Mit erneut acht 25-Mio-Euro-Vorlagen – wie vor einer Woche – befasste sich der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause. Damit hat der Ausschuss im vergangenen Halbjahr 42 Großvorhaben mit einem Volumen von knapp 27 Milliarden Euro gebilligt, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius nach der Sitzung feststellte.
Pistorius hatte an der Sitzung teilgenommen, und den Haushältern der Ampel gedankt. Die im Ausschuss diskutierten Beschaffungs- und Entwicklungsvorhaben der Bundeswehr seien das Herzstück der Zeitenwende. „Das sind langfristige, wichtige und dringend benötigte Investitionen in unsere Truppe und damit in unsere Verteidigungsfähigkeit und damit in unsere Sicherheit“, so Pistorius weiter.
In seinem Statement nach der Sitzung erläuterte Pistorius die neue Vorgehensweise für die Finanzplanung. Bisher seien Vorhaben geplant worden, wenn klar war, wieviel Geld da war. Dann sei mit der angepassten Planung meistens zu wenig oder zu spät beschafft worden. Das habe die Lücken gerissen, unter anderem, aber natürlich auch die knappen Haushaltsmittel, mit denen wir es heute zu tun haben.
Jetzt werde der Spieß umgedreht. „Wir melden jetzt nicht an, was wir uns anhand der Kassen leisten können, sondern wir melden das an, was wir für die Verteidigungsfähigkeit des Landes brauchen und sehen dann, was wir durchkriegen, auch auf der Grundlage – das ist ein unverzichtbares und wichtiges Instrument – von sogenannten Verpflichtungsermächtigungen. Diesen Weg sind wir konsequent gegangen“, sagte Pistorius.
Von den aktuellen Vorlagen nannte Pistorius die Beschaffungen von 105 Kampfpanzern Leopard 2 A8, von vier Feuereinheiten des Flugabwehrsystems Patriot und von 155-mm-Artilleriemunition, die genehmigt seien. Darüber hinaus standen die Beschaffungen von leichten geländegängigen Lkw, 7,62-mm-Handwaffenmunition, Lenkflugkörpern Patriot GEM-T, der Abruf weitere Sprechsätze mit Gehörschutz sowie der Änderungsvertrag mit dem IT-Dienstleister BWI über den Betrieb der Informations- und Kommunikationstechnik der Bundeswehr (HERKULES).
Auf Nachfrage erläuterte Pistorius, dass die verabschiedeten Vorhaben in den nächsten zwei, drei Jahren nur sehr niedrige Beträge benötigen. Ab 2028 müsse es einen großen Aufwuchs im Einzelplan geben. Das sei allgemein bekannt und werde nach seiner festen Überzeugung auch geschehen.
Die Opposition im Haushaltsausschuss erkannte die Notwendigkeit zur Deckung des genannten Bedarfs der Bundeswehr an, kritisierte jedoch die Vorgehensweise des BMVg und äußerte gravierende Bedenken.
„Boris Pistorius präsentiert uns einen erschreckenden Kontrollverlust bei den Bundeswehrbeschaffungen. Er will munter drauf los bestellen – ohne Rücksicht auf Haushaltspraxis und Haushaltsrecht“, erklärte Ingo Gädechens, Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für den Verteidigungshaushalt. Das Verteidigungsministerium wolle aber hohe dreistellige Millionenbeträge bis 2027 ausgeben und diese von anderen Beschaffungsvorhaben abziehen – ohne ein einziges Wort zu verlieren, welche anderen Beschaffungsvorhaben aufgegeben werden. Das sei eine neue Qualität der unseriösen Beschaffung. Die Bundeswehr kriege nichts zusätzlich – sie kriege nur andere Waffensysteme als bisher eingeplant, so Gädechens weiter. „Das ist eine Täuschung der Truppe!“
Zudem sei erschreckend, dass das Verteidigungsministerium in zwei Fällen keine endverhandelten Verträge vorgelegt hat. Damit solle der Haushaltsausschuss auf Wunsch der Regierung Blankoschecks ausstellen – was am Ende beschafft werde und wie viel es koste, wisse das Parlament nämlich nicht.
Für die Kampfpanzer Leopard 2 A8 benötige das BMVg bis 2027 rund, bisher nicht eingeplante, 460 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr, schreibt Gädechens. Welche Vorhaben dadurch verdrängt werden, bleibe unklar. Die für den Rahmenvertrag vorgesehene Verfügbarkeitsgewährleistung für mehr als 600 Millionen Euro sei nicht endverhandelt. Daher bleibe unklar, welche Leistungen vereinbart werden sollen. Der Blankoscheck, der beantragt worden sei, sei haushaltsrechtlich unzulässig., so Gädechens.
Die drei Patriot-Luftverteidigungssysteme zur Aufstockung der Fähigkeiten würden in gleicher Weise finanziert mit dem Schwerpunkt nach 2028, also außerhalb des Finanzplanungszeitraums. Die Ersatzbeschaffung für die Abgabe an die Ukraine soll noch in diesem Jahr bezahlt werden, obwohl die Lieferung erst Ende der 2020er Jahre erwartet wird.
Zu der Beschaffung von 155-mm-Artilleriemunition merkte Gädechens an, dass nur Geschosse – nicht ganze Schüsse mit Geschoss, Treibladungen und Zündern – beschafft werden. Für die Beschaffung seien 50 Prozent mehr Kosten angegeben, als im Vertrag vorgesehen. Eine Begründung der Notwendigkeit habe das Ministerium nicht geben.
Für die Beschaffung der Lenkflugkörper GEM-T habe nur ein unverbindliches Angebot vorgelegen. Damit sei die Vorlage nicht haushalts- und beratungsreif, so Gädechens.
In einem Maßgabebeschluss hat der Haushaltsausschuss das BMVg aufgefordert, Gründe für die Unzulänglichkeiten der Vorlagen zu darzulegen. Die Vertreter der CDU/CSU-Fraktion im Haushaltsausschuss hatten einen schärferen Beschluss zur Abstimmung gestellt.
Kommentar:
Die Frage der Finanzierung der vielen Vorhaben der letzten zwei Jahre stellt sich schon lange. Als das Sondervermögen Bundeswehr 2022 aufgelegt wurde, gab es eine peinlich genaue Planung der Vorhaben, die daraus oder aus dem Einzelplan finanziert werden sollten. Als das Geld knapp wurde, wurden immer Vorhaben vom Einzelplan in das Sondervermögen umgebucht. Trotzdem fließt das Geld nicht vollständig ab. Jetzt werden fast alle Vorhaben aus beiden Töpfen gespeist. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es vor allem darauf ankommt mit einem zu kleinen Verteidigungshaushalt auszukommen. Das funktioniert, solange im Sondervermögen aktuell noch Luft ist. Wenn ab 2028 das Sondermögen erschöpft ist, ist bisher noch keine Vorsorge getroffen, dass weiterhin Finanzmittel zu Verfügung stehen. Bis dato fehlt in der mittelfristigen Finanzplanung für einen zwei- bis dreistelligen Milliarden Euro-Betrag.
Gerhard Heiming