beruhigung der Situation scheint nicht in Sicht, beide Konfliktparteien scheinen sich auf einen langwierigen Konflikt vorzubereiten. Während man in Tel Aviv schon von einem möglichen „regime change“ im Iran spricht, mobilisierte Teheran die paramilitärische Gruppierung „Basij“, um Checkpoints im ganzen Land einzurichten.
Atomverhandlungen faktisch gescheitert
Bei seiner Rede vor den Vereinten Nationen begründete der israelische Botschafter den Luftschlag mit dem Hinweis auf den fortgeschrittenen Stand des iranischen Atomprogramms – insbesondere der nahezu abgeschlossenen Anreicherung waffenfähigen Urans. Allerdings befindet sich ein erheblicher Teil der iranischen Nuklearinfrastruktur sowie der Entwicklungsstätten für ballistische Trägersysteme tief unter der Erde, was eine vollständige Zerstörung ohne direkte militärische Unterstützung durch die USA äußerst unwahrscheinlich macht.
So liegen die Anreicherungsanlagen in Fordo und Natanz bis zu 90 Meter unter der Oberfläche und sind durch mehrschichtige Betonstrukturen gesichert. Mit dem Angriff auf iranische Ziele erschwert Israel die ohnehin festgefahrenen Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran weiter. Nachdem die Gespräche seit Wochen ohne greifbare Fortschritte verliefen, hat Israel nun eigenständig auf die iranische Atomfrage reagiert. Die israelische Regierung unter Premierminister Netanyahu hat stets betont, den Erwerb einer iranischen Atomwaffe unter allen Umständen verhindern zu wollen.
Bereits in der Vergangenheit waren in Jerusalem wiederholt präventive Militärschläge als Option diskutiert worden. Eine Wiederaufnahme diplomatischer Verhandlungen erscheint nach dem aktuellen Vorgehen zunehmend unwahrscheinlich. Auch die Rolle der Vereinigten Staaten im Vorfeld der Eskalation bleibt bemerkenswert. Obwohl sich Washington öffentlich gegen einen israelischen Angriff auf den Iran positionierte, bestätigte Präsident Trump gegenüber dem Wall Street Journal, dass die US-Regierung bereits frühzeitig über die israelischen Pläne informiert war.
Wie die Jerusalem Post berichtet, erfolgte zudem kurz vor Beginn der israelischen Luftoperation die Lieferung von mehr als 300 lasergesteuerten Luft-Boden-Raketen vom Typ AGM-114 „Hellfire“ durch die US-Administration. Mit dem Angriff auf iranisches Territorium richtet sich die israelische Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu gegen ein Regime, das sich wiederholt offen zur Vernichtung Israels bekannt hat und dessen politische Ordnung auf einem fundamentalistisch-theokratischen System basiert. Der Schritt birgt das Risiko einer erheblichen Eskalation im Nahen Osten – mit möglichen Auswirkungen weit über die unmittelbare Region hinaus.
Jannis Düngemann