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Während die geopolitischen Spannungen im Indischen Ozean zunehmen, steht ein entscheidendes Ereignis bevor. Die deutsch-indischen Regierungskonsultationen am 24. Oktober in Neu-Delhi könnten das P-75I-Projekt der indischen Marine maßgeblich voranbringen. Unter dem Motto „Growing Together with Innovation, Mobility and Sustainability“ wird Bundeskanzler Olaf Scholz an den Gesprächen teilnehmen, um die bilaterale Zusammenarbeit zu stärken. Das U-Boot-Projekt ist durchaus bedeutsam für die deutsche Industrie, da es innovative Technologien fördert und neue Märkte erschließt. Höhepunkt der Reise ist der Besuch von Bundeskanzler Scholz in Goa am 26. Oktober, wo er die Fregatte „Baden-Württemberg“ und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ besichtigt.

Mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius an Bord segelt thyssenkrupp Marine Systems auf Erfolgskurs, um Indiens U-Boot-Flotte mit hochmoderner Technologie zu stärken. In einer Zeit, in der maritime Sicherheit und technologische Überlegenheit im Rampenlicht stehen, könnte diese Partnerschaft die strategische Tiefe Indiens gegenüber regionalen Herausforderern vertiefen und ein neues Kapitel in der internationalen Verteidigungszusammenarbeit aufschlagen.

Modernisierung der indischen U-Boot-Flotte

Die Modernisierung und Erweiterung der indischen Marineflotte ist ein entscheidender Schritt, um den maritimen Herausforderungen, insbesondere der wachsenden Präsenz der chinesischen Marine, effektiv zu begegnen. Das P-75I-Projekt, das die Beschaffung von sechs neuen U-Booten vorsieht, ist ein zentraler Bestandteil dieser Strategie. Diese U-Boote sollen nicht nur die bestehende Flotte ergänzen, sondern auch den Weg für die Entwicklung und Produktion einheimischer U-Boot-Modelle ebnen. Die indische Marine strebt dabei eine Balance zwischen der Modernisierung ihrer Kapazitäten und der Förderung der heimischen Industrie an, was sich im „Make in India“-Ansatz widerspiegelt. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die lokale Fertigung zu stärken und Indien als einen globalen Fertigungsstandort zu etablieren.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Indien seine U-Boot-Flotte nicht nur durch Neubauten, sondern auch durch die Modernisierung bestehender Einheiten stärkt. So wurde kürzlich ein Vertrag mit thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) zur Überholung und Modernisierung des U-Bootes INS „Shankush“ unterzeichnet, welches Teil der in den 1980-er Jahren gebauten HDW-Klasse 209 Typ 1500 ist. Dies deutet auf eine langfristige Strategie hin, die sowohl die Erneuerung als auch die Erweiterung der U-Boot-Flotte umfasst.

Die Entscheidung Indiens, weitere „Scorpène“-U-Boote zu bestellen, steht noch aus und wird durch den hohen Preis beeinflusst. Die Kosten-Nutzen-Analyse dieser Investition ist komplex, da sie sowohl die unmittelbaren Verteidigungsbedürfnisse als auch die langfristigen wirtschaftlichen und industriellen Ziele des Landes berücksichtigt. Die strategische Partnerschaft mit Ländern wie Deutschland, die durch die Beteiligung von tkMS am P-75I-Projekt zum Ausdruck kommt, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Der deutsche Botschafter in Neu-Delhi betonte die politische Unterstützung für eine solche Partnerschaft, die über den reinen Rüstungshandel hinausgeht und die Sicherheit und Stabilität im Indopazifik fördern soll.

Insgesamt spiegelt der aktuelle Stand der indischen Marine die Bemühungen wider, eine ausgewogene und zukunftsfähige Flotte aufzubauen, die sowohl den aktuellen Sicherheitsanforderungen gerecht wird als auch die Grundlage für eine unabhängige Verteidigungsindustrie legt. Die Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang getroffen werden, haben weitreichende Auswirkungen auf die regionale Sicherheitsarchitektur und die Position Indiens als maritime Macht.

Der Typ U 214 wurde von HDW für den Export entwickelt und nach der Umfirmierung von tkMS weiter genutzt. Abnehmer waren Griechenland, Südkorea und die Türkei, in einer modifizierten Version auch Portugal. Die U-Boote dieser Klasse verfügen mit ihrer Brennstoffzelle über ein außenluftunabhängiges Antriebssystem.

