
Einigung über die Finanzierung der Bundeswehr
Gerhard Heiming
Begleitet von der Demontage der Ukrainepolitik durch die US-Regierung haben sich CDU/CSU und SPD in den Sondierungsgesprächen auf eine neue Finanzierungsgrundlage für die Bundeswehr geeinigt. In Zukunft sollen Ausgaben für die Bundeswehr, die ein Prozent des BIP überschreiten, von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Ein Prozent des BIP entspricht zurzeit etwa 45 Milliarden Euro. Die Höhe der zusätzlich verfügbaren Finanzmittel ist, soweit bekannt, nicht begrenzt. Beobachter schätzen, dass bis zu 400 Milliarden Euro bereitgestellt werden könnten.
Auswirkung auf den Haushalt
Das bedeutet, dass der Einzelplan 14 künftig entsprechend dem Bedarf der Bundeswehr ausgeplant werden kann. Als Untergrenze könnte dann das Zwei-Prozent-Ziel der NATO gelten – ein Wert, der angesichts der aktuellen Entwicklungen mit hoher Wahrscheinlichkeit bald nach oben korrigiert wird. Drei Prozent des BIP würden etwa 135 Milliarden Euro jährlich für den Verteidigungsetat bedeuten.
Für das Jahr 2025 sieht der Regierungsentwurf bislang 75,2 Milliarden Euro für den Einzelplan 14 und das Sondervermögen Bundeswehr vor, ergänzt durch weitere Verteidigungsausgaben anderer Ressorts in Höhe von rund 20 Milliarden Euro. Zusammengenommen ergibt das etwa 95 Milliarden Euro, was rund 2,1 Prozent des BIP entspricht. Für die kommenden Jahre bis 2028 sind derzeit keine wesentlichen Anpassungen vorgesehen.
Sollte das NATO-Ziel auf drei Prozent angehoben werden, entstünde somit eine Finanzierungslücke von 40 Milliarden Euro. In diesem Fall würden die anvisierten 400 Milliarden Euro für die Bundeswehr etwa zehn Jahre reichen – also bis weit in die Mitte der 2030er Jahre hinein
Aufgliederung des Bedarfs
Inzwischen liegen bereits grobe Schätzungen vor, wie die zusätzlichen Mittel verwendet werden sollen. Für den Ausbau der Cyber-Abwehr, der Digitalisierung, der Kommunikationssysteme (IT) und die Beschaffung von Drohnen werden 150 Milliarden Euro veranschlagt. Der Bedarf für Transportflugzeuge und den Ausbau der Logistik könnte bis zu 100 Milliarden Euro betragen. Für Flugabwehr und Großsysteme sehen Beobachter eine Größenordnung von 150 Milliarden Euro.
Noch nicht berücksichtigt ist der zusätzliche Bedarf, der entstehen könnte, wenn sich die USA weiter aus der Ukraine und Europa zurückziehen. Aus der NATO-Planung für zusätzliche Kampftruppenbrigaden könnte auf Deutschland die Forderung nach fünf bis sechs weiteren Brigaden zukommen – inklusive Stationierung, Ausrüstung und Personalaufstockung. Bereits die derzeit im Aufbau befindliche Litauen-Brigade verschlingt nahezu eine Milliarde Euro. Um die strategische Aufklärung unabhängig von den USA zu machen, wäre zudem der Aufbau eines globalen Satellitennetzes erforderlich.
Nahezu haushaltsreife Vorhaben könnten schnell umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem die Radhaubitzen Boxer RCH155, Radschützenpanzer Boxer RCT 30, gepanzerte Transportfahrzeuge 6×6 Patria als Ersatz für die alternden Transportpanzer 1 Fuchs, Werfer für die Raketenartillerie, die Modernisierung und Beschaffung weiterer Eurofighter. Zudem könnte die Beschleunigung zahlreicher Rahmenverträge – etwa für Munition, das Tactical Wide Area Network (TaWAN), den Reaktivschutz für die Schützenpanzer Puma, Führungsfunkgeräte, die IT-Integration D-LBO sowie geschützte und ungeschützte Radfahrzeuge – zügig erfolgen.
