Kinetose, auch bekannt als Seekrankheit oder motion sickness, kann die Verwendungsfähigkeit von Piloten stark einschränken. In der Ausbildung kann eine Kinetose zur vorübergehenden Verwendungsunfähigkeit führen und damit zum Abbruch der Ausbildung. In dem Fall bleibt ein teurer Ausbildungsplatz ungenutzt.
Um die Veranlagung zur Kinetose vor Ausbildungsbeginn erkennen zu können, entwickelt das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) zusammen mit dem DLR und dem Institut für Flugsysteme der Universität der Bundeswehr München unter dem Projektnamen Früherkennung Kinetose-Risiko (KiRis) ein Verfahren zur Erkennung und Bewertung einer Kinetose. Die zugehörige Studie läuft seit Oktober 2021 (ESuT berichtete) und soll 2025 abgeschlossen werden.
Das Testverfahren besteht aus Fragebögen und physiologischen Sensoren. In einem Simulator werden die Testkandidaten bei provokativen Tests Bewegungen wie bei Flugmanövern, dabei auch extreme Überkopf-Phasen, ausgesetzt. Währenddessen werden sie im Cockpit einer Arbeitsbelastung wie im Flug unterworfen. Die Ergebnisse werden mit einem Machine-Learning-Modell ausgewertet und eine Vorhersage zur Anfälligkeit des Probanden für eine Kinetose abgeleitet.
Über den Stand des Projekts hat das FKIE im Rahmen des Technologieforums 2024 am 28. August informiert. Demnach steht das Testverfahren. Die Fragebögen sind formuliert, der spezielle Simulator mit sieben Freiheitsgraden steht vollständig ausgerüstet beim DLR bereit. Die Zustimmung der Ethik-Kommission liegt vor. Schließlich werden ja höchst sensible Daten der Probanden erhoben und verarbeitet.
Die Tests mit realen Fluganwärtern sollen demnächst beginnen und noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Dabei wird angestrebt sowohl Kinetose-anfällige als Kinetose-unempfindliche Personen zu testen, um die Aussagekraft des Testverfahrens zu validieren. Wenn bis Oktober 2025 die Testergebnisse ausgewertet sind und die Projektpartner eine Empfehlung zur Vorgehensweise abgegeben haben, steht die Entscheidung des Kommando Luftwaffe an, ob und wann die Früherkennung des Kinetose-Risikos eingeführt wird.
Wenn ein erhöhtes Kinetose-Risiko festgestellt wird, ist die erste Maßnahme eine Therapie zur Desensibilisierung. Wenn diese erfolgreich verläuft, kann die betroffenen Anwärter die Ausbildung zum Piloten beginnen bzw. fortsetzen.
Gerhard Heiming