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Am 25. März 2025 verließ ein russisches Unikum die Ostsee und schickte sich an, seinen Heimathafen in der Nordflotte zu erreichen, in dem die „Ivan Papanin“ am 31. März festmachte. Sie ist Baunummer 1 des Projektes 23550, das aus mehreren Gründen Aufmerksamkeit verdient.

Das Rennen um die Vorherrschaft um die arktischen Ressourcen hat längst begonnen – Russland ist mit seiner Eisbrecherflotte bereits die fähigkeitsstärkste Nation weltweit und setzt neue Maßstäbe mit den neuen militärischen Eisbrechern der Ivan Papanin-Klasse.
(copyright Michael Nitz – Naval Press Service)

Der Klimawandel führt zu einer rasant veränderten Eislandschaft in der Arktis, die einerseits neue wirtschaftliche Chancen – etwa durch kürzere Handelsrouten und den Zugang zu bislang unerschlossenen Rohstoffvorkommen – eröffnet, andererseits aber auch weitreichende geopolitische Herausforderungen mit sich bringt. In diesem Kontext symbolisiert der Kampfeisbrecher „Ivan Papanin“ ein hochmodernes Instrument, das traditionelle Aufgaben eines Eisbrechers mit denen eines Patrouillen- und Schleppschiffs kombiniert. Wenn auch die Zielvorgaben des Kreml nicht erreicht werden, mindestens 80 Millionen Tonnen Güter sollten bis zum Jahr 2024 über die Nördliche Arktikroute verschifft werden, nach Barents Observer wurden insgesamt 37,9 Millionen Tonnen transportiert.

Das Rennen um die Vorherrschaft um die arktischen Ressourcen hat längst begonnen – Russland ist mit seiner Eisbrecherflotte bereits die fähigkeitsstärkste Nation weltweit und setzt neue Maßstäbe mit den neuen militärischen Eisbrechern der Ivan Papanin-Klasse.
(copyright Michael Nitz – Naval Press Service)

Technische Daten und Ausstattung

Die „Ivan Papanin“ knüpft an das Konzept der Ivan Susanin-Klasse an– einem Design aus den späten sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, das bereits robuste Lösungen für den Einsatz unter extremen arktischen Bedingungen lieferte. Mit technologischen Erweiterungen und der Integration moderner Systeme setzt die „Ivan Papanin“ diesen Ansatz fort.

  • Dimensionen und Verdrängung:
    Mit einer Länge von rund 114 Metern und einer Verdrängung von etwa 8.500 Tonnen bietet sie die nötige Stabilität und Reichweite für Langzeiteinsätze in entlegenen arktischen Gewässern.
  • Antriebssystem und Manövrierfähigkeit:
    Das Schiff ist mit einem modernen diesel-elektrischen Antriebssystem ausgestattet, das in Kombination mit zwei leistungsstarken Azimuththrusters und einem zusätzlichen ducted thruster eine außergewöhnliche Wendigkeit ermöglicht – selbst in dynamisch wechselnden und schwierigen Eisbedingungen.
  • Rumpfdesign und Eisbrechkapazität:
    Der verstärkte Rumpf wurde speziell konstruiert, um stationär Eis von bis zu 1,7 Meter Dicke zu brechen und gleichzeitig bei Bewegung im Eis Stabilität zu gewährleisten. Dies ist angesichts der zunehmend unvorhersehbaren Eisdecke von Bedeutung.
  • Sensorik und elektronische Ausstattung:
    Eine fortschrittliche Sensor- und Kommunikationsausstattung, inklusive moderner ESM- (Electronic Support Measures) und ECM-Systeme (Electronic Counter Measures), ermöglicht eine präzise Überwachung des Einsatzgebiets sowie eine schnelle Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Auf der Back und dem Achterschiff lassen sich insgesamt vier Täuschkörperwurfanlagen KT-216 ausmachen – jeweils an Steuerbord- und Backbordseite positioniert. Sie gehören zum Täuschkörperabwurfsystem PK-10, mit dem die „„Ivan Papanin““ insgesamt  40 Schuss wird zur passiven Störung einsetzen kann.
  • Bewaffnung und Zusatzsysteme:
    Die „Ivan Papanin“ verfügt über ein 76,2 mm-Geschütz (Typ AK-176MA) und bietet die Möglichkeit, containerisierte Kalibr-Marschflugkörpersysteme zu integrieren. Letztere waren bei der Überführung des Schiffes aus der Ostsee nicht an Bord.
Das Rennen um die Vorherrschaft um die arktischen Ressourcen hat längst begonnen – Russland ist mit seiner Eisbrecherflotte bereits die fähigkeitsstärkste Nation weltweit und setzt neue Maßstäbe mit den neuen militärischen Eisbrechern der Ivan Papanin-Klasse.
(copyright Michael Nitz – Naval Press Service)

Mehrere Bootsluken erlauben den Einsatz von RHIBs, eines beschusssicheren Stahlrumpfbootes und eines Hovercrafts. Ein Hubschrauberhangar sowie ein dediziertes Helikopterdeck, ausgelegt für einen Kamov Ka-27, sichern den Einsatz von Luftunterstützung.

