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Bei den Rheinmetall Skyranger System Demonstration Days am 18. September wurde der Skyranger 35 erstmals auf einem Leopard 1-Fahrgestell öffentlich vorgestellt. Skyranger 35 ist sozusagen der Urvater der Skyranger-Familie, aus dem der Skyranger 30 entwickelt wurde, um einen zusätzlichen Lenkflugkörper unterzubringen. Für den Demonstrator war der Skyranger-Turm überarbeitet und erneut optimiert worden. In den Turm-Neubau wurden die bewährten Skyranger 35-Komponenten und teilweise neue integriert. Das Turmgewicht von rund vier Tonnen ist in gleicher Größenordnung wie beim Skyranger 30. Damit kann der Skyranger 35-Turm auf den gleichen Trägerfahrzeugen integriert werden jedoch ohne zusätzliche Lenkwaffe.

Der Skyranger 35 auf Leopard 1 wurde bei den Skyranger System Demonstration Days im scharfen Schuss vorgestellt. (Foto: Rheinmetall)

Sensoren

Der Hauptsensor ist das Oerlikon AMMR (Multi-Mission Radar) System mit vier AESA (Active Electronically Scanned Array) Antennen, die jeweils einen horizontalen Winkel 90 Grad abdecken. Das Oerlikon AMMR ist für den stationären oder mobilen Betrieb unter schwierigsten Umwelt- und Störbedingungen ausgelegt und mit den neuesten Electronic Counter-Counter-Measures (ECCM)-Funktionen ausgestattet. Das Radar ist vollständig software-definiert. Dank adaptiver, volldigitaler Strahlformungs-Techniken im S-Band erkennt, klassifiziert und verfolgt das Oerlikon AMMR automatisch das gesamte Spektrum von Luftbedrohungen wie Mini- und Mikro-Drohnen (UAS – Unmanned Aerial Systems), aus steilem Winkel angreifende Raketen und Mörser (RAM)-Bedrohungen sowie Luft-Boden-Waffen und Marschflugkörper.

Für die Zielverfolgung dient ein Ku-Band Tracking Radar in Verbindung mit einer elektro-optischen Einheit bestehend aus einer Taglicht- und einer Infrarotkamera sowie Laserentfernungsmesser für Luft- und Bodenziele mit unterschiedlichem Sichtwinkel.

Effektor und Munition

Der Effektor ist die 35-mm Oerlikon Revolverkanone KDG, die auf bis zu vier Kilometer wirken kann. Im Feuerstoß beträgt die Kadenz 1.000 Schuss/Minute. Im schnellen Einzelschuss-Modus werden 200 Schuss/Minute abgegeben. Für den Skyranger 35 wurde die 35mm x 228mm AHEAD-Munition (Advanced Hit Efficiency and Destruction, verbesserte Treffer-Wirksamkeit und Zerstörung) entwickelt, eine Air Burst Munition mit 152 Subprojektilen aus Wolfram. Munitionssorten mit mehr Subprojektilen bei gleichem Gewicht sind verfügbar bzw. werden entwickelt. Wegen gleicher flugballistischer Eigenschaften kann die Munition gemischt verschossen werden. Der Munitionsvorrat im Turm beträgt 252 Schuss.

Die AHEAD-Munition kann mit programmiertem Luftsprengpunkt eingesetzt werden. An der Rohrmündung wird die Abgangsgeschwindigkeit des Geschosses gemessen und die aus der Zielentfernung berechnete Flugzeit in das Geschoss einprogrammiert. Dann zerlegt die Munition nah am Ziel und setzt die Subprojektile frei, die dann eine tödliche Wolke bilden, in der Ziele wie unbemannte Fluggeräte, Artilleriemunition oder Raketen zuverlässig zerstört werden. Beim Einsatz gegen gepanzerte Erdziele (z.B. Panzer) kann die Wolke aus Subprojektilen Optiken und Sensoren zerstören und so einen Mission-Kill erzeugen.

Bis auf die Verlagerung der Besatzungsplätze bleib die Wanne des Leopard 1 nahezu unverändert. Am Turm erkennt man neben der 35mm Kanone links oben die Tracking-Einheit mit Radar und Elektro-Optik und an den Ecken unten rechts und links zwei der vier Radarantennen des Suchradars. (Foto: Rheinmetall)

Skymaster

Gesteuert wird das Skyranger 35 System von der Führungs- und Feuerleitsoftware Skymaster, die die Schnittstellen für die Kommunikation mit den Sensoren und Effektoren sowie innerhalb des Waffensystems als extern in taktische Netze bereitstellt. Der Kommandant führt den Feuerkampf entsprechend den Rules of Engagement und den aktuellen Befehlen. Er allein entscheidet, wann geschossen wird, selbst wenn Zielerkennung und Beurteilung der Bedrohung bis hin zum Bekämpfungsvorschlag weitgehend automatisiert erfolgen.

Trägerfahrzeug Leopard 1

Rheinmetall hat den Skyranger 35-Turm erstmals auf ein Leopard 1-Fahrgestell integriert. Da der Turm unbemannt ist, mussten Kommandant und Richtkanonier links neben dem Fahrer in der Wanne untergebracht werden. Der Einstieg dieser Besatzungsmitglieder erfolgt durch eine weitere Luke vorn im Panzer. Mit der Auswahl des Leopard 1 als Träger will Rheinmetall u.a. zeigen, dass Skyranger fahrzeugunabhängig ist und auf nahezu jedes Trägerfahrzeug integriert werden kann.

Seine Leistungsfähigkeit demonstrierte der Skyranger 35 während der Skyranger System Demonstration Days im zweiten Anlauf. Die erste Aufgabe war die Bekämpfung einer im Sturzflug angreifenden (Kamikaze-)Drohne. Obwohl das System die Drohne aufgefasst und getrackt wurde, brach kein Schuss, weil ein Zukaufteil den Dienst versagte. Da diese Komponente im Demonstrator noch nicht im internen Prüfsystem aufgenommen war, dauerte die Fehlersuche. Als der Fehler behoben war, funktionierte die Wirkungskette im Skyranger 35 wie am Schnürchen. Das Flugziel, ein einer iranischen Drohne nachempfundenes Objekt, wurde bedrohungsgerecht zerstört. Auch das anschließend bekämpfte Bodenziel konnte wie geplant unschädlich gemacht werden.

Beim Feuerstoß wird der Skyranger 35 in Pulverdampf eingehüllt. An der Rohrmündung sieht man das Geschoss in einem Schwall von Rauchgasen sowie die von der Mündungsbremse umgelenkten Gasmenge. (Foto: Rheinmetall)

Kunden

Für Skyranger 35 hat Rheinmetall noch keine Kunden, obwohl das Interesse groß ist. Die Kombination könnte für die Unterstützung der Ukraine geeignet sein, weil mit dem Leopard 1 ein kostengünstiger und schnell verfügbarer Träger genutzt werden könnte. Bei der Defence Vehicles Dynamics (DVD2024) der British Army hat das Unternehmen einen Skyranger 35 auf Boxer-Fahrgestell ausgestellt, als einen Anwärter für die zukünftige Flugabwehr der British Army im Nächstbereich.

Gerhard Heiming