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Mitten in der Ungewissheit über die Absichten russischer Marineeinheiten im östlichen Mittelmeer erregt eine Schiffsbewegung in der Ostsee und ihren Zugängen Aufmerksamkeit. Am 10. Dezember gegen 14.00 Uhr passierte das Landungsschiff der Ropucha Klasse „Aleksandr Shabalin“, Hullnummer 110, mit Nordkurs die Brücke über den Großen Belt mit unklarem Ziel. Ist sie auf dem Weg ins Mittelmeer? Und wenn ja: mit welcher Zielsetzung – geographisch wie operativ? Sicher ist, dass das Landungsschiff im November 2014 zumindest temporär der russischen Mittelmeerflotte zugeordnet werden konnte. Kehrt die „Aleksandr Shabalin“ etwa dorthin zurück?

Im Herbst 2023 wurde sie in die Ostsee zurückkehrend beobachtet, um sich, russischen Quellen zufolge, für einen Wartungsaufenthalt nach Kronstadt zu begeben. Im Sommer nahm sie den Ausbildungsbetrieb auf. TASS berichtete am 7. und 13. August 2024 über Artillerie- und Landungsübungen, an denen sie beteiligt war. Im September war die „Aleksandr Shabalin“ Teilnehmerin am mehrwöchigen Großmanöver Okean 2024.

Die Situation der russischen Marine in und um Syrien ist derweil unklar. Trotz der offiziellen Berichte über eine teilweise Evakuierung der Marinebasis in Tartus, deuten die Auswertungen von Satellitenbildern durch Experten darauf hin, dass mehrere russische Schiffe weiterhin in der Region präsent sind. Sie liegen demnach nordwestlich von Tartus vor Anker. Vier Schiffe konnten auf den kommerziellen Satellitenaufnahmen ausgemacht werden: die Lenkwaffenfregatte der Admiral Gorshkov Klasse „Admiral Golovko“, eine weitere Lenkwaffenfregatte „Admiral Grigorovich“, Typschiff der gleichnamigen Klasse, ein U-Boot der modifizierten Kilo Klasse „Novorossiysk“ und einen Tanker, mutmaßlich die „Vyazma“, ein Hilfsschiff der Kaliningradneft Klasse. Die bis zu den jüngsten Ereignissen ebenfalls in Tartus stationierte Fregatte „Admiral Gorschkov“ und das Hilfsschiff der Altay Klasse „Yelnya“ konnten nicht ausgemacht werden. Beobachter gehen davon aus, dass beiden Schiffe das Mittelmeer verlassen haben und in ihre Nordflotten-Heimat zurückkehren.

Bedeutung einer Mittelmeer-Militärbasis für Moskau

Der Analyst A. Masiello jedenfalls stellt nach Auswertung der Satellitenaufnahmen fest, dass die russische Marinebasis in Tartus in Syrien nicht vollständig leer ist. Drei russische Schiffe, darunter eine Einheit aus dem Projekt 21980 oder Grachonok-Klasse und zwei Projekt 03160 Raptor-Klasse (Hochgeschwindigkeits-Küstenpatrouillenboote), sollen sich weiterhin dort aufhalten. Masiello folgert daraus, dass der Marinestützpunkt auch im Falle einer Evakuierung in russischer Hand bleibe.

Allgemein sind sich die Analysten einig, dass die Marinebasis in Tartus für Russland von strategischer Bedeutung bleibt. Sie ist bisher der einzige Flottenstützpunkt außerhalb des russischen Territoriums. Wie vom Militärflugplatz Hmeimim aus, konnte Moskau von hier seine Kräfte ins Mittelmeer projizieren, seine geopolitischen Interessen in der Region wahren.

Experten wie der österreichische Militärhistoriker Oberst Markus Reisner und der britische Politologe Mark Galeotti betonen die strategische Wichtigkeit der russischen Stützpunkte in Syrien. Sie glauben, dass Russland versuchen wird, Vereinbarungen mit den neuen Machthabern in Syrien zu treffen, um seine militärische Präsenz in der Region zu sichern.

Sollten die Versuche, sich mit dem neuen syrischen Regime zu arrangieren, scheitern, so wird Moskau bestrebt sein, andere Wege zu finden, um seine militärische Präsenz in der Region zu sichern und zu erweitern. Ein Stützpunkt im Mittelmeer sichert Russland nicht nur Zugang zu Ressourcen, sondern auch eine Einflussposition in Nordafrika und darüber hinaus.

Würde das Landungsschiff „Aleksandr Shabalin“ das Mittelmeer befahren, würde es sich eine besondere strategische Option sichern. Neben seiner möglichen logistischen Unterstützung für die verbleibenden Schiffe, wäre auch die Umladung bzw. der Transport von Material in einen anderen Hafen denkbar. Internationale Experten verweisen im Zusammenhang mit der russischen Stützpunktfrage im Mittelmeerraum gerne auf Libyen und Algerien.

Michael Nitz und Hans Uwe Mergener