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Oliver Dörre hat vor wenigen Monaten die Führung des Sensorlösungsanbieters HENSOLDT übernommen. ES&T sprach mit ihm über die aktuelle Lage und seine Pläne für die Zukunft.

ES&T: Sehr geehrter Herr Dörre, nach Ihren ersten Monaten im Amt: Wo steht
HENSOLDT?
Dörre: Ich habe seit Anfang des Jahres überall im Unternehmen ein hohes Maß an Professionalität in Verbindung mit einem leidenschaftlichen Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erlebt. Unser Teamgeist ist beispielhaft. Als anerkannter Sensorspezialist sind wir ein nationaler Champion und damit ein Kernelement der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Das ist eine hervorragende Ausgangsposition, die aber auch eine große Verantwortung mit sich bringt und natürlich jeden Tag verteidigt werden muss.

Oliver Dörre im Gespräch mit Burghard Lindhorst auf der ILA (Foto: MRV/Annette Riedl)

ES&T: Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um diese Position zu halten oder sogar auszubauen?
Dörre: Um das Unternehmen nachhaltig für die Zukunft auszurichten, liegen meine mittelfristigen Prioritäten in drei Bereichen:
Erstens, operationelle Exzellenz, d. h. der nachhaltige Ausbau unserer industriellen Kapazitäten, die Verbesserung unserer Produktqualität und die Erweiterung unserer Lösungskompetenz.

Zweitens, Digitalisierung, d. h. Investition in die nächste Generation unserer Produkte durch eine Fokussierung auf Software, Daten und KI sowie Vernetztung.
Drittens, Internationalisierung, d. h. wir internationalisieren unser Geschäft weiter mit einem klaren Schwerpunkt auf Europa, unsere Heimatmärkte außerhalb der Europäischen Union sowie auf andere selektive Auslandsmärkte.

ES&T: Bleiben wir einen Moment bei der Digitalisierung. Inwiefern bringt Ihnen das einen Wettbewerbsvorteil?
Dörre: Unsere Kunden setzen vermehrt auf das übergreifende Konzept der „Software Defined Defence“. Im Kern bedeutet das eine verbesserte Verbindung von softwaregestützter Technologie und leistungsfähiger Hardware zur Fähigkeitssteigerung von Waffensystemen. Auf Produktseite sollen unsere Sensoren und Systemlösungen innerhalb von Plattformen und über Systemgrenzen hinweg zukünftig deshalb noch stärker zu einem „intelligenten Netzwerk“ zusammengeführt werden, um anfallende große Datenmengen zu fusionieren und als Service verwertbar zu machen. Wir machen unsere Produkte „KI-ready“. Damit wachsen wir in der Wertschöpfungskette vom bloßen Produkt- oder Subsystemlieferanten zum Lösungsanbieter, der dem Kunden größeren Nutzen bietet.

ES&T: Wie fügt sich die Übernahme der ESG GmbH in dieses Bild?
Dörre: Mit der Übernahme der ESG vollziehen wir einen wichtigen strategischen Schritt, um unsere Position als führender Anbieter von Sensorlösungen, eingebettet in ein System- und Servicehaus, konsequent und nachhaltig zu stärken. Als renommierter Dienstleister bringt die ESG weitreichende Systemkompetenzen und professionelle Services ein.

Außerdem fügt sich die Übernahme in den Kontext der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ein, deren Konsolidierung zukünftig auch einen deutschen Stempel trägt.

ES&T: Steht denn die Konsolidierung der Rüstungsindustrie noch auf der Tagesordnung?
Dörre: Aber sicher! Wir brauchen eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der Europäischen Union. Das kann mittel- bis langfristig nur durch eine weitere Konsolidierung gelingen. Diese darf jedoch nicht zu Lasten Deutschlands gehen.

Deutschland und deutsche Unternehmen müssen die aktiven Gestalter dieser Konsolidierung sein.

ES&T: Eine weitere Voraussetzung für eine europäische Verteidigungsfähigkeit ist die „Zeitenwende“ der deutschen Sicherheitspolitik. Ist diese aus Ihrer Sicht dauerhaft?
Dörre: Ich kann nicht die Zukunft vorhersehen, aber wir müssen hier zunächst einmal Erfolge anerkennen: Es ist der Bundesregierung gelungen, in den letzten Jahren eine wirkliche „Zeitenwende“ einzuleiten. Jetzt gilt es, deren Umsetzung nachhaltig voranzutreiben und den aktiven Ausbau eigener Fähigkeiten zu stärken. Hier wollen wir unseren Beitrag leisten, brauchen dafür aber die weitere Unterstützung der Politik.

ES&T: Was erwarten Sie hier von der Politik?
Dörre: Es kommt im Wesentlichen auf fünf Punkte an:
1. eine dauerhafte und nachhaltige Erhöhung des Verteidigungsetats;
2. langfristige Abnahmeverträge und Planungssicherheit;
3. die Erarbeitung einer übergreifenden Industriestrategie, die Schlüsseltechnologien und Wertschöpfung in Deutschland konsequent fördert;
4. ein ausgewogenes Exportkontrollgesetz entlang europäischer Standards;
5. eine Einstufung der Verteidigungsindustrie als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie.

Die Fragen stellte Burghard Lindhorst.