  • Manövrierfähigkeit im Eis: der modern anmutende Antrieb in Kombination mit den Thrustersystemen sorgen für gute Manövrierfähigkeiten selbst unter schwierigen, instabilen Eisbedingungen.
Eine wegweisende Kapazität, die den Weg für andere Teilnehmer im Kampf um die arktischen Ressourcen vorgibt ?
(copyright Michael Nitz – Naval Press Service)

Einsatzkonzept und strategische Bedeutung

Die „Ivan Papanin“ ist mehr als ein herkömmlicher Eisbrecher. Ihr potentielles Aufgabenspektrum umfasst:

  • Patrouillen- und Überwachungsaufgaben:
    Das Schiff kontrolliert wichtige Handelsrouten – insbesondere jene, die durch den Klimawandel neu erschlossen werden, wie etwa die Nordostpassage – und überwacht den Schiffsverkehr, um unbefugte Annäherungen zu unterbinden.
  • Rettungs- und Hilfseinsätze:
    Dank der robusten Bauweise und der Zusatzausstattung kann die „Ivan Papanin“ in Notfallsituationen rasch und effektiv Unterstützung leisten und entlegene Einrichtungen in der Arktis versorgen.
  • Transport- und Versorgungseinsätze:
    Die logistische Versorgung entlegener Forschungsstationen und militärischer Basen wird durch das Schiff gewährleistet – ein Faktor, um eine dauerhafte Präsenz im hohen Norden aufrechtzuerhalten.
Eine wegweisende Kapazität, die den Weg für andere Teilnehmer im Kampf um die arktischen Ressourcen vorgibt ?
(copyright Michael Nitz – Naval Press Service)

Geopolitischer Kontext und westliche Kapazitäten in der Arktis

Die strategische Bedeutung der Arktis nimmt stetig zu – nicht zuletzt wegen der zunehmenden Rohstoffzugänge und den geopolitischen Rivalitäten. Hier einige wesentliche Punkte:

  • Unterschiedliche maritim operative Ansätze:
    Einige NATO-Mitglieder verfügen bereits über spezialisierte arktische Einsatzmittel. Norwegen etwa setzt auf eigene, für den Einsatz unter extremen Bedingungen optimierte Küstenwachfahrzeuge. Gleichzeitig erwägen Kanada und Dänemark aktuell den Ausbau oder die Modernisierung von Patrouillenschiffen für arktische Gewässer. Finnische Initiativen untermauern zudem den Bedarf an speziell konzipierten Schiffen für den hohen Norden.
  • Ausbau der westlichen Kapazitäten:
    Die USA arbeiten intensiv daran, ihre Präsenz im arktischen Raum zu verstärken. Derzeit sind neue Coast Guard Polar Security Cutters in Entwicklung und im Bau – Schiffe, die darauf ausgelegt sind, veraltete Klassen zu ersetzen und den speziellen Herausforderungen der Region gerecht zu werden.
  • Ein wettbewerbsintensives, aber noch nicht entschiedenes Rennen:
    Trotz einzelner Fortschritte bleibt die NATO als Bündnis in der Maritimen Arktis-Strategie noch hinter Russland zurück. Die westlichen Alliierten befinden sich weiterhin in der Phase der Modernisierung und Koordination, um den wachsenden Herausforderungen der Arktis gerecht zu werden.
Der militärische Eisbrecher RFS Ivan Papanin: Einzigartig und mit Alleinstellungsmerkmal – das Rüstzeug der russischen Marine um in einer künftig zunehmend militarisierten Arktis bestehen zu können.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Die „Ivan Papanin“ demonstriert eindrucksvoll, wie moderne Technologie und ein vielseitiges Einsatzkonzept den sich wandelnden Herausforderungen im arktischen Raum begegnen können. Mit fortschrittlicher Antriebstechnik, einem robusten Rumpfdesign, umfassender Sensorik und vielseitigen Einsatzmöglichkeiten ist sie bestens gerüstet, um in den extremen und dynamisch veränderten Bedingungen des hohen Nordens zu operieren.