Das Foto zeigt eine Einheit der U214-Klasse, wie sie für Südkorea entwickelt wurde. (Foto: Michael Nitz)

 

Strategische Meeresverteidigung: Indiens Weg zur maritimen Selbstständigkeit

Das ambitionierte P-75I-Projekt markiert einen Wendepunkt in Indiens Streben nach maritimer Selbstständigkeit durch die Beschaffung von sechs konventionellen U-Booten, die auf heimischem Boden gefertigt werden sollen. Dieses Vorhaben unterstreicht die Bedeutung der „Indigenization“, indem es vorschreibt, dass mindestens 60 Prozent der U-Boot-Komponenten aus indischer Produktion stammen müssen. Trotz der Herausforderungen, die sich aus langwierigen Beschaffungsprozessen, geringen Gewinnmargen und rechtlichen Streitigkeiten ergeben, die in der Vergangenheit zu erheblichen Verzögerungen führten, zeigt das Projekt nun Fortschritte. Die Abkehr einiger Bieter, darunter tkMS, aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde durch eine Neubewertung der Ausschreibung im Jahr 2023 umgekehrt, was zu einer erneuten Beteiligung von tkMS führte. In der Folge kam es zur Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung zwischen tkMS und MDL (Mazagon Dock Shipbuilding Limited), die eine gemeinsame Vermarktung und Produktion der U-Boote anstrebt. Mit dem Typ-214IN (India) bietet tkMS ein hochmodernes U-Boot an, das den neuesten Stand der T-214-Serie repräsentiert. Im Wettbewerb um die P-75I-Ausschreibung steht tkMS in Konkurrenz zu Navantia aus Spanien, das das S-80+ Modell anbietet. Da Navantia jedoch keinen operativ genutzten luftunabhängigen Antrieb (AIP) nachweisen konnte, blieb tkMS als einziger Bewerber in den Felderprobungen (FET) erfolgreich.

Verhandlungen mit Hindernissen

Obwohl die Anwesenheit des Kanzlers und des Verteidigungsministers das Potential birgt, das Projekt voranzutreiben, ist der Abschluss eines Vertrages noch nicht in Sicht. Es stehen noch einige Herausforderungen zwischen tkMS und dem indischen Verteidigungsministerium aus, wie zum Beispiel die Klärung der Haftungsfrage bei möglichen Verzögerungen oder Kostenüberschreitungen. Neu-Delhi besteht auf einer vollständigen Haftungsübernahme durch tkMS, selbst für Umstände, die außerhalb der direkten Kontrolle des Unternehmens liegen. Hinzu kommt der Einfluss der Naval Group, die bestrebt ist, ihre „Scorpène“-U-Boote auf dem indischen Markt zu etablieren. Vor diesem Hintergrund ist mit einer Vertragsunterzeichnung frühestens im Jahr 2025 zu rechnen.

Neue Horizonte in der deutsch-indischen Verteidigungspartnerschaft

Das P-75I-Projekt markiert einen Wendepunkt in der deutsch-indischen Verteidigungskooperation und bietet die Gelegenheit, die bilateralen Beziehungen zu stärken. Angesichts der wachsenden Bedeutung des indopazifischen Raums ist der Ausbau industrieller Beziehungen wichtig. In den letzten Jahren sind die militärischen Beziehungen zwischen Deutschland und Indien stärker geworden, was durch den Besuch von Verteidigungsminister Boris Pistorius in Neu-Delhi im Juni 2023 und seinen Aufruf zu einer verstärkten Zusammenarbeit beider Nationen unterstrichen wurde.

Rund 500 angehende indische Offiziere verfolgen aufmerksam den Worten des deutschen Air Chiefs ( Foto © Bundeswehr/Francis Hildemann)

Die gemeinsamen Übungen der deutschen Luftwaffe mit Indien während des Indo-Pacific Deployments 2024 ‚Pacific Skies‘ und der Einsatz der Marineeinheiten ‚Baden-Württemberg‘ und ‚Frankfurt am Main‘ haben die Kooperation auf ein neues Niveau gehoben. Das P-75I-Projekt könnte nicht nur die deutsch-indische Partnerschaft weiter vertiefen, sondern auch dazu beitragen, Indiens Abhängigkeit von russischer Militärtechnologie zu reduzieren. Diese Ausschreibung sollte daher nicht nur aufgrund ihrer wirtschaftlichen, sondern auch ihrer politischen Vorteile bewertet werden.

Foto © Bundeswehr/Luftwaffe

 

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