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Die maritimen Beziehungen zwischen Deutschland und Singapur erfahren eine neue Qualität. Mit der jüngsten Erweiterung des Auftrags zur Lieferung von zwei weiteren U-Booten der Klasse 218SG durch thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) manifestiert sich nicht nur eine technologische Vorreiterrolle Deutschlands, sondern auch eine sicherheitspolitische Neujustierung beider Staaten im geopolitisch sensiblen Raum des Indopazifiks. 

Die RSS Invincible und die RSS Inimitable dahinter auf dem Synchrolift (Foto: Michael Nitz / Naval Press Service)

Geopolitischer Kontext: Sicherheit durch Tiefe 

Singapur zählt trotz geografischer Kleinheit zu den sicherheitspolitischen Schlüsselakteuren Südostasiens. Die Lage an der Straße von Malakka – einer der bedeutendsten maritimen Engstellen der Welt – macht den Stadtstaat zum strategischen Anker für regionale Stabilität. Die Entscheidung zur Erweiterung der U-Boot-Flotte unterstreicht Singapurs Ziel, seine Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit dauerhaft hochzuhalten. Laut Verteidigungsminister Ng Eng Hen sei dies notwendig, um trotz langer Wartungszyklen eine konstante Einsatzbereitschaft zu gewährleisten. 

Die RSS Invincible (Foto: Michael Nitz / Naval Press Service)

Typ 218SG: Deutsche Ingenieurskunst als sicherheitspolitisches Werkzeug 

Die in Kiel gefertigten U-Boote der Klasse 218SG zählen zu den modernsten konventionellen Unterseebooten weltweit. Ihre außenluftunabhängige Brennstoffzellentechnologie erlaubt mehrwöchige Operationen in getauchtem Zustand. Hinzu kommt eine reduzierte akustische und magnetische Signatur – ein zentraler Faktor für verdeckte Operationen in hochsensiblen Seegebieten. Die technischen Anforderungen für das neue Kontingent bleiben unverändert hoch. Aus der Pressemitteilung von thyssenkrupp Marine Systems vom 8. Mai: „Das Design des U-Boot-Typs 218SG ist auf eine niedrige Signatur ausgelegt. Die außenluftunabhängige Antriebsanlage ermöglicht es zudem den Booten, länger unter Wasser zu bleiben“. 

Der neue Vertrag wurde am 7. Mai 2025 zwischen tkMS und Singapurs Defence Science and Technology Agency (DSTA) unterzeichnet – ein deutliches Signal für das gewachsene Vertrauen. Oliver Burkhard, CEO von tkMS, betont: „Unsere Partnerschaft geht weit über die Fertigung der U-Boote hinaus. Wir fühlen uns dem Land tief verbunden und tragen mit unseren Produkten zur Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit des Kundenlandes bei“. 

Die RSS Invincible (Foto: Michael Nitz / Naval Press Service)

Industriepolitische Dimensionen: Kapazitätsauslastung bis 2040 

Die Erweiterung der singapurischen U-Bootflottille ist auch aus deutscher industriepolitischer Sicht bedeutsam: Der Bauauftrag gewährt ausgelastete Fertigungskapazitäten bis in die 2040er Jahre hinein. Der aktuelle Auftragsbestand von tkMS beläuft sich auf rund 16 Milliarden Euro – ein Rekordwert für das Unternehmen. Zusammengefasst sehen die Auftragsbücher vor: 

  • U212CD für Deutschland und Norwegen. Im Rahmen des bilateralen U212CD-Programms wurden bis Ende 2024 insgesamt zwölf Boote beauftragt – sechs durch Deutschland, sechs durch Norwegen. Die neue Generation basiert auf bewährter Brennstoffzellentechnologie, erhält jedoch mit dem ORCCA-System ein zukunftsfähiges Gefechtsführungssystem. Das Programm gilt als Rückgrat der künftigen U-Boot-Kompetenz im Nordatlantik. 
  • Dakar-Klasse für Israel. Bereits im Januar 2022 bestellte Israel drei U-Boote der neu entwickelten Dakar-Klasse bei tkMS – für rund drei Milliarden Euro. Die Bundesregierung unterstützt das Projekt mit ca. 540 Millionen Euro. Die Boote, eine Weiterentwicklung der Dolphin-II-Klasse, erhalten eine außenluftunabhängige Antriebstechnologie sowie tiefgreifende Anpassungen für israelische Systeme. Erste Auslieferung: voraussichtlich ab 2031. 
  • Nun die Bestellung von zwei weiteren U-Booten der Klasse 218SG. 

Neben den U-Bootbauaufträgen konnte die Kieler Werft den Bau des neuen Forschungseisbrechers Polarstern II einfahren. Hinzu kommen Aufträge im Life-Cycle-Management der bereits aktiven U-Boote. 

Die RSS Invincible (Foto: Michael Nitz / Naval Press Service)

Technologiepartnerschaft statt bloßer Export 

Die U-Boot-Kooperation ist Teil einer breit angelegten sicherheitstechnologischen Partnerschaft. Auf der Euronaval 2024 vereinbarten das Bundeswehr-Beschaffungsamt (BAAINBw) und DSTA eine Zusammenarbeit zur Entwicklung neuer Batteriegenerationen und additiver Fertigungstechnologien für maritime Plattformen – und zum vertieften Austausch technischer Expertise. Flottillenadmiral Andreas Czerwinski betonte dabei die strategische Relevanz: „Diese Partnerschaft mit Singapur, einem unserer wichtigsten strategischen Partner im Indo-Pazifik, erlaubt es uns, Schlüsseltechnologien gemeinsam voranzutreiben.“ 

Modell einer multilateralen Sicherheitsarchitektur 

Was sich hier abzeichnet, ist weit mehr als eine bilaterale Lieferbeziehung. Die deutsch-singapurische U-Boot-Partnerschaft verkörpert ein Modell sicherheitspolitischer Resilienz im 21. Jahrhundert – verankert in technologischem Vertrauen, industrieller Leistungsfähigkeit und strategischer Langfristigkeit. 