Beschleunigung der Auslieferung
Die Erfahrung der letzten Jahre haben gezeigt, dass die bloße Bereitstellung von Finanzmitteln nicht ausreicht. In den Jahren 2023 und 2024 konnte die Ampel-Regierung fast fünf Milliarden Euro an vorgesehenen Haushaltsmitteln für Beschaffungen nicht ausgeben. Offenbar war die Industrie nicht in der Lage, ihre Produktionskapazitäten so schnell auszuweiten, wie der Bedarf angewachsen ist. Trotz umfangreicher Neubauprogramme zur Erhöhung der Kapazitäten bleiben Fachkräfte und Langläuferteile ein limitierender Faktor.
Darüber hinaus ist der Zeitabstand zwischen Beauftragung der Industrie und der Auslieferung an die Truppe ein Hemmnis für die schnelle Aufrüstung. Hier geht es vor allem um die Beschleunigung der Prozesse bis zur Genehmigung der Nutzung (GeNu) als Voraussetzung für den Betrieb in der Truppe.
Einfluss der Unterstützung der Ukraine
Sollte der am 4. März von US-Präsident Donald Trump verkündete Stopp der Ukraine-Hilfe dauerhaft bestehen bleiben, wird die finanzielle Unterstützung der Ukraine allein nicht ausreichen. Dringend benötigtes Material, wie beispielweise die Patriot-Batterien, die in Polen stationiert sind und als US-Spende vorgesehen waren, müssen wie vieles andere US-Gerät mit Werten in Milliarden Dollar-Höhe ersetzt werden. Das bedeutet, dass die europäischen Staaten deutlich mehr Waffen und Munition aus ihren Beständen abgeben müssen als bisher. Für Deutschland bedeutet das, dass sie zu Lasten des durch die teilweise Aufhebung der Schuldenbremse erhöhten Verteidigungsetats wiederbeschafft werden müssen. Der Einzelplan 60, aus dem bisher die Ukraine-Hilfe bezahlt wurde, zählt schließlich zu den Verteidigungsausgaben, die auf das NATO-Ziel angerechnet werden.
Folgerungen
Mit der nun bestehenden Möglichkeit, den Verteidigungsetat ohne Begrenzung zu planen, kann die Bundeswehr in absehbarer Zeit auftragsgerecht ausgestattet werden. Allerdings muss das Budget jährlich im Aufstellungsverfahren für den Bundeshaushalt durch die parlamentarische Billigung, wo durch die Bereitstellung von Finanzmitteln (oder auch nicht) in die langfristige Planung der Vorhaben eingegriffen werden kann. Nicht genutzte Finanzmittel verfallen am Jahresende. Demgegenüber ist das bestehende Sondervermögen Bundeswehr von der Jährlichkeit ausgenommen.
Wenn auch die zusätzlichen Finanzmittel von der Schuldenbremse ausgenommen sind, müssen die dafür aufgenommenen Kredite aus dem Bundeshaushalt bedient werden. Bereits für 2025 sind 33,2 Milliarden Euro für den Schuldendienst eingeplant. Durch die zusätzlichen Kredite für den Verteidigungsetat und für das gleichzeitig geplante Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro wird der Schuldendienst auf über 50 Milliarden Euro anwachsen und die Gesamtgestaltung des Bundeshaushalts maßgeblich beeinflussen.
Die zusammengerechneten 900 Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur über die nächsten zehn Jahre sind ein starkes Signal für die Herstellung der Zukunftsfähigkeit Deutschlands. So hoch wie die Summe auch erscheinen mag, sei daran erinnert, dass der Bund nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland etwa die gleiche Summe investiert hat.
Wie geht es weiter?
Da die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im 21. Bundestag voraussichtlich nur schwer zu erreichen wäre, ist eine Sondersitzung des alten Bundestags geplant, in der die Grundgesetzänderung beschlossen werden soll. Anvisiert ist die 11. Kalenderwoche ab dem 10. März.
Für die notwendige Mehrheit müssen insbesondere Die Grünen und die FDP überzeugt werden, die dem Vorhaben grundsätzlich zustimmen, jedoch bereits Änderungsbedarf angemeldet haben.
Gerhard Heiming