
IPD 2024: Deutsche Marine und Rüstungsindustrie im Indopazifik
Christian Frhr. v. Oldershausen
Die deutsche Marine und Rüstungsindustrie präsentierten sich beim Indo-Pacific Deployment (IPD) 2024 erfolgreich als Partner in der strategisch wichtigen Indopazifik-Region. Mit Industrieausstellungen in sechs Häfen und intensiver Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren setzte Deutschland neue Maßstäbe. Doch es gibt noch Raum für Verbesserungen in Planung und Koordination.
Es ist Usus, dass die deutsche maritime Rüstungsindustrie Auslandsreisen von Marineschiffen zur Darstellung ihrer Leistungsfähigkeit nutzt. Diese Industrieausstellungen sollen potenziellen Kunden von der Zuverlässigkeit und dem Nutzen der Systeme und Produkte gerade anhand ihres Einsatzes auf Schiffen der eigenen Marine überzeugen. Die neuesten Technologien und innovativen Lösungen können in realen Einsatzszenarien präsentiert werden, was das Interesse der Kunden stärkt. Zudem fördern sie den Austausch von Fachwissen und Erfahrungen zwischen den verschiedenen Akteuren der Branche, was zu einer kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung der Produkte an die spezifischen Anforderungen der Kunden führt. Insgesamt tragen solche Leistungsshows dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der Anbieter in internationalen Märkten zu erhöhen und langfristige Geschäftsbeziehungen zu etablieren und zu festigen.
Indo-Pacific Deployment 2024 der Deutschen Marine
Laut bundeswehr.de war das Indo-Pacific Deployment 2024 (IPD24) „das wichtigste Vorhaben der Deutschen Marine der Verteidigungsdiplomatie und verstärkten Sicherheitskooperation“ im vergangenen Jahr. Dabei war mehr als „nur“ Flagge zeigen angesagt. Während des siebenmonatigen Einsatzes, von Mai bis Dezember 2024, haben die Fregatte „Baden-Württemberg“ und der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ an verschiedenen multinationalen Marinemanövern teilgenommen, darunter die von den USA geführte Übung RIMPAC 2024, an der rund zwei Dutzend Marinen beteiligt waren.
IPD24 hatte eine weitere Dimension. „Gemeinsam mit europäischen und indo-
pazifischen Partnern hat Deutschland am 1. Juni 2024 eine Grundsatzerklärung für die Zusammenarbeit der indo-pazifischen Verteidigungsindustrie unterzeichnet“, heißt es im Fortschrittsbericht der Bundesregierung „über die Umsetzung der politischen Leitlinien der Bundesregierung für den Indo-Pazifikraum bis zum Jahr 2024“. Parallel zum Hafenbesuch in Singapur erschien am 12. September 2024 eine Pressemitteilung der Botschaft, in der neben der Beteiligung an militärischen Übungen auch die Stärkung der verteidigungsindustriellen Zusammenarbeit im indopazifischen Raum betont wurde.
Diesen hehren Absichten Rechnung tragend war es gegenüber den zaghaften Ansätzen der Vergangenheit umso erfreulicher, dass zum IPD24 die deutsche Marineschiffbau- und Rüstungsindustrie gebeten wurde, sich in Form einer Industrieausstellung zu beteiligen. Die Mission war klar: Präsenz Deutschlands in der strategisch wichtigen Indopazifik-Region zu stärken und die Leistungsfähigkeit deutscher maritimer Technologien und Systeme zu demonstrieren, was beim vorhergehenden Deployment der Marine im Jahr 2021 nicht der Fall gewesen ist.
Beurteilung durch die teilnehmenden Industrieunternehmen
Die deutsche Industrie konnte bei sechs Hafenanläufen des Verbandes (Halifax, Tokio, Incheon, Jakarta, Port Klang und Goa) strategische Partnerschaften in den jeweiligen Ländern stärken, Technologien und Produkte vorstellen und wertvolles Feedback im Austausch mit lokalen Partnern, Kunden und Endnutzern erhalten. Die Präsenz deutscher politischer VIPs und hochrangiger Vertreter der Bundeswehr insbesondere in Tokio und Goa unterstrich die Bedeutung des IPD 2024. Die Unterstützung durch die Deutsche Marine bei der Organisation und Durchführung der Industrieevents war erstklassig und wurde sehr geschätzt.