Deutschland verschafft sich sicherheitspolitische Visibilität in einer Weltregion, die zunehmend zur Arena globaler Machtkonkurrenz wird. Singapur sichert sich Zugang zu hochmoderner Verteidigungstechnologie und zu einem industriellen Partner, der bereit ist, über klassische Exportlogiken hinauszudenken. 

Es ist ein Zeichen einer sich wandelnden globalen Ordnung – und einer Partnerschaft, die sich nicht auf dem Ozean, sondern in der Tiefe manifestiert. 

Für den südasiatischen Stadtstaat bedeutet die erfolgreiche Kooperation mit tkMS bedeutet einen wichtigen Schritt in der Modernisierung der maritimen Sicherheitsarchitektur. Dabei verfolgt Singapur eine ausgewogene Rüstungspolitik: Die Fregatten der Formidable-Klasse (eine Variante der französischen La Fayette-Klasse) wurden in Zusammenarbeit mit der Naval Group (ehemals DCNS) entwickelt und vor Ort gebaut. Im Bereich Bewaffnung und Sensorik arbeitet Singapur eng mit den USA zusammen und setzt auf Harpoon-Seezielflugkörper, U-Boot-Abwehrsysteme und Radartechnik. Zudem nutzt die Marine Boeing P-8A Poseidon für die maritime Überwachung. Israelische Technologien – darunter Drohnen, Elektronik und Raketenabwehrsysteme – kommen zum Schutz der Küsten- und Hafeninfrastruktur zum Einsatz. 

Quellen: 

  • thyssenkrupp Marine Systems GmbH, Pressemitteilung vom 08.05.2025: „thyssenkrupp Marine Systems erhält Auftragserweiterung über zwei weitere U-Boote aus Singapur“ 
  • Parlamentarische Debatte in Singapur, März 2025 (öffentliche Aufzeichnung) 
  • BAAINBw / DSTA Kooperationsvereinbarung, Euronaval Paris 2024 (verfügbar über Bundeswehr und DSTA-Presseportale) 

 

Technisches Profil: U-Boot-Klasse 218SG „Invincible“ 

Merkmal  Details 
Typ  Konventionelles nicht-nukleares U-Boot, außenluftunabhängig (AIP) 
Hersteller  thyssenkrupp Marine Systems, Kiel 
Länge / Verdrängung  ca. 72 Meter / ca. 2.200 Tonnen (getaucht) 
Antriebssystem  Diesel-elektrisch plus außenluftunabhängiger Brennstoffzellenantrieb 
Tauchtiefe  > 400 Meter (geschätzt, offiziell nicht bestätigt) 
Tauchdauer (AIP-betrieben)  Mehrere Wochen (abhängig von Missionsprofil und Energieverbrauch) 
Bewaffnung  Bis zu 8 Torpedorohre, u. a. für „Black Shark“ Schwergewichtstorpedos 
Elektronik / Sensorik  ISUS-100 Gefechtsführungssystem von Atlas Elektronik 
Besatzung  ca. 28 bis 32 Personen 
Stealth-Fähigkeiten  Reduzierte akustische / magnetische Signatur, modernste Schalldämmung 
Besondere Merkmale  Maßgeschneiderte Lösung für tropisches Klima und flache Gewässer 
Lieferzeitpunkt (neue Boote)  Voraussichtlich zwischen 2032 und 2035 

 

Diese Plattform stellt eine technologische Synthese deutscher Unterseeboot-Kompetenz dar, weiterentwickelt auf Basis der U212A-Klasse, angepasst sowohl an die Kundenwünsche als auch die Einsatzbedingungen Südostasiens – u. a. durch Klimaanpassung, vergrößerten Stauraum und optimierte Missionsprofile für die Überwachung flacher Gewässerzonen. 

Vergleich europäischer U-Boot-Bauprojekte:

Eigenschaft U212CD (DE/NO) Damen NL-Vorschlag (Wal-Ersatz) Scorpene (FR/IN/BR) Dolphin II (IL/DE)
Länge (m) 73 77 66,4 68,6
Verdrängung (t, getaucht) 2500 2900 1800 2400
Besatzung 30 34 35 50
  AIP-System Brennstoffzellen Brennstoffzellen+ Li-Ion MESMA / Li-Ion optional,Brennstoffzellen
Tauchtiefe (geschätzt) >400 >300 m ca. 300 m 400 m
Tauchdauer (AIP mehrere Wochen mehrere Wochen ca. 2 Wochen mehrere Wochen
Torpedorohre 6 8 6 10
Gefechtsführungssystem ORCCA (künftig) TMS (Damen) SUBTICS ISUS (mod.)
Bestellte Einheiten (Stand 2025)

 

6 DE + 6 NO = 12 noch offen 14+ (weltweit) 6 (Israel)

 

Hans Uwe Mergener / CK