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Die 100 Milliarden Euro, die im Sondervermögen Bundeswehr seit 2022 zur Verbesserung der Ausstattung der Bundeswehr bereitgestellt worden sind, sind praktisch vollständig gebunden. Im 19. Rüstungsbericht, den das BMVg am 24. Juli veröffentlicht hat, wird der Bindungsstand des Sondervermögens am Stichtag 30. April 2024 mit 86,6 Milliarden Euro angegeben.

Seitdem hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 27 Vorhaben mit einem Vertragsvolumen von über 15 Milliarden Euro, deren Genehmigung das BMVg mit 25-Mio-Euro-Vorlagen beantragt hatte, gebilligt. Darunter sind Milliardenvorhaben wie Wechselladersysteme, SatComBw Stufe 3, 105 Kampfpanzer Leopard 2 A8, vier Feuereinheiten Patriot und 155mm Artilleriemunition, die in der Restlaufzeit des Sondervermögens erhebliche Finanzmittel erfordern. Viele der Vorhaben mit einem Finanzbedarf jeweils im drei- bzw. zweistelligen Millionen Euro-Bereich werden ganz oder teilweise bis 2027 realisiert. Daher kann man davon ausgehen, dass ein Großteil der oben genannten 15 Milliarden Euro zum Bindungsstand vom 30. April addiert werden müssen, der damit die 95 Milliarden Euro-Marke deutlich überschreitet.

Der erste Entwurf des Wirtschaftsplans zum Sondervermögen musste korrigiert werden, weil die Zinsen für die Kreditaufnahme nicht berücksichtigt wurden. Im ersten Schritt wurden die für Vorhaben verfügbaren Finanzmittel auf 92 Milliarden Euro und im zweiten Schritt auf 87 Milliarden Euro reduziert. Mit diesem Ansatz wurde der Wirtschaftsplan Teil des Bundeshaushalts 2023.

Zwischenzeitlich wurde durch die Aufnahme zahlreicher kurzlaufender Vorhaben der tatsächliche und geplante Mittelabfluss so stark beschleunigt, dass Finanzmittel aus dem Sondervermögen ab 2028 nicht mehr zur Verfügung stehen. Dann müssen die Zinsen aus dem Einzelplan 14 getragen werden.

Die Fregatte F126 gehört zu den teuersten Projekten, das nur zum geringen Teil aus dem Sondervermögen finanziert werden kann. (Foto: Damen Naval)

Bisher sind (einschließlich 2024) an Zinszahlungen 1,78 Milliarden Euro geleistet worden. Für die restlichen drei Jahre sind mindestens 2,4 Milliarden Euro zu veranschlagen. Damit bleiben im Sondervermögen für alle Vorhaben zusammen maximal 95,82 Milliarden Euro übrig.

Bei strenger Rechnung können keine neuen Vorhaben mehr zu Lasten des Sondervermögens geplant werden. Da auch im Kernhaushalt in diesem Jahr nur 2,7 Milliarden Euro und im nächsten Jahr mit 2,5 Milliarden Euro noch weniger Finanzmittel für Beschaffungen zur Verfügung stehen, ist auch dort kein Spielraum für neue Verträge vorhanden. Auf der Warteleiste allein für das laufende Jahr stehen noch zahlreiche Großvorhaben wie Artillerie-Boxer RCH 155, Infanterie-Boxer, Werfer für die Raketenartillerie, Kampfflugzeuge Eurofighter, U-Boote U 212 CD und Nachfolgefahrzeuge für den Transportpanzer Fuchs.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat zwar am 5. Juli in einer Pressekonferenz angekündigt, der Verteidigungshaushalt werde auf 80 Milliarden Euro anwachsen. Haushaltsexperten sehen jedoch große Schwierigkeiten, einen Sprung um nahezu 30 Milliarden Euro im mittelfristigen Finanzplan zu realisieren. Da der Bundeshaushalt nach dem Finanzplan um 17 Milliarden Euro wachsen soll, ist für die starke Anhebung des Verteidigungshaushalts Kompensation im Einzelplan 60 durch eine Reduzierung um 28,3 Milliarden Euro auf nur noch 2,97 Milliarden Euro vorgesehen. Daher steht dieser Einzelplan für die bisher damit finanzierten Aufgaben (z.B. zahlreiche internationale Aufgaben (u.a. Ertüchtigungshilfe) und Aufwendungen für Personal bzw. Immobilien) kaum noch zur Verfügung.

In gut einem Jahr sind Bundestagswahlen. Ob danach Scholz seine Versprechungen wahr machen kann, ist höchst zweifelhaft. Die Aufgabe der neuen Regierung wird es sein, die Finanzen neu zu ordnen und für eine verlässliche Finanzierung der Bundeswehr zu sorgen, wie es Scholz in seiner „Zeitenwende“-Regierungserklärung vom 24. Februar 2022 angekündigt hatte.

Gerhard Heiming