Von Ende Juni bis Anfang August 2024 fand das Großmanöver RIMPAC 2024 in Hawaii statt.
RIMPAC wird seit 1971 in einem, inzwischen zweijährigem, Rhythmus durchgeführt. Im Laufe der Jahre hat sich das Manöver zum weltweit größten Seemanöver entwickelt.
Dieses Jahr nahmen über 25000 Soldaten aus 29 Ländern daran teil. Darunter erstmalig auch zwei Schiffe der Bundesmarine und fliegende Einheiten der Luftwaffe.
Das Dezernat Marineschifffahrtleitung Hamburg (Marinekommando Operation M34) nahm, bereits zum vierten Mal in Folge, an dieser Übung teil. Seit 2016 stellt die Marineschifffahrtleitung Hamburg den deutschen NCAGS-Anteil (Anm.: 2020 fiel das Manöver aus). In diesem Jahr besteht die internationale NCAGS-Einheit aus fast 50 Teilnehmern aus insgesamt 9 Nationen (AUS, BEL, DEU, FRA, JPN, NZL, NDL, CAN, USA). Die Zahl der teilnehmenden Nationen steigt kontinuierlich an, welches die Notwendigkeit des Engagements in diesem Bereich widerspiegelt.
Die Aufgaben der Marineschifffahrteitung – im internationalen Sprachgebrauch als NCAGS (Naval Cooperation And Guidance for Shipping) bekannt, umfassen unter anderem:
- Das Führen des sog. „White Shipping“-Lagebild (Lagebild der zivilen Schiffe im Übungs- bzw. Einsatzgebiet). Gerade im Hinblick auf, für den militärischen Befehlshaber, wichtige Schiffe, wie zum Beispiel einzelne Tanker zur Versorgung der eigenen Kräfte. Lageabhängig kann ein militärischer Schutz dieser HVU’s (High Valueable Unit) erforderlich sein.
- Der Informationsaustausch zwischen den zivilen und militärischen Einheiten und der daraus resultieren Vermeidung von möglichen Konfliktsituationen auf See. Dieser Austausch kann sowohl direkt mit der Schiffsführung an Bord als auch über nautische Warnnachrichten (AWWNIS – Allied World Wide Navigation Information System) erfolgen. Wenn erforderlich können Meldeverfahren und definierte Seegebiete eingerichtet werden.
- Die ständige Präsenz und Zusammenarbeit im sog. Watch Floor im PWC (Pacific Warfighting Center / TOC – Tactical Operation Center) mit allen teilnehmenden Task Forces und aller am Manöver beteiligten Einheiten. Einhergehend mit der fachlichen Beratung des mil. Befehlshabers.
- Die Erstellung von MPOL (Maritime Pattern Of Life) und PA (Port Assessment) um die wesentlichen Informationen eines Hafenbetriebs, der maritimen Wirtschaft und die daraus resultierenden Versorgungswege, sowohl für die zivile Bevölkerung als auch für den militärischen Bedarfsträger, herauszuarbeiten.
- Teilnahme an einer HADR-Übung (Humanitarian Assistance and Desaster Relief). Unterstützung und Durchführung der Zivil-militärischen Zusammenarbeit bei der Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern über den Seeweg.
- NCAGS-Personal kann auch eingeschifft (auf einem Marineschiff oder Handelsschiff) wirken und dem Kommandanten bzw. den Kapitän direkt beraten und unterstützen.
- Unterstützung der SOF-Kräfte (Spezial Operation Forces) bei der Vorbereitung und Durchführung der Boardingoperationen an Bord ziviler Schiffe. Sowohl im Rahmen eines möglichen Embargos als auch bei der Bekämpfung von Piraten oder anderen Szenarios. Durch einen erfahrenen Handelsschiffoffizier mit abgeschlossener militärischer Boardingausbildung in der Befähigung zum ECLO (Embargo Control Liasion Officer) werden die SOF-Kräfte unterstützt. Der ECLO ist Teil des Boardingteams.
Die wesentliche Aufgabe der NCAGS-Einheit ist es, dem militärischen Befehlshaber zu beraten und zu Unterstützen. Die Versorgung der eigenen Einheiten, vor allem mit dem notwendigen Kraftstoff stellt hier die größte Herausforderung dar. Gerade durch die Insellage Hawaiis ist eine Versorgung über See überlebenswichtig. Das frühzeitige und konsequente Erkennen, und damit die Nutzung und Sicherung der zivilen Nachschubwege ist für den mil. Befehlshaber essenziell. Ohne Kraftstoff und ohne Versorgung steht jede Flotte, jede Einheit still. Diese Versorgung wird seit je her von zivilen Handelsschiffen und ihren Besatzungen gewährleistet. Die Weltgeschichte hält viele Beispiele dafür bereit.
So wurde während des Manövers RIMPAC ein gecharterter ziviler Tanker als schwimmendes Kraftstofflager und als Versorgungsplattform für militärischen Versorgungsschiffe zum wiederholten Male genutzt.
Die Übersicht über die zivile Schifffahrt wird von dem NCAGS-Team durch das „White-Shipping-Lagebild“ gewährleistet. Der Schutz dieser wichtigen Schiffe ist oberstes Ziel.
Als Teil des IPD (Indo-Pazifik-Deployment) der Bundeswehr steht die Marineschifffahrtleitung Hamburg als erfahrene und zuverlässige Einheit auch zukünftig bereit, die komplexen Aufgaben und Herausforderungen der zivilen Schifffahrt im Sinne der militärischen Bedürfnisse zu erkennen und ihren Nutzen zu gewährleisen.
Die Marineschiffahrtleitung leistet seit Jahrzehnten einen wertvollen Beitrag im Bereich der Zusammenarbeit zwischen der militärischen und der zivilen Schifffahrt. Seit Mitte der 1990 Jahre hat die Marineschifffahrtleitung durchgehend an fast allen Einsätzen der Marine teilgenommen. Aktuell ist ein NCAGS-Offizier bei der EU-Mission ASPIDES im Roten Meer eingesetzt.
Klaus Eidenschink und Jan Scharrer