Gefördert durch den European Defence Fund (EDF) ist das Europäische Projekt „Future Main Battle Tank Technologies“ (FMBTech) gestartet worden. Binnen drei Jahren soll ein europäisches Firmenkonsortium unter der Führung der französischen Thales Six GTS in Studien und Konstruktionsentwürfen Technologien erarbeiten, die den Kampfpanzer für die moderne hybride Gefechtsführung befähigen sollen.
Wie Thales am 22. April mitgeteilt hat, sind an dem Konsortium 26 Unternehmen aus 13 Mitgliedstaaten der EU und Norwegen beteiligt. Im Rahmen des Projekts sollen modulare und anpassungsfähige Lösungen entwickelt werden, um die Einsatzbereitschaft auf unterschiedlichen und komplexen Gefechtsfeldern zu gewährleisten. Durch den Einsatz innovativer technologischer Bausteine ziele das Projekt darauf ab, eine Zukunft mit agilen, intelligenten und kooperativen Kampfpanzern zu schaffen, um die Grenzen der alternden Flotten in der EU und Norwegen zu überwinden.
Nach dem Datenblatt der EU sind Unternehmen aus Belgien (1), Deutschland (1), Finnland (3), Frankreich (6), Griechenland (1), Irland (1), Italien (3), Norwegen (1), Polen (3), Slowakei (1), Slowenien (1), Spanien (1) Tschechien (1) und Zypern (2) beteiligt. Neben Thales, Hensoldt, MBDA und KNDS sucht man die großen Namen des Panzerbaus in der Liste der Unternehmen vergebens.
Das Projekt wird aus dem EDF mit rund 20 Millionen Euro gefördert.
Europäische Verzettelung
Zur gleichen Zeit läuft das Projekt „Main ARmoured Tank of Europe“ (MARTE), mit dem nach EU-Angaben eine neue Kampfpanzerplattform untersucht und entworfen werden soll, die den gegenwärtigen und zukünftigen Bedrohungen und Bedürfnissen gerecht wird und innovative und bahnbrechende Technologien integriert. Darüber hinaus soll der Einsatz solcher Technologien für die Aufrüstung aktueller Kampfpanzer untersucht werden. Das Projekt ziele darauf ab, überlegene Schutz-, Aufklärungs- und Feuerkraftfähigkeiten zu bieten und gleichzeitig die Kosteneffizienz und den Lebenszyklus der Plattform im Vergleich zu bestehenden Kampfpanzerlösungen zu verbessern.
Die Zielsetzung ist sehr ähnlich der im Projekt FMBTech. An MARTE sind unter Koordinierung durch die MARTE ARGE, einem Joint Venture von KNDS Deutschland und Rheinmetall, 47 Unternehmen aus zwölf EU-Mitgliedstaaten und Norwegen beteiligt, darunter die Größen des europäischen Panzerbaus wie KNDS Deutschland und Rheinmetall sowie BAE Systems, DST, GDELS SBS, Hensoldt Optronics, Indra, John Cockerill Defense, Kongsberg, Leonardo, Patria, Renk und Saab. Die Unternehmen repräsentieren Belgien (2), Deutschland (9), Estland (3), Finnland (1), Griechenland (2), Italien (9), Litauen (1), die Niederlande (3), Norwegen (3), Rumänien (1), Schweden (7) und Spanien (6).
Das Projekt MARTE ist auf zwei Jahre angelegt und wird ebenfalls mit rund 20 Millionen Euro gefördert.
Main Ground Combat System
Neben den beiden europäischen Projekten läuft seit 2012 die deutsch-französische Gemeinschaftsentwicklung Main Ground Combat System (MGCS), bei dem Ende des Jahres die Komponentenentwicklung in Auftrag gegeben werden soll. Vor wenigen Tagen wurde die MGCS Project Company (MPC) gegründet, die als Hauptauftragnehmer das MGCS entwickeln und später auch bauen soll. Die Gesellschafter der MPC sind auch an den Projekten FMBTech (Thales Sixt und KNDS France) und MARTE (KNDS Deutschland und Rheinmetall) beteiligt. Auch von den weiteren Unternehmen der beiden Konsortien ist ein Großteil am MGCS beteiligt.
Erste Aufgabe der MPC wird sein, in der ersten Phase des LPA-Entwicklungsvertrags Komponenten zu entwickeln und Auswahlentscheidungen vorzubereiten. Der Vertrag mit einem Volumen im hohen dreistelligen Milliarden Euro-Bereich soll noch in diesem Jahr geschlossen werden. Er läuft also weitgehend zeitlich parallel zu FMBTech und MARTE. Spannend wird zu sehen sein, ob es zu einem Technologietransfer zwischen den Programmen kommt oder ob klare Trennlinien gezogen werden – und welche strategischen Entscheidungen Auftraggeber und Industrie dabei treffen.
Leopard 2 A8
2023 hat Deutschland die europäische Beschaffung des Kampfpanzers Leopard 2 A8, der neusten Iteration des in Europa weit verbreiteten Kampfpanzers angestoßen. Nach der Bestellung von 123 Leopard 2 A8 für den deutschen Bedarf liegen insgesamt Lieferaufträge über 437 Leopard 2 A8 vor bzw. werden erwartet. Nach Tschechien sind erste Exemplare bereits ausgeliefert. Kennzeichen des Leopard 2 A8 ist die Verwendung neuester Technologien u.a. bei Aufklärung, Feuerleitung, Schutz und Kommunikation.
Die Leistungssteigerung für eine Folgeversion – vielleicht unter dem Namen Leopard 3 – ist in der Entwicklung. Geplant sind u.a. eine 130mm-Kanone mit Autolader in einem besatzungslosen Turm, die vollständige Digitalisierung aller Systeme und ein leistungsgesteigertes Triebwerk.
Konsolidierung
Den europäischen Staaten wird immer wieder vorgeworfen, zu viel unterschiedliche Waffensysteme zu betreiben. Allein im Bereich der Kampfpanzer kursiert eine zweistellige Zahl unterschiedlicher Typen. Und dennoch: Aktuell entwickeln europäische Staaten parallel in mindestens drei voneinander unabhängigen Projekten neue Technologien für moderne Kampfpanzer.
Was als Innovationswettbewerb erscheinen mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen oft als Ausdruck nationaler Eifersüchteleien – der Kampf um Marktanteile überlagert den sicherheitspolitischen Bedarf nach Einheitlichkeit. Wünschenswert wäre, wenn die Entwicklungsergebnisse am Ende zusammengeführt und das Ergebnis in einem gemeinsamen europäischen Kampfpanzer mündet, der in überschaubarem Zeitraum die alternde, heterogene Kampfpanzerflotte ersetzen kann. Der Bedarf in Europa könnte eine langfristige Perspektive für den Panzerbau in Europa bieten, von der Hersteller und Zulieferer in ganz Europa profitieren könnten. Die wahren Gewinner wären aber die Streitkräfte, die querschnittlich mit dem gleichen Panzertyp ausgerüstet werden könnte, der aufgrund der großen Produktionszahlen zudem kostengünstig produziert werden kann.
Mit nationaler europäischer Produktion gäbe es dann ein wirtschaftliches Gegengewicht zur Beschaffung von Kampfpanzern im Ausland.
Gerhard Heiming