Beteiligte Industrieunternehmen bezeichneten die erfolgreiche Teilnahme der Fregatte „Baden-Württemberg“ am IPD24 als wichtigen Meilenstein des Nachweises der Intensivnutzbarkeit und hoben die beeindruckende Demonstration ihrer Fähigkeiten in multinationalen Übungen hervor. Die zuverlässige Leistung der deutschen Schiffe im Allgemeinen sowie die Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit des Einsatzgruppenversorgers „Frankfurt am Main“, insbesondere bei der Versorgung von Verbänden und der medizinischen Unterstützung auf hoher See, konnten auf dieser Weltumrundung eindrucksvoll demonstriert werden.
Letztendlich zeigte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz dem Nutzen des IPD24 gegenüber aufgeschlossen. „Es nützt Frieden und Sicherheit, dass man hier so lange dabei war“, so Kanzler Scholz in einem Pressestatement anlässlich seines Besuches beim Hafenaufenthalt des Verbandes in Goa. Und führte im Hinblick auf die verteidigungsindustrielle Zusammenarbeit, in diesem Fall mit Indien, aus: „Wenn man möchte, dass Länder eigenständig agieren können, dann muss man ihre Souveränität und Unabhängigkeit auch fördern. Das kann eben auch bedeuten, dass wir ihnen im Rahmen unserer Rüstungskooperation helfen. Ich halte das für eine richtige Entwicklung pragmatischer Politik.“
Verbesserungspotenzial für zukünftige Einsätze unter Beteiligung der deutschen Industrie
Eine frühzeitige Einbindung aller Beteiligten in einen gemeinsamen Dialog zur Planung der Industriebeteiligung ist essenziell, um in der Koordination zwischen den beteiligten Regierungsressorts in Berlin, den deutschen Botschaften in den anzulaufenden Häfen, der Deutschen Marine und der beteiligten Industrieunternehmen unterschiedliche Erwartungen und damit Missverständnisse zu vermeiden. Die Gesamtkoordination durch den Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie BDSV und eines durch die Industrie benannten „Industrie-Botschafters“ hat sich bewährt.
Eine präzise Abstimmung der Ziele für die Industrieveranstaltungen, die sowohl die Erwartungen der Marine als auch der deutschen Botschaften im Ausland berücksichtigte, war von entscheidender Bedeutung. Die Erstellung von Leitlinien, die Formatvorgaben und inhaltliche Ziele definierten, ermöglichte nicht nur einen Orientierungsrahmen für die Unternehmen, sondern gewährt auch ein konsistentes, professionell und einheitliches Erscheinungsbild der Industrie. Mit einem gemeinsamen Briefing aller relevanten Entscheidungsträger im Vorfeld war sichergestellten dass alle Beteiligten über ein einheitliches Verständnis der Veranstaltungsinhalte und -ziele verfügten.
Fazit
Die insgesamt positiven Reaktionen unterstreichen die Bedeutung des IPD24 für die Stärkung internationaler Partnerschaften und die Förderung der maritimen Sicherheit in der Indopazifik-Region.
Aus Sicht der deutschen Marineschiffbau- und Rüstungsindustrie hat das Indo-Pacific Deployment 2024 eindrucksvoll bewiesen, dass die Beteiligung der Industrie in einem internationalen und militärischen Umfeld von großem Nutzen ist, jedoch auch Verbesserungspotenzial aufweist. Die direkte Interaktion mit Endnutzern und politischen Entscheidungsträgern förderte Innovationen und stärkte die bilateralen Beziehungen. Trotz gewöhnlicher Unwägbarkeiten konnten Unternehmen ihre Ziele erreichen, ihre Sichtbarkeit erhöhen und wertvolle Kontakte knüpfen. Um diese positiven Entwicklungen zu verstetigen, ist eine Teilnahme an zukünftigen Deployments sinnvoll. Angesichts des Auftretens europäischer Mitbewerber wäre eine gewisse Lässigkeit im Zusammenspiel Bundesregierung-Marine-Industrie bei derartigen Unterfangen förderlich.