Strategisch symbolisiert die „Ivan Papanin“ Moskaus ungebrochenen Willen, seine Souveränität und strategischen Interessen im hohen Norden zu verteidigen – auch wenn ein einzelnes Schiff noch keine flächendeckende operative Präsenz etabliert. Während einerseits die EU, was die Nordostpassage betrifft, trotz ihrer Arktis-Strategie ein Vakuum hinterlässt, engagieren sich Russland und China. Mit der „Ivan Papanin“ unternimmt Russland einen ersten Schritt in Richtung eines hochspezialisierten Schiffes. Sie steht für die zunehmende Dynamik im Wettlauf um Kontrolle und Sicherung der arktischen Seewege und Ressourcen.

Der militärische Eisbrecher RFS Ivan Papanin: Einzigartig und mit Alleinstellungsmerkmal – das Rüstzeug der russischen Marine um in einer künftig zunehmend militarisierten Arktis bestehen zu können.

Der strategische Wettbewerb in der Arktis spielte lange Zeit eine untergeordnete Rolle– bis aktuelle geopolitische Entwicklungen und der Klimawandel die Region wieder in den Fokus rück(t)en. Internationale Think Tanks zeichnen ein Bild, in dem Russland den Arktischen Raum nicht nur als Rohstoff- und Transportzone nutzt, sondern auch als Schauplatz einer neuen globalen Machtpolitik, in der militärische und wirtschaftliche Elemente eng miteinander verknüpft sind. Die Zusammenarbeit mit China in der Region ist dabei ein entscheidendes Element, um westliche Sanktionen zu umgehen und die strategische Position Russlands weiter zu stärken. Gleichzeitig wird diese Kooperation von westlichen Akteuren mit Skepsis betrachtet, da sie befürchten, dass sie die geopolitische Spaltung und den Wettbewerb im hohen Norden weiter verschärfen könnte.

Der militärische Eisbrecher RFS Ivan Papanin: Einzigartig und mit Alleinstellungsmerkmal – das Rüstzeug der russischen Marine um in einer künftig zunehmend militarisierten Arktis bestehen zu können.

Der Zulauf von eisfähigen Mehrzweck-Patrouillenschiffen (Schlepper, Eisbrecher und Überwasserkampfeinheiten in einem), verdeutlicht die Ernsthaftigkeit Moskaus, seine politischen und wirtschaftlichen Absichten für den arktischen Wirtschaftsraum um- und durchzusetzen – und lässt dabei offensichtlich militärische Fähigkeiten nicht außer Acht. Die russische Flagge, die russische Tauchkapseln 2007 unter dem Nordpol platzierten, symbolisierte nicht von ungefähr den russischen Anspruch. Der wird praktiziert: so sollen zwischen der norwegisch-russischen Grenze und der Beringstraße seit 2013 sieben Militärbasen neu errichtet worden sein, unter anderem mit der Stationierung von S-400 Boden-Luft-Batterien. Seiten des russischen Militärs wird die Arktis zudem als ein Faktor gesehen, die Reichweiten der strategischen Komponente effizient zu nutzen. ‚Kampf-Eisbrecher‘ passen da ins Bild. Die „Ivan Papanin“ und ihresgleichen können mehr als nur in arktischen Gewässern patrouillieren. Mit ihr lassen sich andere Schiffe, die ggf. unerlaubt die Passage nutzen, aufbringen und in eigene Häfen schleppen. Sie kann unter Umständen sensible Güter transportieren und als Unterstützungsschiff in einer Kampfgruppe eingesetzt werden.

Der militärische Eisbrecher RFS Ivan Papanin: Einzigartig und mit Alleinstellungsmerkmal – das Rüstzeug der russischen Marine um in einer künftig zunehmend militarisierten Arktis bestehen zu können.

Russland möchte seine Präsenz auf den globalen Märkten für Flüssigerdgas ausbauen, die ihm die Arktis bietet. Die Erderwärmung schafft die Gelegenheit. Eisbrecher wie die „Lider“ und „Ivan Papanin“ helfen, einen direkten Zugang zu den Abnehmern in den asiatisch-pazifischen Ländern zu eröffnen. Dabei scheinen die Bemühungen einheitlich und harmonisiert ausgerichtet. Insofern erleben wir im besten Clausewitz’schen Sinne wie Zweck, Ziel und Mittel zusammengeführt werden – ressortübergreifend.

Doch macht auch eine Schwalbe noch lange keinen Sommer. Die extremen arktischen Bedingungen – etwa die mangelnde Infrastruktur und die enormen Entfernungen – erschweren militärische Operationen erheblich. Insofern bleiben Seekriegsmittel das Projekt erstmals noch durch Umwelt- und Infrastrukturprobleme limitiert.

Hans Uwe Mergener und Michael Nitz