Beispiele anderer Nationen
Dieses Instruments bedienen sich andere europäische Nationen ohne Ressentiments. Selbstbewusst betreiben sie koordinierte unabhängige Marineschiffbauindustriepolitik. Dass sie ihre Marineschiffe während ihrer Auslandseinsätze nutzen, um Technologien und Bordsysteme zu präsentieren, verstehen sie als Selbstverständlichkeit.
• Niederlande: Die Niederlande sind seit jeher eine mächtige Seefahrernation mit starken Handelsbeziehungen in die ganze Welt und verfügen über ein jahrhundertealtes, breites und fundiertes Fachwissen in den Bereichen Schiffbau, Marineforschung und Marinerüstung. Dieses führte zu starken Synergien und Interaktionen zwischen der Beschaffungsbehörde COMMIT des Verteidigungsministeriums, der Industrie und den Forschungs- und Entwicklungsinstituten. Diese drei Akteure bilden mit dem Dutch Naval Cluster einen der stärksten maritimen Verbünde.
Das Joint Support Ship der Königlichen Niederländischen Marine HNLMS „Karel Doorman“ hat häufig als Plattform für die Präsentation niederländischer maritimer Technologien gedient. Bei Besuchen in verschiedenen Auslandshäfen wurden Systeme und Ausrüstungen niederländischer Hersteller potenziellen Kunden vorgestellt. Dieses führte zu mehreren Verträgen mit verschiedenen Ländern.
• Großbritannien: In jüngster Zeit haben die britische Marine- und Schifffahrtsindustrie im Rahmen der National Shipbuilding Strategy bedeutende Schritte unternommen, um die zentrale Rolle für die nationale Sicherheit, technologische Innovation und Wirtschaftswachstum zu unterstreichen. Die britische Regierung arbeitet in Partnerschaft mit der britischen Verteidigungsindustrie daran, den Export von Marineschiffen, -systemen und -ausrüstung zu erhöhen. Dabei werden Schiffstypen von Anfang an mit Blick auf den Export konzipiert. Exportfähigkeit ist eine Schlüsselanforderung, die die Industrie erfüllen muss. Erste Erfolge konnten mit dem Export der Fregatten des Typs Type 26 und 31 in diverse Länder verbucht werden und damit die maritimen Fähigkeiten des Landes gestärkt.
Während seiner Einsätze im Indopazifik demonstrierte das Flaggschiff der Royal Navy, der Flugzeugträger HMS „Queen Elizabeth“, britische Ansätze in maritimen Schlüsseltechnologien.
• Frankreich: Wie bei den Niederlanden und Großbritannien blickt der Marineschiffbau auch in Frankreich auf eine mehrere Hundert Jahre lange Tradition zurück. Nach einer tiefgreifenden Umstrukturierung des Sektors zwischen 1970 und 1980 infolge der Verlagerung von zivilen Großbauprojekten nach Asien deckt der französische Marineschiffbau immer noch die gesamte Palette von Kriegsschiffen ab – von nuklear angetriebenen Schiffen (U-Boote, Flugzeugträger) bis hin zu einem breiten Spektrum an Fregatten (FREMM und FDI), Korvetten, Patrouillenbooten und Kampfdrohnen.
Das Landungsschiff „Dixmude“ diente während seiner Einsätze im Mittelmeer und im Indischen Ozean neben seinen operativen Aufgaben als Plattform für die Präsentation französischer maritimer Technologien. Bei Hafenbesuchen führten französische Unternehmen ihre neuen Systeme und Ausrüstungen vor.
Diese Beispiele zeigen, wie andere Nationen Auslandseinsätze ihrer Marinen effektiv nutzen, um die Leistungsfähigkeit ihrer Systeme und Technologien gemeinsam im Schulterschluss zwischen Beschaffer, Nutzer und Industrie zu demonstrieren und potenzielle Kunden zu gewinnen und bestehende (Geschäfts-)Beziehungen zu festigen.
Christian Frhr. v. Oldershausen